-
Graz

Kunsthaus Graz, Ausstellung "Palette"

©: J.J. Kucek

Johanna Kandl, "O.T. (please wait to be seated"), 2018,
Courtesy der Künstlerin

©: Kunsthaus Graz

Woher kommen die Farben, Pigmente oder Bindemittel, die in einem Gemälde zum Einsatz kommen? In gewisser Weise stellt jedes Bild auch eine Landkarte dar: Gummi Arabicum als Bindemittel für Aquarellfarben etwa stammt meist aus dem Sudan, das wunderbare intensive Blau des Mittelalters bestand oft aus Lapislazuli, der in Afghanistan abgebaut wurde, während Ocker im 19. Jahrhundert für Frankreich einen wichtigen Exportartikel darstellte. In der kunsthistorischen Forschung wird nicht nur die Herkunft der Malmittel weitgehend ignoriert, sondern es werden auch die Produktionsbedingungen für die Gewinnung der Pigmente oder Bindemittel ausgeblendet. Die dominante Bedeutung der künstlerischen Autor*innenschaft identifiziert die Herkunft eines Kunstwerks allein über die Originalität von Künstler*innen. Die Arbeit derer, die in den Minen oder auf den Plantagen arbeiten, um die Farbherstellung zu ermöglichen und damit die Grundlage für die Malerei zu schaffen, bildet im kulturellen Feld einen blinden Fleck und bleibt unsichtbar.

Genau diesem blinden Fleck widmet sich Helmut & Johanna Kandls Ausstellung Palette und fokussiert auf die Orte der Farb- und Bindemittelproduktion. Dabei zeigt sich, welche Bedeutung diese Produktionen für die Ökonomien vor Ort haben, vor allem für Frauen, die etwa durch das Pflanzen von Akazien eine Möglichkeit wirtschaftlicher Unabhängigkeit sehen und damit zugleich einen ökologisch wertvollen Beitrag gegen die Ausbreitung der Wüsten liefern. So werden in der Ausstellung neben ökonomischen, sozialen und kulturellen Themen ökologische Aspekte in ungewöhnlicher Weise angesprochen. Pigmente, also die farbgebenden Substanzen, sind meist mineralisch, d. h. Produkte des Bergbaus. Zumal Helmut & Johanna Kandls Arbeitsweise oft auch ein „Ausufernlassen“ der Themen beinhaltet – ein Nachgehen von Randthemen, was den Blick zu öffnen vermag – zeigt das Künstlerpaar beispielsweise Zusammenhänge von Bergbau mit Mythologie, Zwergen oder mit der Musikrichtung Heavy Metal auf. Auch lokalen Bezügen wie der Rolle Erzherzog Johanns für Bergbau und Tracht wird Raum gegeben. „... Kandls Kunst ist nahe am Leben angesiedelt, sie ist spartenübergreifend und hat keine Berührungsängste mit dem Populären und Didaktischen“, wie Günther Oberhollenzer, Kurator der Landesgalerie Niederösterreich, in Material + Archiv schreibt, ein Katalog, der anlässlich der Ausstellungen Palette im Kunsthaus Graz und der zeitnahen Ausstellung Viva Archiva! in der Landesgalerie Niederösterreich in Krems erscheint. Augenscheinlich beruhen die Arbeiten des Künstlerpaares auf umfassender, gründlicher und solider Recherche, die Johanna und Helmut Kandl als werkimmanent beschreiben: „Das Wunderbare bei diesen Recherchen ist, dass wir so viele interessante, kompetente und hilfsbereite Menschen kennenlernen, egal ob es Wissenschaftler*innen in Wien, Graz, Dresden, Montpellier oder Jakarta sind, oder Minenarbeiter*innen und Fachleute im Iran, in Marokko, der Slowakei oder Eisenerz, oder auch Köhler*innen und Pecher in Niederösterreich, Jäger in Jakutien oder Künstlerkollegen*innen in Karthoum und Teheran.“

So zeigt die Ausstellung Palette künstlerische Arbeiten von Johanna und Helmut Kandl gemeinsam mit Kunstwerken, Mineralien, Pflanzen und volkskundlichen Objekten aus den Sammlungen des Universalmuseums Joanneum und verbindet künstlerische, kulturhistorische und naturwissenschaftliche Forschung.

Veranstaltungsort
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+