29/11/2010
29/11/2010

Jury

1. Preis: Johannes Pointl, (B)XL – Megalomanie und der politische Raum in der europäischen Hauptstadt Brüssel

2. Preis: Stefan Fink, Im endlosen Raum des Wissens

3. Preis: Nina Valerie Kolowratnik, Kafr’Inan – Bilder der Präsenz für eine Landschaft der Abwesenheit. Ein räumliches Wiederlesen der palästinensischen Flüchtlingsfrage

Die Preisträger des GAD Award 2010

Die Preisträger des GAD Award 2010

Sonderpreis: Englputzeder Michael, Kunsthaus Zürich – Versuch einer Standortbestimmung der Institution Museum anhand des Realisierungswettbewerbes zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich

Sonderpreis: Johannes Schlattau, Tabacalera.Sur

Tschom-Wohnbaupreis: Oliver Wildpaner, Solitaire

Ein Lagebericht über die Verleihung der GAD Awards 2010

Am Abend der Verleihung des GAD Awards 2010, Diplompreis der Fakultät für Architektur der TU Graz, wurde überdeutlich, dass junge Architekten wieder Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklung anstreben und dass die Antworten der Architektur auf überraschende Art und Weise politisch und diskursiv sein müssen, sollen diese Relevanz haben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Vehemenz, mit der für Zeichensäle gestritten und für politische, frei gewählte Diplomthemen eingestanden wurde, am Abend der diesjährigen GAD Award-Verleihung den Ton angab.

„Wir wissen nicht, ob wir gerecht prämiert haben“ wies der Juror Markus Peter gleich zu Beginn auf die Schwierigkeit hin, freie Diplomthemen in einer Jurysitzung miteinander zu vergleichen. Und doch waren es genau diese Arbeiten und anspruchsvoll theoretischen Themen, die das Rennen um die Awards gemacht haben. Die Juryempfehlung fiel entsprechend aus: Man solle den Absolventen weiterhin die einmalige Chance bieten, im Diplom gesellschaftsrelevante Themen aufzugreifen und aussagekräftige Statements abzuliefern. Bewusst wurden hier keine Gestalter prämiert, deren einziges Augenmerk auf die Form gerichtet ist, sondern der Wille Verantwortung zu übernehmen.

Die internationale Jury, bestehend aus Markus Peter (MeiliPeter Architekten, Schweiz), Hemma Fasch (fasch&fuchs, Österreich), Tina Gregoric (dekleva gregoric arhitekti, Slowenien) und Christoph Bürkle (Verlag Niggli, Schweiz) zeigte mit der Wahl der Preisträgerarbeiten, dass die kritische Auseinandersetzung notwendig bleibt, um heute herausragende Architektur zu gestalten. In den ausgewählten Arbeiten wird Architektur als Teil einer Diskussion verstanden. Johannes Pointl bezieht in seiner Abschlussarbeit differenziert zum Schlagwort „Europa“ Position, und Nina Kolowratnik sieht in der Perspektive der ArchitektenInnen die Chance einer nicht-ideologischen Diskussion im Konflikt der Palästinensischen Flüchtlingsthematik. Stefan Fink zeigt den wissenschaftlichen Blick auf einen Vertreter des Correalismus, des ganzheitlichen Entwerfens, während Michael Englputzeder für ein „Offenes Museum“ mitten in Zürich plädiert und Oliver Wildpaner den Gedanken der Nachbarschaft im Wohnungsbau zurechtrückt. Gleiches gilt für das heuer erstmalig verliehene Hollomey Reisestipendium, das Eva Maria Hierzer in ihrer frei gewählten Diplomarbeit über Hausbesetzungen in Spanien unterstützen wird.

