03/12/2019

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

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03/12/2019
©: Karin Tschavgova

Sagt der Hausverstand

Will einer oder eine ein Haus bauen, so wird er/sie sich zuallererst durch Nachfrage versichern, ob man an dem gewünschten Ort, dem vorgesehenen Stück Land, überhaupt bauen darf. Möchte ich ein besonderes Rezept nachkochen, so schaue ich nach, ob ich alle Zutaten dafür im Haus habe oder sie besorgen kann. Mit fehlenden Basics fang ich gar nicht an, denn dann wird es nicht das, was es verspricht und ich wäre unzufrieden über das Ergebnis.
„Wasserdichte“ Machbarkeit kommt vor Planung und vor Ausführung – sagt der Hausverstand. So halten es auch langjährig erfolgreiche Wirtschaftstreibende, die wie jeder durch ein Streben nach Erfolg geleitet sind, aber in ihr Denken über Wirtschaftlichkeit und Effizienz selbstverständlich die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter und die ihrer Kunden einbauen – als Kriterium mit Langzeiteffekt.
Bei der Frage zum Bau der neuen Plabutsch-Seilbahn, die der Grazer Bürgermeister und sein Vize trotz begründeter Bedenken der anderen im Rathaus vereinten Parteien nun partout durchpeitschen wollen, wären die genannten Kunden die Grazer Bürger.
Der Vorschlag der vereinten Opposition war, eine Volksbefragung abzuhalten. Das war klug, denn wer das Ohr nahe an der Bevölkerung hatte, der konnte schon letztes Jahr hören, dass viele Grazer und Grazerinnen andere Prioritäten für die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur und Reduktion des Feinstaubproblems in Graz gesetzt sehen wollen. Skepsis von mehreren Seiten: von Aspekten des Naturschutzes bis zur Annahme geringer Auslastung und zur Höhe der laufenden Kosten. Schon die 500.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie, die, wie man kleinlaut zugeben musste, nicht mehr als eine Untersuchung von Teilaspekten zum Plabutsch-Projekt ist und die bis heute nicht als Gesamtes öffentlich gemacht wird, empfanden viele als Geldverschleuderung, die weitere selbst genehmigte halbe Million an Steuergeld ebenso.
Wenn die Stadtregierung nun nicht die Stopptaste drückt und die halbherzig zugesagte Befragung der Grazer Bürger vor weiteren Detailplanungen und Aktivitäten abhalten lässt, so muss sie sich den Vorwurf des fahrlässigen Handeln gefallen lassen – jegliches Fehlen unternehmerischen Denkens auch. Die Verantwortung der Stadtregierung gilt selbstredend auch für ihr Tochterunternehmen, die Holding Graz, die ebenso angehalten ist, das ausgegliederte Unternehmen wirtschaftlich zu führen. Ob es dann unternehmerisch klug ist, schon zum jetzigen Zeitpunkt die Prozesssteuerung zum Plabutschprojekt auszuschreiben und Verträge abzuschließen, bevor mit der Bürgerbefragung die Grundsatzentscheidung fällt? Ein Schelm, der jetzt sarkastisch meint, die Holding Graz ginge ja keinerlei finanzielles Risiko ein, wird sie doch angewiesen und „gefüttert“ vom Bürgermeister. Geld, das in den Sand gesetzt wird, ist Geld, das anderswo fehlt, so die einfache Regel.
Daher kann man allen Verantwortlichen nur raten, die Adventzeit als Zeit zur echten Besinnung zu sehen und in der richtigen Reihenfolge anzugehen, was noch offen und noch zu entscheiden ist. Demnach kommt zuerst die Frage an die Bürger und erst nach der Entscheidung im Für und Wider gegebenenfalls eine Weiterplanung, die umfassend – die Natur schonend, nachhaltig und transparent – erfolgen müsste. Risikofreudig zeigt man sich angesichts der notwendigen UVP dann immer noch.
Lernen, wie Prozesse um solch große und gleichermaßen kontrovers diskutierte Projekte zufriedenstellend und gut laufen, könnte man auch jetzt schon: alles sparsam, transparent und in der richtigen Reihenfolge. Die sollte im 21. Jahrhundert damit beginnen, selbstherrliche Entscheidungen als unzeitgemäß abzustellen und die Bürger einzubeziehen. Gebetsmühlenartig zu behaupten, dass man eh alles nur zum Wohle der Stadt und ihrer Bewohner und Bewohnerinnen macht, reicht nicht aus, um glaubwürdig zu sein. Lasst uns mitreden zur Zukunft von Graz und hört den Bürgerinitiativen und allen Engagierten zu. Die Wahl in Graz ist erst 2022. Die nächste Entscheidung aber stünde jetzt sofort an.

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