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Wien

Kornaten. Foto: Ivo Pervan

Baukultur über Jahrhunderte
Die Reihe Architektur im Ringturm des Wiener Städtischen Versicherungsvereins zeigt erstmals eine Ausstellung – entstanden in Zusammenarbeit mit der Universität Rijeka – über die Architektur der einzigartigen Inselwelt Kroatiens. Im Mittelpunkt stehen die rund 1.200 Inseln – wovon lediglich ca. 70 bewohnt sind – und ihr reiches architektonisches Erbe. In drei wesentliche Zeitabschnitte gegliedert werden herausragende Bauten aus der Zeit der Antike bis ins Mittelalter, aus dem 19. und 20. Jahrhundert und schließlich zeitgenössische Bauten vorgestellt.
Bekannte, hervorragende Bauwerke bzw. ganze authentische Altstädte aus historischer Zeit, wie z.B. Hvar, Koržula oder Rab werden in der Schau beleuchtet. Ebenso werden weniger bekannte architektonisch bedeutende Bauten aus jüngerer Vergangenheit und aus der Gegenwart dargestellt.

Die Kroatischen Inseln – eine Welt für sich
Zwischen der Bucht von Rijeka im Norden und dem südlich-mediterranen Dubrovnik liegt – der östlichen Adriaküste vorgelagert – eine einmalige Inselwelt entlang eines zerklüfteten Küstenstreifens, wie es ihn weltweit nur selten gibt. Die rund 1.200 Inseln sind, in mehrere Gruppen unterteilt, als Kvarner-Inseln, Kornaten, Brijuni-Archipel, Dalmatinische Inseln, Šibenik-Archipel oder Elafiten vor Dubrovnik bekannt. Nur ca. 70 Inseln sind bewohnt. Die adriatische Inselwelt ist wegen ihrer natürlichen Schönheit, dem milden Klima und nicht zuletzt wegen ihres architektonischen Erbes ein beliebter Wohn- und Ferienort.

Einzigartige Lage im Adriatischen Meer
Aufgrund ihrer Größe und strategischer Überlegungen waren die kroatischen Inseln für die in historischer Abfolge wechselnden Schutzmächte – vom antiken Griechenland über Byzanz und die Seerepublik Venedig über Österreich im 19. bis zu Italien im frühen 20. Jahrhundert – von unterschiedlicher Bedeutung. Vor allem wegen ihrer günstigen Klimaverhältnisse und den damit verbundenen Möglichkeiten – Oliven-, Obst- und Weinbau, Fischfang sowie Schafzucht mit Wollproduktion und Bienenzucht – waren die Inseln für Siedler interessant. Die Spuren der Besiedlung und kulturelle Zeugen reichen bis ins Altertum zurück. Daneben spielten vor allem in der Zeit der Segelschiffe die besonderen fachlichen Erfahrungen und Kenntnisse im Schiffsbau sowie – heute noch existierende – nautische Schulen eine große Rolle. In vielen Hafenstädten geben repräsentative, majestätische Häuser zu Ansehen und Reichtum gekommener Kapitäne ein Zeugnis dieser vergangenen Epoche.

Österreich verbindet mit Kroatien eine über mehrere Jahrhunderte gemeinsame Geschichte in der Habsburgermonarchie. Während dieser Zeit befanden sich die Inseln im südlichsten Kronland, dem Königreich Dalmatien, nach dem Vertrag von Campo Formio 1797 mit kurzen Unterbrechungen bis 1918 unter Österreichs Schirmherrschaft. Nicht zuletzt aus dieser Zugehörigkeit entwickelten sich erste touristische Aktivitäten. Abseits der adelig-großbürgerlichen Entdeckung der Inseln als Wintersitz oder als gehobene Reisedestination zum Ende des 19. Jahrhunderts, sorgte auch die Gemeindeverwaltung der Hauptstadt Wien für einen frühen Austausch: Schon im Jahr 1906 entstand auf der Insel Rab ein Erholungsheim für Gemeindebedienstete, welches bis zur Auflösung der Monarchie existierte.