Welche Aussage hat nun so ein Preis? Wie kann man also die prämierten Arbeiten verstehen? Im positiven Sinne als ausgezeichnet universitär, als wirklich dem ursprünglichen Universitätsgedanken folgende Arbeiten. Ein Gedanke für dessen Entwicklung und Bestand sich die Fakultät für Architektur der TU Graz verantwortlich zeigt. (cg)

Nach feierlicher Verleihung wurden die Gewinnerprojekte eine Woche lang im Foyer der Alten Technik ausgestellt. Eine Videoaufnahme zur Preisverleihung sowie der begleitenden Diskussion findet sich auf www.gad-award.tugraz.at bzw. http://curry.tugraz.at
Realisiert wurde der diesjährige GAD-Award durch das Institut für Raumgestaltung der TU Graz und der Unterstützung von Zumtobel, Heinemann, BIG, A-Null, Nemetschek, Bene, Heradesign, Alukönigstahl, Blazek, Brau-Union, Weinkellerei Rauschenberger, die scherbe und tribeka
Weiterführende Links: www.gad-award.tugraz.at

PRÄMIERTE PROJEKTE:

_ 1. Preis: Johannes Pointl
(B)XL – Megalomanie und der politische Raum in der europäischen Hauptstadt Brüssel

Als Hauptstadt der Europäischen Union ist Brüssel heute an dem Ziel angekommen, nach dem es seit über 150 Jahren strebte. Das kontemporäre Stadtbild ist durch eine Anhäufung von monumentalen Bauwerken geprägt, welche die größenwahnsinnige Geschichte einer Stadt und ihrer Suche nach Identität manifestieren. (B)XL erzählt von dieser Identitätsfindung seit der Entstehung der Stadt, enthüllt die dahinter steckenden Akteure und zeigt die konfliktreiche soziale Geographie als Resultat dieser Entwicklung. Parallel zu dieser empirischen Analyse beschäftigt sich die Arbeit in essayistischer Form mit der kritischen Handlungsweise des Planers im politischen Raum. In einem Bekenntnis zur Diskontinuität der Europäischen Stadt wird diesem großartigen Spektakel, welches Brüssel verkörpert, ein weiterer Baustein hinzugefügt, der nicht durch Anpassung, sondern durch Gegenüberstellung geprägt ist. Der politische Raum wird in (B)XL als Handlungsraum verstanden, der abseits von ikonographischen Gebäuden und überholten Ideen von Monumentalität, nicht der Repräsentation eines einzigen Gebäudes dient, sondern die städtischen Aktivitäten auf dem Niveau des Erdgeschoßes und damit das ganze Brüsseler Europaviertel in den Vordergrund rückt. Die Planung eines Rahmens für das Alltägliche stellt die wahre Vision der Stadtplanung dar.

_ 2. Preis: Stefan Fink
Im endlosen Raum des Wissens

Der österreichisch-amerikanische Architekt, Designer und Künstler Friedrich Kiesler leitete von 1937 bis 1942 das 'Laboratory for Design Correlation' an der Columbia University, an dem Architektur- und Designforschung auf Basis seiner Theorie des 'Correalismus' betrieben wurde. Kiesler erweist sich dadurch als Pionier der architektonischen Auseinandersetzung mit einer medialisierten und virtualisierten Informations- und Wissensgesellschaft. Insbesondere die 'Raumstadt', seine Stadtutopie aus dem Jahr 1925, erfährt eine Neubewertung als Schlüsselwerk einer 'correalistisch' verstandenen 'Wissensarchitektur'. Diese erschließt 'nichtmoderne' Alternativen zu einem von der Moderne geprägten Architekturbegriff, der sich im Zusammenhang mit zeitgenössischen Aspekten einer 'urbanisierten' Umwelt und den entsprechenden Formen des Wissens als unproduktiv erweist.

