15/12/2010

Das Grazer Modell - Evaluierung und Ausblick
2006 installiert, 2009 evaluiert.

Das Grazer Modell wurde nicht durchgängig umgesetzt. Eine der Empfehlungen aus der Evaluierung ist die Fokussierung und Adjustierung jener Instrumente, die sich bis jetzt am besten bewährt haben: Projekttisch und Wettbewerbe.

Zusätzlich wird in der Evaluierung die Erweiterung des Grazer Modells um eine „beratende und qualitätssichernde, externe Instanz“, um einen Fachbeirat, zur Sicherung der Baukultur empfohlen.

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15/12/2010
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Nach einem Gemeinderatsbeschluss im Oktober 2006 wurde das Grazer Modell, ein Vier-Punkte-Konzept des Stadtplanungsressorts zur nachhaltigen Stadtentwicklung und Sicherung qualitätsvoller Baukultur in Graz, 2007 installiert. Ziele des Grazer Modells waren die Sicherung der Baukultur im Hinblick auf eine langfristige und strategisch angelegte, im Stadtbild erkennbare Bauqualität, die konsensorientierte Sicherung der Verfahrensqualität durch Transparenz und optimierte Durchlaufzeit sowie die Erhöhung der Attraktivität der Stadt als Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensstandort. Inwieweit diese Ziele erreicht wurden, zeigt eine bisher nicht veröffentliche Evaluierung, die seit 2009 vorliegt.

Die vier aufeinander abgestimmten Instrumente des Grazer Modells – Stärkung des Wettbewerbswesens, Projekttisch zur behördlichen und gestalterischen Vorbegutachtung von Bauvorhaben, Bebauungsleitlinien und interdisziplinäres Stadtforum – wurden von Dezember 2008 bis Februar 2009 von der Infora Consulting Group evaluiert. Die Befragung wurde im Auftrag und in Abstimmung mit der Stadtbaudirektion mittels Interviews, schriftlichen Erhebungen und durch die beobachtende Teilnahme am Stadtforum, im Hinblick auf die Zielsetzung des Grazer Modells, durchgeführt. Das Ergebnis zeigt, dass „die Grundidee des Grazer Modells nach Ansicht aller Interessensgruppen attraktiv ist. Die Berücksichtigung privater und öffentlicher Interessen in einem abgestimmten Planungsprozess gelang, jedoch mit Einschränkung. (…) Die Chancen wurden nicht voll ausgeschöpft.“

Somit ist die Sicherung qualitätsvoller Baukultur nur bedingt gelungen. Vor allem die Möglichkeit der Inanspruchnahme der dafür vorgesehenen Instrumente, wie etwa der Projekttisch und die Architekturwettbewerbe, wurde nicht ausreichend genutzt. Als Gründe werden in der Evaluierung die geringe Bekanntheit, mangelnde Darstellung der Win-Win-Situation (effizientes vereinfachtes Verfahren, Umsetzungsfähigkeit, Verfahrens-beschleunigung, verbindliche Auskünfte etc.), die Autonomiebestrebungen der Bauträger und unterschiedliche Erwartungshaltungen angegeben. Zudem ist es nicht gelungen, Projekte nach dem Projekttisch dem Wettbewerbswesen zuzuführen, da ein Planerwechsel vom Auftraggeber meist nicht erwünscht ist.
Allerdings herrscht hohe Zufriedenheit unter jenen Bauwerbern, die den Weg des Wettbewerbes gegangen sind. Die Tendenz zu mehr Wettbewerben ist seit der Einführung des Grazer Modells jedenfalls steigend. So wurden heuer bereits fünf Wettbewerbe mit Projekten ab 3.000 m2 Bruttogeschossfläche (BGF) bzw. städtebaulicher Relevanz durchgeführt. Dem stehen aber im jährlichen Durchschnitt ca. 45 bewilligte Projekte über 3.000 m2 ohne Wettbewerb gegenüber.
Die verfolgte Intention der nach außen wirksamen flächendeckenden Bebauungsleitlinien als Orientierung für Investoren nach Verbindlichkeit, Planungs- und Rechtssicherheit konnte aufgrund des hohen Aufwands und der Kosten bei der Erstellung nicht erreicht werden. Die Bebauungsleitlinien geben laut Baudirektor Bertram Werle ein zu hohes Ziel vor: „Es war und ist unmöglich, die Leitlinien für das gesamte Stadtgebiet zu erstellen. Es ist besser, diese nur nach innen wirksam, amtsintern, zu erstellen. Die Bebauungsleitlinien sind im neuen Stadtentwicklungskonzept, das derzeit erarbeitet wird, nicht mehr enthalten.“

