01/10/2019

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

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01/10/2019
©: Karin Tschavgova

„Jetzt ist schon wieder was passiert“ sagt Brenner und auch ich kann wieder nicht thematisieren, was ich mir vorgenommen hatte: Partizipation im Wohnungsbau und wie stark Teilhabe und demokratische Entscheidungen darin impliziert sein können – oder auch nicht.

Was passiert ist, lässt wieder einmal den Schluss zu, dass Graz auf eine Art entwickelt wird, die von zeitgemäßen Strukturen der Stadtgestaltung und -verwaltung Dezennien entfernt ist. Ganz so, als hätten die Zuständigen noch gar nicht realisiert, dass Stadtplanung und Stadtverwaltung im 21. Jahrhundert Herausforderungen und Problemfelder zu meistern haben, die man nicht im Alleingang im eigenen Hoheitsbereich lösen kann, verschanzt im stillen Kämmerlein. Stadtentwicklung und Stadtplanung sind so komplexe Themen geworden, dass eigentlich jedes Bauvorhaben mit der Befassung und fachlichen Prüfung durch eine strategische Gruppe begonnen werden müsste. In der säßen dann Vertreter aller davon betroffenen Ressorts, aller involvierten Abteilungen.

Ich erinnere mich, dass in einer Untersuchung über das Wie europäischer PPP-Modelle der Stadtentwicklung, die ich vor vielen Jahren begonnen hatte, jedes einzelne dieser Projekte, ob in Salzburg, München, Hamburg, Kopenhagen oder Basel, mit der Einrichtung einer solchen Gruppe begonnen hat. Dort, wo ich die Ansätze als vielversprechend oder das Ergebnis als gelungen empfunden habe, hatte man auch Soziologen und selbstverständlich auch Bürger und Bürgerinnen einbezogen. Die Einbeziehung der mit Fachbereichen der Stadtteilentwicklung befassten Behörden und möglichst aller Vertreter öffentlicher Belange stellt sicher, dass die Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines neuen Stadtteils bekannt sind und angemessene Berücksichtigung finden können. Dass zum Beispiel notwendige Folgeeinrichtungen wie Radwege (erinnern wir uns an das Versäumnis im Messequadranten?) und Schulen mitgeplant werden.

Nun, für große Stadtentwicklungsprojekte wie Reininghaus hat man, nach schleppendem Anfang, Maßnahmen eines solchen Aktionsplans zur Abstimmung und Vernetzung aller unterschiedlichen Akteure umgesetzt – ansatzweise.

Bei kleineren Bauvorhaben kann die Methode des kooperativen Verfahrens keinesfalls „State of the art“ der Grazer Stadtplanung sein. Wie sonst wäre es möglich, dass das vor mehr als einem Jahr fertiggestellte und bezogene Wohnhaus mit mindestens 10 Wohnungen am Beginn der Waltendorfer Hauptstraße bis heute keinen durchgehenden Gehsteig zu einem sicheren Fußgängerübergang hat? Kurz nach der großen Kreuzung ist die Straße dort eng, leicht gekurvt und unübersichtlich, doch der Gehsteig des langgestreckten Mehrgeschoßers endet unmittelbar vor und, in Richtung zum sicheren Zebrastreifen, nach dem Hausende. Warum? Weil man verabsäumt hat, mit einer Anrainergemeinschaft, deren Grundstück am Hang bis an den Rand der Straße reicht, eine Vereinbarung über die Ablöse zu treffen. Diesen Beitrag zur Errichtung notwendiger Infrastruktur hätte man dem Bauwerber in einem städtebaulichen Vertrag als Auflage zur Baugenehmigung erteilen können, oder die Chose selbst lösen, bevor man eine Nutzungsbewilligung erteilt, wie sie bei jedem Gewerbebau selbstverständlich erst nach einer abschließenden Prüfung gewährt wird. Zur Verdeutlichung: Schulkindern und Müttern mit Kinderwagen, uch Alten, die in der Waltendorfer Hauptstraße 6 wohnen, ist es bis heute nicht möglich, von ihrer Wohnung aus sicher ihren Weg anzutreten oder zur nächsten Bushaltestelle zu gelangen. Und das in Graz, das sich der sanften Mobilität verschrieben hat und an Eltern appelliert, ihre Kinder nicht bis zum Schultor zu chauffieren.

Dass die rechte Hand nicht erfährt, was die linke macht, scheint hierorts üblich zu sein. Wie wäre es sonst möglich, dass das Straßenamt im Zuge der Neuerrichtung einer Ladetätigkeitszone nahe des Schillerplatzes eine regensichere Überdachung für Fahrräder entfernt und dann niemand weiß, wo diese deponiert wurde. Und ärgerlich für alle, die ihr Rad auch nachts dort unterstellen konnten, dass nicht vorher gemeinsam von allen zuständigen Abteilungen eine Lösung vereinbart wurde, die sofort machbar gewesen wäre. Sie nämlich ein paar Meter weiter an den Rand des Parks zu versetzen, wo ein Stromtransformator und große Müllkübel ganz selbstverständlich ihren Platz erhalten haben.

Die letzte Groteske dieser Art – oder besser: Unart – ist die neue Fußgänger- und Radbrücke über die Mur anstelle des Puchstegs, der dem neuen Kraftwerk Puntigam weichen musste. Dort, wo angeblich ja alles einschließlich Landschaftsgestaltung so super durchdacht und geplant wurde, endet nun ein neues Brückenbauwerk – von dem sich nicht mehr sagen lässt, als dass es ein unambitioniertes, technisches Konstrukt bar jeder Eleganz und Anmut ist – drei, ja, 3 Meter über dem Uferterrain. Kein Anschluss unter dieser Lachnummer. Dass es überhaupt zu der Posse kommen konnte, liegt an der "Zersplitterung der Zuständigkeiten“ schreibt Gerald Winter-Pölsler in der Kleinen Zeitung.

Nun, das stimmt zwar, aber müsste nicht so sein, wenn man Schnittstellen zwischen Ämtern optimieren und endlich einsehen und umsetzen würde, was alle größeren Stadtentwicklungsprojekte von Hamburg bis Wien längst bewiesen haben: dass Stadtentwicklung, die nachhaltig gelingen soll, eine komplexe Aufgabe ist, die nicht anders als kooperativ, unter Einbeziehung aller Zuständigen und Betroffenen, gelöst werden kann. Legt Eure Ärmelschoner ab, verlässt auch mal Eure geschützten Werkstätten (zumindest im Nachdenken) und arbeitet zusammen, Leute, jenseits von schwarzer, blauer, roter oder anderer Ressortzuordnung. Es geht um die Sache, um eine gute Lösung für die Stadt und ihre BewohnerInnen, um nichts anderes.

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