_ 3. Preis: Nina Valerie Kolowratnik
Kafr’Inan – Bilder der Präsenz für eine Landschaft der Abwesenheit
Ein räumliches Wiederlesen der palästinensischen Flüchtlingsfrage

Um die bislang ausgeklammerte Frage der Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge auf die politische Agenda zu bringen, muss die ideologisch festgefahrene Diskussion überwunden und auf eine greifbare Ebene gebracht werden. Eine Möglichkeit dies zu erreichen, bietet sich dem räumlichen Planer, indem er seine Umgebung mit dem Wiederlesen des Konflikts aus räumlicher Perspektive konfrontiert. Der Maßstab des Architekten dient hierbei nicht der detaillierten Planung sondern dazu, um Diskussionen zu provozieren und eine andere Zukunft vorstellbar zu machen. Rückkehr nach Israel bedeutet Rückkehr in eine räumlich veränderte Realität und in eine Landschaft der bewusst überschriebenen Vergangenheit. In diesem Kontext gibt die angewandte Methode des Mappings die Geographie des Ortes als komplexes Wirkungsfeld räumlich-politischer Kräfte zu erkennen. Die Erinnerung an den abwesenden Ort der Herkunft durchläuft den Filter der Gegenwart und liefert die Bilder für eine räumliche Strategie der Rückkehr.

_ Sonderpreis: Englputzeder Michael
Kunsthaus Zürich – Versuch einer Standortbestimmung der Institution Museum anhand des Realisierungswettbewerbes zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich

Um seine Bedeutung als führende nationale Kunstinstitution herauszustreichen und sich auch in einem internationalen Kunstgeschehen mit Nachdruck zu positionieren, hat die Institution Kunsthaus Zürich einen internationalen Architekturwettbewerb ausgeschrieben, der sich die bauliche Erweiterung des bestehenden Museums zum Ziel gesetzt hat. Das neue Ausstellungsgebäude der Institution Kunsthaus versteht sich als dialektische Architektur, die nicht Zeichen seiner selbst, sondern Antwort auf eine konkrete architektonische Problemstellung unter der Berücksichtigung von Forderungen seitens der Kunst und der Gesellschaft, aber auch seitens der Stadt, des Ortes, sein will.

_ Sonderpreis: Johannes Schlattau
Tabacalera.Sur

Die Diplomarbeit umfasst die städtebauliche Analyse des Viertels Tabacalera in Mexico D.F., sowie den Entwurf einer Mischbebauung mit 46.000m² BGF auf einem 7000qm großen Grundstück des Viertels. Auf einer zweigeschossigen Hochgarage findet sich eine Grünanlage umgeben von einem Gebäudekomplex mit unterschiedlichen Funktionen. Neben dem Wohnturm im hinteren Teil des Grundstücks und dem langen, schmalen Büroriegel straßenseitig, bespielen eine Schule, ein Restaurant und eine Galerie den, dem Platz zugewandten, historisch interessanten Bestand.

_ Tschom-Wohnbaupreis: Oliver Wildpaner
Solitaire

18 Solitaire besetzen das leicht abfallende Gelände der Liegenschaft. Sie versinken leicht im Boden. Außen massiv lösen sie sich im Inneren blockförmig auf. Von oben betrachtet scheinen sie die kleinteilige Struktur der umgebenden Einfamilienhaussiedlungen aufzunehmen. Jeder Solitaire stellt eine Nachbarschaft dar. Die Körper verteilen sich wie zufällig im gründurchzogenen Gelände. Wie Boote im Meer driften sie einmal enger aufeinander zu, ein anderes Mal treiben sie wieder weiter weg voneinander. Die frei anmutende Anordnung lässt kontrastreiche Zwischenräume entstehen: Plätze, Gassen, Engstellen, weite Parkflächen..

_ Hollomey Reisestipendium: Eva Maria Hierzer

Grund der angestrebten Reise zur Vorbereitung einer Diplomarbeit ist die Untersuchung von Hausbesetzungen in drei spanischen Städten. Die Jury würdigt den sozialpolitischen Ansatz und die Herangehensweise an die Thematik.

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