Mit dem Stadtforum, das neben der konstituierenden Sitzung (Mai 2007) lediglich dreimal zu den Themen „Identitäten“ (2007), „Zentrum“ (2007) und „Reininghaus-Areal“ (2008) tagte, gelang es nicht, eine strategische Zukunftsperspektive zur inneren und äußeren Orientierung zu schaffen. Kritisiert wird in der Evaluierung, dass „Funktion, Aufgabe/Auftrag, Arbeitsmodus sowie die Relevanz möglicher Ergebnisse unklar“ blieben und die formulierte Zielsetzung, „konkrete Ergebnisse als Input für eine weitere Konkretisierung im Grazer Modell oder auch für die öffentliche Diskussion“, nicht erreicht wurde. „Der Nutzen des Stadtforums war schwer transportierbar, die Breitenwirkung wurde nicht erzielt“, erläutert Werle. Als Gründe für das Scheitern wurden die fehlende Moderation seitens der politischen Verantwortlichen, die Besetzung und die generelle Funktion des Stadtforums genannt. Die Fortführung des Stadtforums wird daher in der Evaluierung als nicht zielführend bewertet, obwohl in dem Papier gleichzeitig die Konkretisierung und Übersetzung eines Bildes zur Zukunft der Stadtentwicklung von Graz empfohlen wird. Ob und wie künftig derartige visionäre Inputs erarbeitet und verankert werden können, bleibt offen.

Die Conclusio der Evaluierung ist, dass das Grazer Modell im Gesamtgefüge nicht durchgängig umgesetzt werden konnte, die Instrumente nicht ineinander greifen und damit nicht ihre intendierte Wirkung entfalten. Dementsprechend ist eine der Empfehlungen aus der Evaluierung die Fokussierung und Adjustierung jener Instrumente, die sich bis jetzt am besten bewährt haben: Projekttisch und Wettbewerbe. Die Projektbetreuung im „Graubereich“ der Planung – zwischen Vorentwurfsphase (Erstgespräche mit Baubehörde, Wettbewerb, Projekttisch) und Einreichung bei der Baubehörde – soll durch mehr Serviceorientierung (z. B. zusätzliche Betreuung, Hotline/Beschwerdestelle, Monitoring, Klärung der Erwartungshaltungen etc.) verbessert werden. Durch mehr zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit wie Werbung, Information, Veranstaltungen, Planungsdialoge oder Publikationen soll das Grazer Modell wirkungsvoller nach außen getragen werden. Zusätzlich wird in der Evaluierung die Erweiterung des Grazer Modells um eine „beratende und qualitätssichernde, externe Instanz“, um einen Fachbeirat, zur Sicherung der Baukultur empfohlen. In Folge wäre damit einerseits eine Stärkung des Wettbewerbswesens zu erwarten, andererseits könnte bei Projekten ohne Wettbewerb eine entsprechende Beratung und Qualitätssicherung erfolgen.

An der Weiterentwicklung des Grazer Modells auf Basis der Evaluierung wird derzeit intern in der Stadtbaudirektion gefeilt. Der Projekttisch wird voraussichtlich stärker in Richtung eines kundenfreundlichen Bau- und Planungsservices entwickelt, Der empfohlene Fachbeirat wurde in der Gemeinderatssitzung vom 13.12.2010 beschlossen.
Für die Bebauungsleitlinien und das Stadtforum bedeutet das Ergebnis der Evaluierung das vorläufige Ende. Das Stadtforum wurde bereits Anfang März 2009 mit dem Ausscheiden von Planungsstadträtin Eva Maria Fluch aus der Stadtregierung und dem Wechsel des Ressorts zu Bürgermeister Siegfried Nagl ohne gesonderte Mitteilung an die teilnehmenden Mitglieder auf Eis gelegt.

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