18/07/2022

Die fortwährende Bodenversiegelung in Graz

Die fortwährende Bodenversiegelung stellt eine große Bedrohung für unsere Böden und den Wasserhaushalt dar. Die Planungsabteilungen der Stadt Graz nehmen dieses Thema nicht ernst genug.

18/07/2022

Aushub, 2-geschossig

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Aushub, 2-geschossig

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Aushub, 2-geschossiger Keller

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Google-Luftbild: Aushub Frühjahr 2022 (Screenshot, Juni 2022)

Aushub, 2-geschossig, Tiefgarage und Keller

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Oberes TG-Geschoss reicht bis an Grundgrenze

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Versiegelung und Sickerschacht

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Erstes Kellergeschoss reicht bis an Grundgrenze

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Baustelle im Juni 2022

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Baustelle im Juni 2022

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Das Grundstück Idlhofgasse 70 ist bebauungsplanpflichtig. Der Bebauungsplan wurde nicht vorausschauend, sondern im Anlassfall erstellt. Grundlage war ein von der Firma Pongratz vorgelegtes Projekt (Verfasser Architekt Zieseritsch). Das Stadtplanungsamt gewährte (unbegründet) die Höchstdichte von 2,5, obwohl in Gries ein eklatanter Grünflächenmangel herrscht. Auch keine kleine stadtklima-verbessernde Baumreihe in der Idlhofgasse wurde vorgesehen. Im Bebauungsplan wurde sogar verabsäumt die direkt angrenzende Pappelallee durch nicht zu unterbauende Baugrenzlinien zu schützen. Somit wurde die Pappelallee auf Fremdgrund (Eigentümer GBG, hundertprozentige Tochter der Stadt Graz) zu Baustellenbeginn mit Zustimmung der Stadt gerodet. Sie war der Tiefgarage im Wege. Der Bebauungsgrad wurde mit 50 % und der Versiegelungsgrad mit 40 % festgelegt.

Die Stadt Graz behandelt im STEK 4.02 das Thema Versiegelung durchaus ambitioniert und legt spezielle Werte fest. Interessant ist, dass eine Tiefgarage oder eine andere Unterbauung eine Versiegelung darstellt. Eine Überschüttung kann diesen Eingriff nur abmildern.

Ad §26 Abs. 21) Intensive Begrünung von Tiefgaragen
(…) Als Kompensation für die Unterbauung und den damit verbundenen Verlust an gewachsenem Boden bzw. zur Abminderung der Auswirkungen durch den Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt ist ein ausreichendes Maß an Überschüttung unbedingt erforderlich. Die negativen Auswirkungen der Unterbauung im Bereich des Kleinklimas können bei ausreichender Überschüttung und Begrünung zudem hintangehalten werden.

TEIL B 32
Um negative ökologische und kleinklimatologische Auswirkungen von Unterbauungen und Tiefgaragen zu minimieren, wurden Festlegungen zur intensiven Begrünung bzw. Überschüttung mit einer ökologisch wirksamen Vegetationstragschicht getroffen. (…) Die Vegetationstragschicht wird generell mit mind. 0,70 m festgelegt. Es wird empfohlen, in besonders dicht bebauten Gebieten, beispielsweise mit hohem Bebauungsgrad, geringen unverbauten Restflächen und/oder ohne Möglichkeit zur Festlegung von Baumstandorten abseits der Unterbauung die Vegetationstragschicht auf mind. 1,00 m zu erhöhen.

Beim konkreten Bauvorhaben handelt es sich um ein dicht verbautes Gebiet, hier wurde die Überdeckung aber mit nur 0,70 m festgelegt. Die Fotos zeigen, dass mindestens 90 % der Grundstücksfläche unterbaut bzw. bebaut und damit versiegelt sind. Mit der Überschüttung der Tiefgarage mit nur 0,7 m wird der max. Versiegelungsgrad von 40 % nicht eingehalten werden können. Aber wer rechnet dies nach bzw. überprüft das Ganze vor Ort? Die Bau- und Anlagenbehörde überprüft die Versiegelungswerte nicht wirklich vor Ort, sie prüft nur die Berechnungen. Und Papier ist bekanntlich ja geduldig.

