30/10/2020

Ein buchartiges Objekt

Zita Oberwalder:
warning signs — London, Battle, Hastings 2018

Auszeichnung
Staatspreis
Eines der schönsten Bücher Österreichs 2019

siehe Link
schoenstebuecher.at

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30/10/2020

Cover: Zita Oberwalder: warning signs — London, Battle, Hastings 2018

©: Zita Oberwalder
©: Zita Oberwalder
©: Zita Oberwalder

Buch + Zeitung

©: Zita Oberwalder
©: Zita Oberwalder

Unwirklich anmutende Orte, geschichtsträchtige Territorien oder Grenzsituationen – in mehrfachem Sinn – sind immer wieder Motive, die in den Fotografien von Zita Oberwalder dominieren. Reisen, bemerkt Oberwalder in ihrer Selbstbeschreibung, sind ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit respektive der Themenfindung. Seit 2014 führt sie ein Langzeitprojekt, aus dem unter dem Titel Hotel Europa inzwischen mehrere Fotoessays entstanden, mit Stationen etwa in Rom, Badia oder Ostia, während der Umkreis Londons der fotografische Inhalt der nun als eine von fünfzehn „schönsten Bücher Österreichs“ gekürten Publikation ist.

Die Fotografien in Warning Signs. London, Battle, Hastings 2018 entstanden während eines Stipendienaufenthaltes über die Jahreswende 2017/18. Im Titel bezieht sich die Fotografin auf ihren Eindruck einer „über alle Maßen beschilderten Großstadt“, in der via Straßenschilder allenthalben verboten, geboten und gewarnt wird. Daraus und mittels der Auswahl hier versammelter Fotografien entwickelte Oberwalder eine Form des visuellen Dialogs mit der soziopolitischen Lage Londons – nicht ohne den Verweis auf das zwei Jahre zuvor stattgefundene Referendum um den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union, das im assoziativen Hintergrund der Reise von London nach Battle und Hastings steht.
Die analog im Mittelformat und durchwegs schwarzweiß aufgenommenen Ansichten waren zunächst (2018/19) in einer Ausstellung in der Fotogalerie des Grazer Rathauses zu sehen. Zudem auch das postkartengroße Reisetagebuch Oberwalders, das so eigentlich die Grundlage für die rezenten Warning Signs bildete und das von Buchdesigner Hannes Mitterberger als „book-like object“ beschrieben wird.
Mit Ausnahme vielleicht einer Ansicht des Zuschauerraums des Barbican Theatre der Royal Shakespeare Company sind es – naturgemäß – nicht eben die repräsentativen Orte, die Oberwalder auf ihrer Tour fand, wenngleich der Eindruck entsteht, es handelt sich um markante Orte, die in einen ausschnitthaften historischen Kontext Großbritanniens führen. Dass auch Warning Signs ein „buchartiges Objekt“ ist, gewissermaßen ein konzeptuelles Kunstwerk, liegt maßgeblich an Hannes Mitterbergers Layout: So bedarf es einiger Konzentration, will man die Verweise auf die Fotografien über ein im Cover eingeschlagenes Register zuordnen. Das Bild eines Tunnels beispielsweise wird in kurzer Form beschrieben als unter der Themse angelegter Verbindungsweg, der nach einem Bombenangriff 1940 wieder instand gesetzt werden musste. Ein vorrangiges Beispiel dagegen für den architektonischen Brutalismus, und damit für jüngere Vergangenheit, bildet das Barbican Center mit Ausstellungs- und Kongresszentrum. Die Reise führt nach den Kew Gardens und zu einem markanten, 1753 gepflanzten japanischen Baum. Dann an den Bahnhof von Battle, das nach dem Battle of Hastings (1066, als Wilhelm der Eroberer die Angelsachsen besiegte) benannt ist.
Das nun vom Bundesministerium für Kunst und Kultur und dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels prämierte Warning Signs – damit verbunden auch ein Staatspreis – ist in einer Auflage von 200 nummerierten Exemplaren erschienen. Abermals wird eine vielleicht herkömmlich zu nennende Buchform gebrochen durch eine eingelegte „Zeitung“ mit weiteren Fotografien und erläuternden Texten. Eine „Grenzlinie zwischen Arm und Reich“ ist die „Cally“, die Caledonian Road im Londoner Bezirk Barnsbury. Hier befinden sich etwa ein „Gefängnis“ und ein „gefängnisartiges Studentenhaus“. Angesichts eines jungen, sich für die Fotografin ins Bild rückenden, Radfahrers wiederum der Verweis in die jüngere Geschichte. Im Keller des Hauses 257 entdeckte man 1955 ein Waffenlager der IRA. 1975 detonierte in der Cally eine Bombe der IRA – zu andere Zeit, wenngleich nicht weit von dem Ort, an dem das Bild aufgenommen wurde.
Zita Oberwalder gelingt mit diesem Bildband eine Art Belcanto. Ausgezeichnet als „schönstes Buch“ stehen seine Inhalte in Verbindung mit nicht unbedingt den „schönsten“ Ereignissen der britischen Geschichte, denen demnächst wohl noch der Brexit folgen wird.
Mit dem Preis an Zita Oberwalder verbunden ist die Teilnahme am Bewerb um die „Schönsten Bücher aus aller Welt“.

Zita Oberwalder:
warning signs — London, Battle, Hastings 2018
Herausgeberin: Zita Oberwalder, Graz, 2019
Auflage: 200
Text: Zita Oberwalder; Hannes Mitterberger
Übersetzung: Kate Howlett-Jones
Gestaltung: Hannes Mitterberger
40+12 Seiten, EUR 35,00
ISBN 978-3-200-06228-3,
22 × 30 cm + 29,7 x 42 cm

Anfragen: mail@zitaoberwalder.com

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