05/02/2013

Ausstellung
Franz Riepl - Architekt einer anderen Moderne
Bis Fr. 15.02.2013
DI-SO 10.00-18.00 Uhr
HDA Graz

05/02/2013

Gasthaus Riepl, Sarleinsbach, Franz Riepl, 1960-77

©: Franz Riepl

Gasthaus Riepl, Sarleinsbach, Franz Riepl, 1960-77.

©: Franz Riepl

Franz Riepl bei der Ausstellungseröffnung im HDA Graz

©: Thomas Raggam

Einführung im HDA Graz durch Architekt Hubert Rieß, Initiator der Ausstellung.

©: Thomas Raggam

Peter Pretterhofer war wie Juan Carlos Gómez Avendaño und Anne-Maria Pichler Assistent bei Franz Riepl an der TU Graz.

©: Thomas Raggam

Ausstellungsansicht

©: Thomas Raggam

„Je mehr wir vom Vorhandenen begreifen, desto weniger müssen wir uns in Gegensatz dazu bringen“, schrieb Hermann Czech 1973. Einer, der diesem Credo folgend das Bestehende auf allen Ebenen analysiert und sensibel in seine architektonischen Schöpfungen aufnimmt, anstatt ein formales Feuerwerk zu zünden und Gebäude wie drop sculptures in die Landschaft fallen zu lassen, ist Franz Riepl. Er ist ein Moderner. Aber, wie der Untertitel der Ausstellung zu seinem Werk im HDA Graz verrät, ein „Architekt einer anderen Moderne“.
Ja, an der Grazer (Hoch)Schule gab es nicht nur die Grazer Schule. Eine wichtige Gegenposition zu diesem, vor allem durch den als Professor lehrenden Günther Domenig präsenten Grazer Mainstream nahm Franz Riepl ein, der von 1980 bis 2000 als Professor am Institut für Landwirtschaftliches Bauen und ländliches Siedlungswesen (heute das Institut für Architektur und Landschaft) an der TU Graz Generationen von Architekten prägte. Er feierte im September 2012 seinen 80. Geburtstag.

Nach Graz gerufen wurde Riepl allerdings durch ein spannendes, aber für ihn untypisches Projekt, wie er anlässlich der Ausstellungseröffnung im HDA erzählte: den ungewöhnlichen, technoiden, fast strukturalistisch anmutenden Finsterwalderhof in Hittenkirchen (Bayern, 1965-70). Nicht zuletzt durch dieses Experiment hatte er sich zum Zeitpunkt seiner Berufung von einer solchen Architektur schon wieder entfernt und den Sprung hin zu einem einfacheren Bauen vollzogen. Zu einer Architektur, die von den Menschen – nicht nur, aber besonders am Land – auch angenommen wird, die sie nicht durch radikale Modernität oder expressive Abstraktion überstrapaziert. Anstatt auf unbedingte Innovation vertraut Riepl auf bestehende, lokal verortete Bauweisen, ohne sie jedoch unreflektiert aus reiner Konvention zu wiederholen oder gar aus einem rückwärtsgewandten Traditionalismus heraus. Er analysiert traditionelle Bautypen, entwickelt das Gewohnte sorgfältig weiter und übersetzt es als immer neue Reflexion des Notwendigen in eine Architektur unserer Zeit.

Die Ausstellung schafft aus Fotografien von Riepls Bauten ein Gesamtbild seines Werks. Sie wurde 2009 vom Grazer Architekten Hubert Rieß, der Riepls Einstellung zur Architektur nahesteht, für die Bauhaus-Universität Weimar konzipiert und (nach München und Linz) auf die Initiative von Juan Carlos Gómez Avendaño, Anne-Maria Pichler und Peter Pretterhofer – alle drei waren Assistenten von Riepl an der TU Graz und unterrichten heute am Institut für Architektur und Landschaft – nach Graz geholt. Sie zeichnen auch für eine begleitende Publikation verantwortlich, in der eine Auswahl der ausgestellten Fotos mit einem Text von Otto Kapfinger ergänzt wird. Ein in der Ausstellung laufendes Interview mit Franz Riepl vermittelt den Besuchern einen Eindruck von dessen konsequenter architektonischen Haltung, die er nicht nur in der Lehre leidenschaftlichst vertreten hat und es noch immer tut.