Aufblühender Tourismus – Ausgangspunkt für Veränderungen
Bereits im Jahr 1868 wurden zum Beispiel in Hvar die „Hygiene-Gesellschaft“ und 1886 der erste Tourismus-Verein in Mali Lošinj gegründet, auf den unter anderem große Pinienpflanzungen und ein damals berühmtes Seebad zurückgehen. 1887 wurde im gleichnamigen Hafen das erste Hotel „Vindobona“ eröffnet. Aufgrund der heilenden Wirkung des subtropischen Klimas erhielten die beiden Orte Mali Lošinj und Veli Lošinj von namhaften Ärzten aus der Hauptstadt der Monarchie im Jahr 1892 den offiziellen Status eines Kurortes.

Die Aristokratie der k.- k. Monarchie begann, begünstigt durch den Bau der Südbahn und als nationale Alternative zur französisch-italienischen Riviera, das Gebiet für sich zu entdecken. So geht beispielsweise die Villa Karolina in Mali Lošinj auf Kaiser Franz Josef als Bauherren (für Katharina Schratt) zurück, während der Sommersitz von Erzherzog Karl Stephan von Habsburg im Park von Veli Lošinj heute als Klinik für Allergiker dient.

Infrastrukturelle Entwicklung
Wesentliches Merkmal für Veränderungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert bleibt die Erschließung der Orte über den Seeweg. Straßen gab es nur in Form von Pfaden bzw. Fußwegen. Daraus lässt sich auch eine – im Vergleich zur heutigen Situation – vollkommen andere und unterschiedliche Entwicklung bzw. Bedeutung von Orten ableiten.

Erst die modernen technischen Hilfsmittel wie Bagger, Schubraupen und Lastwagen bzw. deren Verbringungsmöglichkeit auf die Inseln durch Modernisierung von Fähren und Häfen haben den Bau von zahlreichen Straßen für die Erschließung durch den Individualverkehr möglich gemacht. Auf die ökologische Verträglichkeit des Massentourismus sowie damit einhergehende Eingriffe in die Naturlandschaft wurde nicht immer Augenmerk gelegt. Positiv hervorgehoben in diesem Zusammenhang kann eine sichtbar sensibel an die Natur „angepasste“ Anlage wie das Hotel Helios in der Čikat-Bucht von Mali Lošinj werden.

Seit der Sommerfrische-Bewegung ab den 1960er Jahren, die einen Anstoß des Fremdenverkehrs darstellte, erfreuen sich viele der Inseln noch viel größerer Bekanntheit und touristischer Beliebtheit. In den Sommermonaten reisen viele Gäste aus ganz Europa an, bis ca. 12 Millionen Besucher jährlich.

Erscheinungen von Transition
Eine spezielle Situation ergab sich aus der Umwandlung des ehemals gesamtjugoslawischen Staatseigentums in vorerst einzelstaatliche – in diesem Fall kroatische – Gesellschaften, deren Besitz sukzessive privatisiert werden sollte bzw. tatsächlich wurde. Ein Beispiel der erfolglosen Privatisierung stellt eine Anlage, die als Sommer-Kinderheim genutzt wurde, an der Naturbucht nahe Jelsa auf der Insel Hvar dar. Nach dem Zerfall Jugoslawiens ging die Nutzung der Anlage verloren. Nach der Übertragung in das kroatische Staatseigentum und dem Versuch einer Privatisierung fand sich kein Kaufinteressent und der doch qualitätsvolle Bau erlag – möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der „Räumung“ eines hervorragenden Bauplatzes – dem Schicksal des Verfalls.

Ikonen der kroatischen Moderne

Einige der wesentlichsten Werke der klassischen Moderne Kroatiens befinden sich auf den Inseln: Dazu zählen u.a. das Grand-Hotel und die Villa Vesna auf Lopud, beide von Nikola Dobrović; das Kulturheim der Armee von Ivan Vitić in Komiža oder ein Schulgebäude von Neven Segvić, beide auf der Insel Vis.

In der ihm eigenen Architektursprache hat Jože Plečnik einen Pavillon, Sommersitz des Präsidenten Tito, auf der Insel Veli Brijun realisiert. Im weiteren Sinne – auch wenn es keine Architektur in herkömmlich-räumlicher Komposition ist – zählt auch das Memorial in Kampor auf der Insel Rab von Edvard Ravnikar zu diesen Spitzenwerken.

