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Berlin

Gisela Dutschmann, 'Der Palast der Republik feiert Richtfest', 19. November 1974 (Ausschnitt). Foto: Gisela Dutschmann, Magistratsarchiv, Berlinische Galerie

Der Fall der Berliner Mauer vor dreißig Jahren bedeutete nicht nur eine geopolitische Zäsur in der Konfrontation zwischen Ost und West, sondern wirkte sich auch sehr konkret auf die Stadtentwicklung Berlins aus. Anstatt sich mit der vielschichtigen Qualität der Stadt, in der die kapitalistische und die realsozialistische Weltordnung räumlich unmittelbar aufeinanderprallten, auseinanderzusetzen, entschied sich die vorherrschende Politik seit 1989 für eine Glättung des Raums. Diese neue Raumpolitik fand auf drei Ebenen statt und schuf dabei drei Mythen: den Mythos der Geschichte, den Mythos des Marktes und den Mythos der Kreativität.

Auf der architektonischen Ebene wurde zunächst ein Neo-Historismus als angeblich spezifische Architektur für Berlin konstruiert. Er bediente in erster Linie den Wunsch des wiedervereinigten Deutschlands nach historischer Kontinuität und nationaler Identität. Damit wurde die Idee einer offenen Zukunft zugunsten einer fiktiven Vergangenheit aufgegeben.
  Die Rekonstruktionsdebatte der neunziger Jahre wirkte jedoch auch als ideologische Verschleierung der tatsächlichen Transformationsprozesse, die sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Natur waren. Schließlich hat die Marktwirtschaft den Sozialismus besiegt und diesen Sieg wollte die offizielle Raumpolitik auf der zweiten, der städtebaulichen Ebene nicht nur sichtbar machen (indem die Spuren der ostdeutschen Moderne ausradiert werden sollten sowie ganze Gebäudeensembles und den Stadtgrundriss rekonstruiert wurden), sondern auch ökonomisch irreversibel machen: Tiefgreifende Verwaltungsreformen machten den Weg frei für eine umfangreiche Privatisierung kommunaler Liegenschaften. Ein Schritt mit erheblichen Langzeitfolgen, die Berlin heute stark unter Druck setzen.
  Diese neoliberale Transformation der Stadt wurde von einer Sparpolitik begleitet, die, und dies ist die dritte Ebene der Untersuchung, rhetorisch in die Sprache des Creative-City-Diskurses gehüllt wurde. Mittels einer gezielten Inwertsetzung von (Sub)Kultur wurde das kreative Berlin als einen globalen Sehnsuchtsort etabliert.
 
Die Ausstellung 1989–2019: Politik des Raums im Neuen Berlin skizziert die urbanistische und architektonische Entwicklung vom vermeintlichen "Ende der Geschichte" her: Wie ist Berlin zu dem geworden, was es heute ist? Statt einer linearen Geschichtsschreibung spitzt die Ausstellung die widersprüchlichen Prozesse und Narrative zu, die sich bis heute im gebauten Berlin überlagern und verdichten. Das eine Berlin gibt es nicht, dafür viele Mythen und Vorstellungen darüber, was Berlin sein sollte. Die Ausstellung hinterfragt das Image des hippen, dauerkreativen und innovativen Berlin, um die der Stadtentwicklung zugrunde liegenden Kräfte aufzudecken. Sie bildet den Ausgangspunkt für ein diskursives Programm, das integraler Bestandteil des Projekts ist:
.. Was können wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?
.. Welche Lösungen sind angemessen? Die Vorschläge sind seit langem von zahlreichen Stadtinitiativen diskutiert und erprobt worden. Berlin verfügt über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen mit Bottom-up-Strategien.
.. Wie lassen sich diese in ein politisches Programm umsetzen?

Mit Beiträgen von
Guerilla Architects in Zusammenarbeit mit Philine Schneider und Shahrzad Rahmani, Verena Hartbaum, Andrej Holm, Charlotte Malterre-Barthes (mit Studierenden der Technischen Universität Berlin), Daniel Poller, Schroeter & Berger, Florine Schüschke

Ein Projekt des Neuen Berliner Kunstvereins in Kooperation mit ARCH+

Künstlerische Leitung
Marius Babias, Anh-Linh Ngo

Kuratorisches Team
Frederick Coulomb, Nora Dünser, Mirko Gatti, Dorothee Hahn, Christian Hiller, Max Kaldenhoff, Anh-Linh Ngo

Projektleitung
Max Kaldenhoff, Arkadij Koscheew
Projektkoordination
Krisztina Hunya, Christine Rüb

Ausstellungsarchitektur
ARCH+ in Zusammenarbeit mit Peter Grundmann

Eröffnung
Mittwoch, 11. September 2019, 18 Uhr

Ort
Neuer Berliner Kunstverein (n.b.k.)
Chausseestraße 128/129, 10115 Berlin
Dienstag – Sonntag 12–18 Uhr
Donnerstag 12–20 Uhr

Verknüpfte Termine
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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