18/12/2019

Der Architekturpreis des Landes Steiermark 2019 ging an das Projekt Basilika & Geistliches Haus Mariazell von Feyferlik / Fritzer.

Als Kurator wurde von der Steiermärkischen Landesregierung der britische Architekturtheoretiker Phineas Harper bestellt.

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Bettina Landl zur Vergabe des Architekturpreises 2019 und Präsentation & Diskussion zum Architekturjahrbuch Gestures in Time am 4. Dezember 2019 im Haus der Architektur in Graz.

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18/12/2019

Buchcover: Gestaltung/Design: Astrid Seme, Studio | Fotografie: Max Creasy, Abbildung: Basilika & Geistliches Haus Mariazell, Feyferlik / Fritzer

©: HDA – Haus der Architektur

Beate Engelhorn (Geschäftsführerin Haus der Architektur) mit dem Architektur-Jahrbuch 2019

©: Thomas Raggam

Phineas Harper (Kurators des Architekturpreises des Landes Steiermark 2019, links) und Christopher Drexler (Landesrat für Kultur, rechts) mit den Preisträgern Susanne Fritzer und Wolfgang Feyferlik (Mitte) bei der Vergabe des Architekturpreises im HDA.

©: Thomas Raggam

Diskussion anlässlich der Buchpräsentation mit: v.l. – Max Creasy (Fotograf), César Reyes-Najéra und Ethel Baraona Pohl (Verlag dpr-barcelona), Phineas Harper und Markus Bogensberger (Geschäftsführer HDA 2013-2019 und Herausgeber des Architekturjahrbuchs Graz Steiermark 2019)

©: Thomas Raggam

„In unserer Welt der Pop-up-Benachrichtigungen in Echtzeit, der Informationen rund um die Uhr und des unbegrenzten Wirtschaftswachstums ist Schnelligkeit alles.“, lautet der Befund des diesjährigen Kurators des Architekturpreises des Landes Steiermark, Phineas Harper, der mit seiner Auswahl ein (entschleunigendes) Statement setzt. „Was aber, wenn Schnelligkeit nicht alles ist? Was, wenn die malerische Strecke schöner ist als die kürzeste? Ist Langsamkeit nicht manchmal stimulierender, als alles möglichst rasch hinter sich zu bringen?“ – so das Mindset des Londoner Architekturtheoretikers, das ihn zu seiner überraschenden und nicht unumstrittenen Auswahl bewog.

Im Haus der Architektur wurde der Preis verliehen, zwei Anerkennungen und drei Nominierungen und das Architekturjahrbuch Graz Steiermark 2019 präsentiert. „Frei von rein kommerziellen Dringlichkeiten zelebrieren die ausgezeichneten Projekte das Reparieren, die langjährigen Beziehungen zwischen den ArchitektInnen und ihren Bauherren, ein langsames, kollektives Bearbeiten räumlicher Konfigurationen und die Architektur zahlreicher kleiner Gesten im Laufe der Zeit.“, heißt es beschreibend in Gestures in Time – einem Buch „wie ein Cairn“, wenn es nach César Reyes-Nàjera von dpr-barcelona, einem unabhängigen Verlag für Architekturforschung, geht. „Cairns sind aufgeschlichtete Steinhaufen, die seit früher Zeit verschiedene Funktionen erfüllen: von praktischen Orientierungspunkten in der Landschaft bis hin zu Grabhügeln. Komplexe Cairns wurden und werden gemeinschaftlich errichtet und man braucht sehr lange, um sie zu bauen oder auszubessern, auch wenn man nur einen Stein hinzufügt.“ Wie ein Cairn, besteht das Buch aus kollektiv hinzugefügten, heterogenen Gesten.

Harper zählt seit einiger Zeit zu den am meisten rezipierten Stimmen im aktuellen internationalen Architekturdiskurs. Er ist überzeugt, dass es ein wertvoller Luxus ist „inmitten dieses Durcheinanders Raum zum Durchatmen zu schaffen. In der Architektur sind eine geduldige, ruhige Hand für sorgfältiges Handwerk und einfallsreiche Restaurierungen selten geworden.“ Mit seiner Auswahl, entgegen eines Strebens nach schnellen und gewinnbringenden Ergebnissen, fördert er eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie Architektur in Zeiten der Klimakrise sein soll und tritt für eine Architektur der „dépense“ ein – eine Architektur, die in Zeiten geplanter Obsoleszenz, immerwährenden Wachstums und Produktivität auf Aus- und Verbesserung von Bestehendem setzt. Er entschied sich dafür, das Architekturbüro Feyferlik / Fritzer mit dem Projekt Basilika & Geistliches Haus Mariazell für den Architekturpreis 2019 vorzuschlagen. „Ein Projekt, das Feyferlik / Fritzer seit Jahrzehnten begleitet, und das sie im Laufe dieser Zeit immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt hat. Vorbildhaft und mit viel Feingefühl haben sie mit ihren gestalterischen Maßnahmen ein einzigartiges Kulturerbe in seinen Funktionen und seinen Anforderungen gestärkt und damit zu einem Teil der Baugeschichte werden lassen.“, so Christopher Drexler, Kulturlandesrat Steiermark.

