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Graz

Nicole Prutsch, Shift (N°7639), 2017

Beyond the measuring principle

Wenn Wissenschaft und Technik es ermöglichen, in unseren Körper gezielt einzugreifen, welchen Einfluss hat das auf unsere Identität? Was beeinflusst oder bestimmt die Vorstellung davon, wer wir sind? Welche Rolle spielen dabei Übersetzungsprozesse? Wenn man das Prinzip einer wissenschaftlichen Methode auf ein Reproduktionsmedium wie Fotografie oder Video überträgt, was passiert dann mit dem Bild?
Das Sammeln, Berechnen und Archivieren von Daten zur (Selbst-)Überwachung und (Selbst-)Erkenntnis kennt unzählige Beispiele in Geschichte und Gegenwart. Der Zusammenhang von Identität und technisch aufgeklärtem Bewusstsein wird auch im Mythos des Odysseus deutlich. In Dialektik der Aufklärung interpretieren Max Horkheimer und Theodor W. Adorno Odysseus als den Vertreter eines „aufgeklärten“ Bewusstseins, das sich von seinen eigenen Ursprüngen entfremdet hat, sich aber vom Gesang der Sirenen wieder daran erinnert fühlt. Nach Horkheimer und Adorno stellt der Gesang jedoch die Gefahr des Selbstverlustes dar – die menschliche Identität erscheint als ein künstliches Konstrukt, das durch den Gesang der Sirenen von Auflösung bedroht ist:
„Odysseus erkennt die archaische Übermacht des Liedes an, indem er, technisch aufgeklärt, sich fesseln lässt. Er neigt sich dem Liede und der Lust und vereitelt sie wie den Tod. Der gefesselte Hörende will zu den Sirenen wie irgendein anderer. Nur hat er eben die Veranstaltung getroffen, dass er als Verfallener ihnen nicht verfällt.“ (Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Dialektik der Auflärung, 1944)
 
Mit Beyond the measuring principle zeigt Nicole Prutsch Foto- und Videoarbeiten, die das Spannungsfeld von Identität und ihrer Konstruktionen untersuchen. Prutsch, die derzeit in Boston, MA, lebt, hat dort unter anderem mit Archivmaterial der Harvard University Archives gearbeitet.
 
Über das studio
Das studio der Neuen Galerie diente seit den 1990er-Jahren bis 2010 als Plattform für junge österreichische Künstler und Künstlerinnen, die nach Abschluss ihrer Ausbildung noch nicht voll im Kunstbetrieb etabliert waren bzw. am Anfang ihrer Karriere standen.
Seit 2017 wurde dieses wesentliche Instrument zur Förderung und Dokumentation junger Kunst im Joanneumsviertel wieder eingeführt.

Eröffnung: 14.06.2018, 18 Uhr
Ort: studio
Kuratiert von: Roman Grabner

Veranstaltungsort
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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