Ad §26 Abs. 22) Erhalt des Grundwasserhaushaltes
Ein Boden ist versiegelt, wenn er ganz oder zum Teil von Wasser undurchdringlichem Material abgedeckt wird, dies erfolgt in der Regel entweder durch Über- oder Unterbauung oder in Folge anderer versiegelnder Ursachen. (Oberflächenbefestigungen, Straßen etc.). Die Bodenversiegelung stellt eine der bedeutendsten Gefährdungsursachen für Böden dar, sie unterbindet jegliche Austauschvorgänge. Der weitgehende Erhalt des natürlichen Wasserkreislaufes und der Bodenfunktionen, die Entlastung des öffentlichen Kanalnetzes als auch die Verringerung der Aufheizung und Hitzeabstrahlung erfordern Beschränkungen in der künftigen Bodenversiegelung. Auch im Bereich des Baulandes ist ein wesentlicher Mindestanteil an gewachsenem Boden zu erhalten. Der festgelegte Mindestanteil an unversiegeltem und nicht unterbautem Boden von 10 % pro Bauplatz ist in Anlehnung an Erfahrungswerte in anderen Städten definiert. (…)

Die Baustellenfotos zeigen, dass der Baugrubenaushub eher mehr als 90 % beträgt und daher weniger als 10 % an gewachsenem Boden übrigbleiben werden.

In den Freiraumplanerischen Standards der Stadt Graz sind strengere Werte zur Eindämmung der Versiegelung festgelegt.
Mindestens 30 % der unbebauten Bauplatzfläche dürfen nicht unterbaut werden und müssen als Grünfläche auf gewachsenem Boden erhalten und gestaltet werden.

Dies wird so erläutert:
Durch das Freihalten von mindestens 30 % für Grünflächen über durchgehend gewachsenem Boden bei Errichtung unterirdischer baulicher Anlagen wird gewährleistet, dass ein ausreichender Grünflächenanteil jedenfalls eine sehr hohe Qualität besitzt. Gleichzeitig leistet jede Bauparzelle einen Beitrag zum städtischen Wasserhaushalt (Anreicherung Grundwasser).

Der Grund für den Versiegelungswahnsinn beim konkreten Bauvorhaben ist vor allem die große Anzahl an PKW-Stellplätzen. 75 Tiefgaragenstellplätze für 89 Wohnungen! Das macht die 2-geschossige Unterbauung und das Unterbauen bis zu den Grundgrenzen erforderlich und war auch der Grund für die Rodung der Pappeln. Lediglich dort, wo derzeit der Kran steht, ist etwas gewachsener Boden stehen geblieben, der allerdings für den Kranstandort mit einer dicken Betonplatte abgedeckt wurde.

Warum hat das Stadtplanungsamt die Zahl an PKW-Stellplätzen nicht begrenzt, so wie sonst im Bebauungsplanverfahren schon länger üblich? So wurde beim Bebauungsplan Eggenbergergürtel 50 die PKW-Anzahl begrenzt: Mit je 145 bis 155 m² Wohnnutzfläche ist ein Pkw-Stellplatz in einer Tiefgarage vorzusehen. Diese Werte verstehen sich als Ober- und Untergrenze.
Mit dieser Regelung hätte man die PKW-Anzahl in der Idlhofgasse 70 um mehr als die Hälfte reduzieren und damit die versiegelnde Unterbauung auch beschränken können.

Warum ignoriert man eigene Zielsetzungen und Regeln zum Schutz der Böden und im Kampf gegen die Versiegelung? Warum schont man die Investoren, aber nicht den Boden und den Wasserhaushalt?

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