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Yates Oilfield, West Texas - NASA Earth Observatory

Architektur und Energie

Energie und ihre Verfügbarkeit sind nicht erst seit den Krisen von 2022 ein Thema. Die Architekturgeschichte lässt sich erzählen anhand des Verhältnisses von Energieaufwand – für Material, Arbeit, Prozesse – und gebautem Ergebnis. In seinem Buch „Architecture: From Prehistory to Climate Emergency“ (2021) stellt Barnabas Calder die These auf, dass sich die gesamte Architekturgeschichte als kausale Beziehung des Bauens zu den jeweils verfügbaren Energiequellen definieren lässt: Lebensmittel, Arbeitskraft, Transportaufwand, Verfügbarkeit von Baustoffen und Brennstoffen. Kurz gesagt: Form follows fuel.

Er erzählt die Geschichte von Uruk über Ägypten und Rom und das Mittelalter bis zum großen Bruch, den die Nutzbarmachung fossiler Brennstoffe bedeutete. Diese enormen Energien, die nicht mehr aus nachwachsenden Rohstoffen bezogen wurden, machten den photosynthetic constraint – also die Abhängigkeit vom Nachwachsen der benötigten Stoffe – redundant. Neue Materialien und Techniken möglich und sorgten für Beschleunigung aller Prozesse. Die Architektur der Moderne von Le Corbusier bis zum Brutalismus wurde durch die Verfügbarkeit billiger Energie erst ermöglicht.

Diese Prozesse führten letztlich in die globale Überhitzung und ins Klimadesaster der Gegenwart. Die Ausbeutung von Energiequellen verändert seit Beginn der Menschheitsgeschichte den Raum und die Umwelt, um so radikaler und destruktiver im fossilen Zeitalter. Gigantische Erzminen, die sich tief in den australischen Boden bohren, machen die Stahlbauten von Zaha Hadid und co. in China erst möglich. Heute, da der Bausektor für rund 40% des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, muss dieses Verhältnis von Architektur und Energieaufwand dringend neu diskutiert werden. Ein Blick nach vorne zu einer Abkehr von der Verschwendung, die auch eine neue Architektur generieren muss, und ein kritischer Blick zurück auf die Geschichte der Moderne.

Dr. Barnabas Calder ist Architekturhistoriker und Senior Lecturer an der University of Liverpool.
Publikationen u.a. “Raw Concrete: The beauty of Brutalism” (2016)

Moderation: Maik Novotny / ÖGFA

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