Ausgewählt wurden aus insgesamt 58 Einreichungen noch weitere fünf Projekte. Für die Ausrichtung des Preises und für die Erstellung des Architekturjahrbuchs zeichnet das Team des Haus der Architektur verantwortlich. Seit fast vierzig Jahren wird in regelmäßigen Abständen der Architekturpreis des Landes Steiermark als Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung qualitätsvoller zeitgenössischer Architektur in Graz und in der Steiermark vergeben.
Die Veranstaltung gestaltete sich zurückhaltend feierlich und informativ, so waren für die Begrüßung Beate Engelhorn (Geschäftsführerin Haus der Architektur), Christopher Drexler (Landesrat für Kultur, Gesundheit, Pflege und Personal) und Gerald Fuxjäger (Präsident der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark und Kärnten) im Einsatz, auf die nach Vergabe der Plaketten eine kompakte Gesprächsrunde mit Phineas Harper, Markus Bogensberger (Geschäftsführer Haus der Architektur 2013-2019 und Herausgeber Architekturjahrbuch Graz Steiermark 2019), Max Creasy (Fotograf) sowie César Reyes-Najéra und Ethel Baraona Pohl (Verlag dpr-barcelona) folgte. Auch für Fragen und Kommentare aus dem Publikum war ein wenig Zeit und diese ließen mitunter kritisch aufhorchen: „I appreciate very much your interest in degrowth, but I see sort of danger in this approach – in the examples that you chose this time. This could lead to a romantisation – that we could romanticise the kind of very conservative traditions. Conservative also in a political sense of the term and I am asking myself, if growth is kind of intrinsically related to capitalism, is there any way architecture could contribute to overcoming this trend beyond going back to traditional forms/typologies? And particularly in the Styrian (Austrian) context, where we do have kind of a danger of a revival of hard core right wing politics.“

Präzise und individuell wurden Momentaufnahmen für das Architekturjahrbuch festgehalten, die „herausragende landschaftliche Vielfalt und Schönheit der Steiermark“ dokumentiert und ein weiterer Beleg für eine „überdurchschnittliche Anzahl talentierter und engagierter Architekturschaffender“ geliefert. Bogensberger erinnert daran, dass „eines der Hauptprobleme der Steiermark die unverantwortliche, flächendeckende Zersiedelung ist“ und ist hinsichtlich Harpers Auswahl überzeugt: „Folgt man seinen Gedanken, ist es nicht verwunderlich, dass auch architektonische Arbeiten mit sakraler Nutzung ausgewählt wurden. Der Zugang der BauherrInnen ist in diesem Segment vollkommen frei von kurzfristigen und gewinnorientierten Überlegungen.“ Zudem wurde die Gelegenheit für einen Appell an die Politik genutzt, denn die physische gebaute Welt ist auch etwas, worin sich politisches Handeln manifestiert. Die kommenden fünf Jahre könnten dazu dienen, die Steiermark inter-national (noch) stärker zu positionieren. „In dieser Periode kann man einiges erreichen.“, lautet(e) der Tenor.

Neben Feyferlik / Fritzer gab es Anerkennungen für reitmayr architekten (Peterskirche Stift St. Lambrecht) und Markus Jeschaunig – Agency in Biosphere (Portalgestaltung Wolfgangikirche), Nominierungen für Nussmüller Architekten (Wohnbau Max-Mell-Allee), PENTAPLAN (Prinzessin Veranda) und miniform (PEGEL GRAZ), die ebenfalls im Architekturjahrbuch präsentiert werden. Die Projekte erstrecken sich „vom Murtal bis beinahe einen Kilometer über dem Meeresspiegel. Die Geschichten, die diese Projekte erzählen, zeugen von einem anderen Ansatz in der Architektur: vom Bemühen um soziale Fairness, dem Eintreten für Kultur und einem Geist, der sich über wirtschaftliche Ziele erhebt.“ Harper ist überzeugt, dass die sorgfältigen, über die Zeit hinweg vorgenommenen Interventionen in die reichhaltige steirische Architektur zeigen, was in einer Welt, in der die Schnelligkeit regiert, möglich ist, wenn wir langsamer werden.

Gestures in time.
Architekturjahrbuch Graz Steiermark 2019
Hrsg. von Phineas Harper, Markus Bogensberger, Haus der Architektur
Fotografien: Max Creasy
Buchgestaltung: Astrid Seme, Studio
20 x 27 cm, OTA-Bindung
224 Seiten
Deutsch, Englisch
EUR 35,00
dpr-barcelona 2019
ISBN 978-84-120390-2-3

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