29/11/2007
29/11/2007

Über Baukultur und politisches Gewissen diskutierten Danijela Gojic, Eduardo Ramos Cunha, Irmgard Frank, Wolfgang Zinggl und Thomas Wolkinger (von li.). Foto: js

„Kulturpolitik umfasst weitaus mehr als die Finanzierung von Kunst und Hochkultur – es geht um die Gestaltung unserer Lebens-Umwelt“, betonte der Grüne NRAbg. und Kultursprecher Wolfgang Zinggl in seiner Einleitung zum Diskussionsabend „Baukultur und Politisches Gewissen“, zu dem die Grazer Grünen – vertreten durch Kultursprecherin und „Gastgeberin“ GR Christina Jahn – am 26. November 2007 in das lokal (Mariahilferstraße 23) eingeladen hatten.

In dieser Ausgabe der „Kulturpolitischen Gespräche“ diskutierte Zinggl mit den ArchitektInnen Irmgard Frank (Universitätsprofessorin TU Graz), Danijela Gojic (Graz), Eduardo Ramos Cunha (Graz) sowie dem Journalisten Thomas Wolkinger (Falter Stmk.) über die Rolle der Politik für das Baugeschehen im Lande. Ebenfalls nicht wenige Vertreter der Architekturszene befanden sich unter den Gästen. Aktueller Anlass war der Baukulturreport 2006 (BKR), ein über 500 Seiten umfassendes Werk der Plattform Architekturpolitik, das nach längerer Verzögerung vor kurzem präsentiert und im Nationalrat diskutiert wurde – zumindest vor dessen Kultur-Ausschuss. Als Erfolg der Initiative verbuchte Zinggl, dass immerhin eine Fortsetzung des BKR und die Installierung eines ressortübergreifenden Beirats beschlossen worden sei (GAT berichtete).

Die Rolle der politischen Instanzen wurde im Laufe der Diskussion zwiespältig beurteilt: Einerseits sei es positiv, dass bei allen öffentlichen Objekten Wettbewerbe verpflichtend durchgeführt würden, betonte Gojic, während Frank kritisierte, dass an wirtschaftlich nicht lukrativen, aber dennoch gesellschaftspolitisch relevanten Objekten (etwa Schwimmbädern) die kommunale Politik wenig Interesse zeige. Auch seien die Bauordnung und der städtische Bebauungsplan außerordentlich flexibel, wenn es um arbeitsplatzträchtige Projekte gehe, schloss sich das Publikum an. Hier hakte Wolkinger ein, der den ArchitektInnen vorhielt, dass sie ebenfalls zu sehr auf subjektive Kriterien und nicht einen objektivierten Qualitätsbegriff setzten: „Die Architektur muss ihre Themen gesellschaftlich herüberbringen.“

Der offizielle Rückzug der Politik durch Auslagerung ihrer Immobilienaktivitäten (Beispiel GBG) habe dazu geführt, dass Planungsprozesse nicht mehr durchschaubar seien, bemerkte Frank, wie überhaupt die Politik wenig Interesse am aktuellen Diskurs der Architektur zeige, wie Gojic für das HDA Haus der Architektur ergänzte. Der BKR sei zudem inhaltlich von einer „neoliberalen Weltsicht“ gefärbt, erfolgte Kritik aus dem Publikum, der Bericht referiere auf „ein unterschwellig-diffuses Wir-Gefühl“, aber nicht auf „Instrumente für mehr Mitbestimmung“.

Die BürgerInnenmitsprache bestimmte den weiteren Verlauf der Diskussion: Ramos Cunha forderte mehr gemeinsames Handeln im Dreieck Politik, ArchitektInnen und BürgerInnen, um dem allzu kurzfristigen Denken der Politiker wirksam gegenzusteuern. Dem wurde hinzugefügt, dass die Politik im Wohnbau auf lange überkommene Konzepte setze, die an den heutigen Bedürfnissen der Menschen schlicht vorbeigehen: Mehr Wohnbauforschung und neue Wege in der Ausbildungspraxis seien dringende Desiderata, um den Herausforderungen zu begegnen, war sich die Runde nach gut eineinhalb Stunden, die manche Fragen offen ließen, jedenfalls einig.

Verfasser/in:
Josef Schiffer, Bericht
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16. + 17.11.2023
 
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