01/06/2022

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Architekt Wilhelm Scherübl Jr. veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen architektonische Utopien, die Zitate aus der aktuellen Medienlandschaft zum Ausgangspunkt haben.

01/06/2022
©: Vitalii Tomashchuk

Die Türe öffnet sich, sechzehn Tonnen schwer. Heute ist ein erster Besuch möglich. WIR begeben uns in das Museum der Ängste, welches definitiv nicht für Personen geeignet ist, deren Angst es ist, in engen Räumen eingesperrt zu sein. Diese waren wohl den Gegebenheiten außerhalb des Bunkers ausgeliefert, wie all jene, die es sich nicht leisten konnten einen solchen zu besitzen, was der Großteil der Gesellschaft war.

WIR alle wurden dem ausgeliefert, was die Apokalypse zu bieten hatte – Atomkrieg, Naturkatastrophen, Bürgerkrieg –, während die Anderen in ihren Pools schwammen und durch Fake-Fenster dem Weltuntergang zusahen. Der „Ausblick“ war das Wichtige. Wie hätten die Anderen sonst den Tagesrhythmus mitbekommen sollen, der so wichtig für ihre Psyche war? Oder war es doch nur Voyeurismus am Schicksal derer, die draußen waren?

WIR fragen uns, wie gesund diese Psyche wirklich war? Die Anderen überließen Millionen von Menschen dem Unglück, weil sie es sich leisten konnten sich zu verschanzen und zu schützen. Das ganze Geld, das für ihren Schutz und ihr Wohlbefinden verwendet wurde, hätte auch für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden können, um die Menschheit wenigstens vor von Menschenhand entstandenen Katastrophen zu bewahren oder gemeinsam Lösungen für ein Überleben zu finden. Ihnen war es genauso egal, wie denen, die Machtpositionen innehatten. Die Köpfe der unterschiedlichen Regierungen schürten zunehmend Hass. Auch sie fühlten sich sicher und hatten keine Angst, konnten sie sich ja in ihren Bunkern verschanzen oder die Erde verlassen.

WIR besuchen heute also den größten und luxuriösesten dieser damals entstandenen Doomsday Bunker. Hier verschanzte sich die damalige „Elite“, zumindest diejenigen, die noch nicht den Planeten verlassen hatten und in einer Space Kolonie lebten. Diejenigen, die sich bei den ersten Meldungen sofort in den Schutz begaben, weil sie glaubten, die Welt würde zusammenbrechen. Sie hatten sich eingeschlossen, um über ihre Screens den Untergang der restlichen Menschheit mitzuverfolgen. Die, die in ihren Löchern warteten bis diejenigen, die den Atomkrieg überlebten, entweder an den Folgen der Strahlung starben oder sich gegenseitig umbrachten. Während sie in ihren heimeligen vier Wänden an Cocktails schlürften und am artifiziellen Strand ihre Füße im Wasser baumeln ließen. Sie warteten ab und warteten ab und warteten ab…

Was die Anderen jedoch nicht wussten; außerhalb hatte sich die Situation gänzlich anders entwickelt, als diese von innen erlebt wurde. Es war ein geplanter Akt unterschiedlicher Gruppierungen, die sich zusammen taten und virtuell und in den Medien eine Situation kreierten. Das Ziel war es gewesen, diejenigen, die das Geld oder die Macht hatten von einem Tag auf den anderen verschwinden zu lassen.

Eine Art Cyberangriff, der zusammen mit Schauspieler:innen, Künstler:innen und Programmierer:innen erschaffen wurde. Die Bunker, sozialen Medien und öffentlichen Einrichtungen wurden gehackt und sozial programmiert. Alles wurde zu Fake News. Durch die großen Ängste, die die Anderen hatten, verschanzten sie sich in ihren Orten der Sicherheit. Es war reine Fiktion, die ihnen jahrzehntelang in ihre Bunker eingespeist wurde. So wie UNS von ihnen vorgegaukelt wurde, dass WIR auf sie angewiesen wären. Als das Elend des Geldes und der Machtspielereien endlich aus der Welt geschaffen war, konnte sich eine neue Gesellschaft mit anderen Werten bilden, in der nicht Gier, Hass und Neid regierten, sondern Gemeinschaft und Verständnis. Eine Gesellschaft, die im Einklang lebte. Während künstliche Intelligenz den Reichen in ihren Bunkern Bilder einer apokalyptischen Welt vorspielte und sie – durch ihre Ängste – nicht die Wahrheit sehen ließ.

WIR betreten nun diesen Raum, der Jahrhunderte verschlossen war und heute ein Zeugnis dieser Ängste und Überheblichkeiten ist. Alles wirkt wie präserviert und aus einer anderen Zeit. So stand die Zeit im inneren doch irgendwie still.

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