09/12/2009
09/12/2009

Gestaltung "Sonnenfelsplatz - Lebenswerter Stadtraum für alle" in Graz. Blick von der Uni-Mensa. Copyright: Koop. Sonnenfelsplatz

Die offene Planungswerkstatt fand am 24., 26. und 28. November im Cafè per te in der Leechgasse 30 statt.

offene Planungswerkstatt für „Shared Space“ am Sonnenfelsplatz in Graz

Sonnenfelsplatz. Fotos: Michael Sammer

… wurde sprichwörtlich bei der ersten Charrette in Graz – Shared Space am Sonnenfelsplatz. Nach der Umsetzungspleite des Bürgerbeteiligungsprozesses „Zeit für Graz“ 2006 gibt es nun neue Hoffnung auf Weiterführung der Partizipationsbewegung in Graz.

Zuletzt scheiterte ja das 600.000 Euro schwere Projekt „Zeit für Graz“ (ZFG) an der finanziellen Umsetzung, die von der Stadt Graz nicht budgetiert war. Daraufhin formierte sich im November 2007 die Gruppe „Mehr Zeit für Graz“ (MZFG), die sich für die Umsetzung der Projekte von ZFG, darunter auch „Shared Space“, einsetzte. Bei dem Bürgerbeteiligungsprozess am Sonnenfelsplatz war MZFG, entgegen der kolportierten Pressemeldung, Mitinitiator zu sein, vom Projektteam nur zu einem Gespräch eingeladen.

Parallel hierzu initiierte Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder bereits 2007 ein interdisziplinäres Forschungs- und Lehrprojekt an der Karl-Franzens-Universität, das sich mit „Shared Space“ unter Bürgerbeteiligung auseinandersetzte. 2008 wurden schließlich, erstmalig in Österreich drei Pilotgemeinden als Forschungsprojekte definiert: Feldkirchen bei Graz, Voitsberg und Gleinstätten. Daneben wurde auch ein geeigneter Standort für Graz gesucht und im überwiegend durch Fußgänger stark frequentierten Sonnenfelsplatz gefunden. Letzterer wird allerdings nicht vom Forschungsprojekt der Universität begleitet.

Die Wahl fiel wohl deshalb auf den sanierungsbedürftigen Platz bei der Uni-Mensa, weil dieser bereits von sich aus eine Form von „Shared Space“ lebt – einem gemeinsam genutzten Raum, der gleichberechtigt allen Nutzern bzw. Verkehrsteilnehmern zur Verfügung steht. Erreicht wird dieser „gleichberechtigte Bewegungsraum“, laut Verkehrsplaner Helmut Koch, „unter Aufhebung aller straßenpolizeilichen Verordnungen, mit einer ebenen Gestaltung der Oberfläche und unter besonderen Berücksichtigung der „leisen“ Mitbürger, mit integriert gestaltetem Mobiliar und Verbesserungen des Komforts der GVB.“

Durch das Konzept „Shared Space“ sollen das soziale Verhalten, die Koexistenz und das Miteinander allein durch das Prinzip des gegenseitigen Blickkontaktes verbessert werden. Ausgangspunkt dieser Planung ist, „dass nicht das Auto das Wichtigste ist, sondern die Menschen. Das ist eine wichtige Vorstellung im Gegensatz zu den 70er Jahren. Eine Trendumkehr zur Qualitätssteigerung der Aufenthaltsbereiche (…) die Renaissance der Innenstadt, ein Zurück zur Stadt. (…) Diesen Trend gibt es mittlerweile in ganz Mitteleuropa“, erklärte der Architekt Andreas Kleboth, der bereits für die Asset One/Reinighausgründe gearbeitet hatte.

Das Konzept „Shared Space“, das Verkehrsregeln durch soziale Regeln ersetzt, wurde in den 80er Jahren in den Niederlanden von Hans Mondermann und dem Keuning-Instituut (Groningen) entwickelt. In den letzten Jahren wurden sehr viele Projekte erfolgreich in den Niederlanden (seit 1985), England (seit 2003) und Deutschland (seit 2008), teilweise im Rahmen des EU- Infrastrukturförderprogramms INTERREG, umgesetzt.
In der Schweiz entwickelte man nach niederländischem Vorbild 2002 ein eigenes Modell, die „Begegnungszonen“. Im Gegensatz zu „Shared Space“ wurde eine rechtliche Basis durch eine eigene Verordnung mit neuer Verkehrstafel geschaffen. In diesen Zonen hat der Fußgänger, ähnlich wie in Wohnstraßen, gegenüber dem motorisierten Verkehr Vorrang und die gesamte Verkehrsfläche steht ihm zur Verfügung. Dieses Rechtssystem übernahmen 2005 Belgien und 2008 Frankreich.