In einer Zeit, in der unter ländlicher Architektur und Dorfentwicklung zumeist nur die Behübschung mittels Blumen verstanden wurde, erfand Franz Riepl das Bauen am Land neu (und stieß damit nicht immer auf Verständnis). Er erkannte die Notwendigkeit und auch das Potenzial der Errichtung von einfachen Wohnbauten am Land, im Kontext der Dörfer und machte diese zum Schwerpunkt seiner Forschungs- und Bautätigkeit. Unter seiner Führung konnte das TU-Institut infolge von öffentlichen Forschungsstudien immer wieder konkrete Architekturprojekte wie die Dorfsanierung in St. Martin am Wöllmißberg (Steiermark) realisieren und so Riepls Verständnis von sensiblen Eingriffen im ortsplanerischen Kontext und kultureller Verdichtung im wahrsten Sinn des Wortes „in’s Land hinaus tragen“. Seine frühen Bauten, wie etwa der Umbau des elterlichen Gasthauses in Sarleinsbach (Oberösterreich) können als Vorgriff auf vieles verstanden werden, was einige Jahre später theoretisch formuliert wurde: Framptons Regionalismus, das Gewöhnliche und Überlegungen zur bild- und zeichenhaften Wirkung von Architektur bei Venturi und Scott Brown oder auch Rossi bilden den theoretischen Hintergrund zu Riepls Werk. Beeinflusst wurde er vor allem von skandinavischer Architektur, etwa Alto oder Asplund, und befindet sich international in der guten Gesellschaft von Siza und der „Tessiner Tendenza“.

Vier Begriffe werden – teils zu Recht und teils zu Unrecht – im Zusammenhang mit Riepls Architektur immer wieder genannt: die Einfachheit, das Alltägliche, die Tradition und die Angemessenheit. In seiner Rede analysierte, verortete und dekonstruierte Hubert Rieß diese Begriffe und ihre Relevanz für Riepls Werk. Das bewusst Alltägliche und die Angemessenheit sind für ihn die zentralen Qualitäten, die Riepl von vielen anderen unterscheiden: Er lässt das Alltägliche alltäglich sein, während viele andere daraus das Besondere machen wollen – was dann oft schief gehe (Hubert Rieß).

Peter Pretterhofer charakterisierte Riepls Architektur in seiner Einführung als „die Verdichtung von funktionell Notwendigem, bis es sich als kulturelle Leistung vom Banalen abhebt“. Auch er hob die Angemessenheit als zentrale Qualität in Riepls Arbeit hervor: im Umgang mit dem Ort und seiner Geschichte, mit Typologien und Materialien. Sie äußert sich in einer stets wahrnehmbaren Balance zwischen dem Ort und dem Objekt, im In-Beziehung-setzen eines abstrakten Konzepts mit der realen Situation und dem konkreten Bestand. Architektur ist für Riepl nicht die Neuschöpfung von Formen, sondern entsteht aus dem Vorhandenen. Ihr Wesen ist evolutionär, nicht revolutionär. In sorgfältiger Entwicklungsarbeit entsteht so eine Architektur des Alltags, die sich nicht durch plakativen Kontrast zum Bestehenden definieren muss. Mit Respekt vor der autorenlosen Architektur weist Riepl den, dem Berufsstand immanenten Gestaltungs- und auch Inszenierungsdrang in die Schranken und nimmt sich als Architekt scheinbar aus dem Spiel. Und das zeichnet ihn aus.

Terminempfehlungen

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+