Als Frühwerk des für Kroatien bedeutenden Architekten Kazimir Ostrogović ist das Haus Kosch in Malinska auf Krk von Interesse. Der Architekt kam selbst aus dieser Gegend und versuchte an diesem Bau, gleichzeitig sein erstes Werk, die damals aktuellste Architekturtheorie von Le Corbusier abzuarbeiten.

Kontinuität in der Baukultur – gleichermaßen interessant wie qualitätsvoll – beweisen in jüngster Vergangenheit entstandene Bauten auf den Inseln. Dazu zählen u.a.: der Wohnbau Capsula in Cres von Ivana Ergić, Vanja Ilić und Vesna Milutin; die Schule Fran Krsto Frankopan Krk, Insel Krk von Saša Randić und Idis Turato; die Sporthalle mit Platzgestaltung von Idis Turato auf Krk oder auf der Insel Silba das Haus TV vom mittlerweile international bekannten, in Laibach arbeitenden Team Bevk-Perović.

Der Pavillon von Olafur Elisasson und David Adaye der Thyssen-Bornemisza Stiftung zeugt von kulturellem Engagement privater Mäzene. Ein einzigartiges, im internationalen Kontext hervorragendes, zudem begehbares Kunstwerk hat nach seiner Präsentation auf der Biennale in Venedig in dieser außergewöhnlichen Umgebung seinen definitiven Platz gefunden.

Fallbeispiel Krk – historisch und architektonisch einmalig
Die Insel Krk ist mit knapp 406 km2 die Größte. Baulich wie auch historisch-kulturell gesehen, haben im gleichnamigen Hauptort alle Phänomene architektonischen Schaffens ihre Spuren hinterlassen: Antike, Mittelalter, 18. und 19. Jahrhundert sowie die Moderne.

Die ab dem Jahr 9 n. Chr. auf den Inseln nachweisbaren Römer nannten diese wegen ihrer außergewöhnlichen Flora und Fauna insula aurea und sicherten den Hauptort Curicum (Krk) mit den stärksten Stadtmauern. Schon im 5. und 6. Jahrhundert kam das Christentum auf die Insel. Der Bischof Andrija nahm im Jahr 680 am Konzil in Rom teil. Stadtmauern, Häfen, Kirchen, Klöster und Plätze sind Zeugen dieser Zeit, zu denen auch eine eigene Schrift aus dem 10. Jahrhundert, die sogenannte Glagolica, zählt.

Krk wurde eines der bedeutendsten Zentren dieser frühslawischen Schriftkultur. Im Jahre 1118 eroberte die Seerepublik Venedig die Insel; bei relativer Autonomie unter den Frankopan-Fürsten blieb sie bis 1797 unter venezianischer Hoheit. Danach unterstand sie bis 1918 der Habsburgermonarchie, mit kurzen Unterbrechungen durch Napoleon; von 1918-1920 regierten die Italiener, nach dem Vertrag von Rapallo fiel Krk endgültig zu Kroatien, damals ein Teilstaat im Ersten Jugoslawien.

Während des Zweiten Weltkriegs gingen die Machtverhältnisse wieder mehrmals zwischen Italien, Deutschland und schließlich den kroatischen Partisanen als Befreier hin und her. Bis zu den Balkankriegen der 1990er Jahre gehörte Krk wie alle Inseln zum Tito-Jugoslawien. Nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens und der internationalen Anerkennung als souveräner Staat stellte die Aufnahme Kroatiens in die Europäische Union als Voll-Mitglied im Jahr 2013 den jüngsten geopolitischen Meilenstein dar. Die EU-Mitgliedschaft ist als Ausgangspunkt für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu sehen und wird – so ist zu hoffen – auch auf den kulturellen Reichtum Kroatiens weiter positiv wirken.

Katalog
Architektur im Ringturm XLI, Kroatische Inseln – Baukultur über Jahrhunderte, Hg. Luka Skansi, Adolph Stiller. Mit Beiträgen von Anamarija Žic, Renata Filčić, Mirela Gotal, Marko Smoljan, Adolph Stiller und Luka Skansi. 200 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen.
Preis: 28 Euro

Kuratoren:
Adolph Stiller, Luka Skansi, Marijan Bradanović

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