Der rechtsfreie Raum, der durch Shared Space entsteht, ist einer der Hauptkritikpunkte – auch am Sonnenfelsplatz, der optisch ein Kreisverkehr bleibt, aber rechtlich keiner sein wird. Die behauptete gesteigerte Verkehrssicherheit konnte bisher nicht eindeutig belegt werden. Unumstritten sind auf jeden Fall die niedrigere Fahrgeschwindigkeit (unter 30 km/h) und die damit verbundene Lärmreduktion sowie die Aufwertung der Lebensqualität.

Die Akzeptanz der Umsetzung des „Shared Space“ am Sonnenfelsplatz soll durch ein konzentriertes einwöchiges Bürgerbeteiligungsverfahren, die Charrette (franz. Karren), erfolgen. Dieses Verfahren ist eine Form der offenen Planung durch ein interdisziplinäres Team unter Bürgerbeteiligung, bei dem in kurzer Zeit innovative Strategien und konkrete Lösungen der Stadt- bzw. Raumplanung entwickelt werden. Der Ablauf gliedert sich in drei Schritte: Problemanalyse und Planungsansatz im interdisziplinären Dialog, öffentliche Planungswerkstatt und umsetzungsorientierte Aufbereitung. Die offene Planungswerkstatt fand am 24., 26. und 28. November im Cafè per te in der Leechgasse 30 statt.

Nach zwei Tagen konkreter Planung wurde der Entwurf präsentiert: Der Platz bekommt ein einziges neues, barrierefreies Niveau ohne Kanten, das zu den Häusern hin angehoben wird. Der Asphalt erhält, quer laufend zur Straße, Farbstreifen zur Herausstreichung der Übergangsbereiche von den Straßen in den Platz. Zusätzlich wird ein taktiles Leitsystem installiert. Als Abgrenzung des Fußgängerbereichs vom PKW-Verkehr werden Betonsitzmöbel mit integrierten Beleuchtungskörpern auf den Farbstreifen aufgestellt. Dazwischen werden neue Fahrradabstellplätze geschaffen und zwei neue Bäume gepflanzt – sie spannen vor der Mensa und vis à vis neue Räume auf. Die Mitte erhält eine flache, durch Busse überfahrbare, Wasserfläche mit Fontänen. Die Bushaltestellen werden in den Straßenraum hinein und weg von den Fassaden verlegt und überdacht.

Trotz der geringen Bürgerbeteiligung (zw. 25-35 Personen je Abend) war die Stimmung der Anwesenden bei Projektabschluss voll Optimismus und Hoffung auf positive Veränderungen: „Alle meine Bedenken sind ausgeräumt. Ich bin hochzufrieden mit dem Ergebnis. Es wurde auf Wünsche und Bedenken eingegangen. Ich hoffe, dass die Haltestelle wegrutscht vom Gebäude Leechgasse 6“, meinte eine Anrainerin zum Abschied.

PROJEKTKOSTEN
Der Sonnenfelsplatz ist in der langfristigen Budgetplanung der Stadt Graz für 2010 berücksichtigt. Die vorangestellten Analysen (Verkehrserhebung etc.), die Charrette und die Entwurfsplanung schlugen mit 48.000 € netto zu Buche. Die Kosten für die Ausführungsplanung und Umsetzung konnten noch nicht genannt werden.

PROJEKTUMSETZUNG
Jänner/Februar 2010 Gemeinderatsbeschluss, bis Ende 2010 Projektumsetzung.

PROJEKTTEAM
Projektkoordinator Thomas Fischer und Heike Falk, Stadtbaudirektion, Graz
Soziologe Michael Sammer, Abt. für Motiv- und Gesellschaftsfragen, Graz
Architekten Andreas Kleboth und Klaus Lindinger, Kleboth.Lindinger ZT-GmbH, Linz
Katharina Karoshi und Sabine Hainberger, Mitarbeiterinnen Kleboth.Lindinger ZT-GmbH, Linz
Architekt Gerhard Dollnig, Innsbruck
Verkehrsplaner Helmut Koch, Komobile, Gmunden
Petra Stadler, Mitarbeiterin Komobile, Gmunden

Verfasser/in:
Petra Kickenweitz, Bericht
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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