24/03/2020

Kolumne
gelungen | nicht gelungen 1

GELUNGEN. Haus Cortolezis C1, Körösistraße 21-23, 8020 Graz

Architektur:
Werkgruppe Graz, 1975

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In der Kolumne gelungen | nicht gelungen zeigt Architekt und Stadtplaner Bernhard Hafner anhand realisierter Beispiele auf, was aus architektonischer und/oder städteplanischer Sicht in der Stadt Graz gelungen oder nicht gelungen ist.

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24/03/2020

Abb. 1: Luftbild vom Grazer Schloßberg gegen Nord-West; Ausschnitt mit Militärschwimmschule und der Sportanlagen des GAK nach Fertigstellung von C1, 1975

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 2: C1-Querschnitt mit Nutzungsangaben, Blick nach Süden

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 3: C1-Grundriss, Geschäftsbereich Körösistraße, Mühlgangüberbauung und Terrassenwohnungen am Murkai

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 4: C1-Ansicht der Terrassenwohnungen am Murkai mit Begrünung

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 5: C1-Unweltzonen der Terrassenwohnungen

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 6: C1-Wohnungstypen, Klein- und Terrassenwohnung, Auswahl

©: WERKGRUPPE GRAZ

Abb. 7: C1-Nutzungsplan, Körösistraße 21-23

©: WERKGRUPPE GRAZ

GELUNGEN. Haus Cortolezis C1 (1)

  • Auftraggeber: Dr. Candidus Cortolezis sen.
    Planung eines Wohnhauses mit Geschäfts- und Büronutzung in Graz, Körösisistraße 21-23
  • Planung: Werkgruppe Graz – Architekten Werner Hollomey, Eugen Gross, Friedrich Groß-Rannsbach, Hermann Pichler.
    Der Auftrag umfasste die gesamte Planungsleistung samt Bauleitung und Abrechnung
  • Statik: Ludwig Messerklinger

Um 1970 wandte sich Dr. Candidus Cortolezis, Inhaber eines Geschäfts für Interieur und Design in der Sporgasse in Graz, an die Werkgruppe, ein Haus mit Wohnungen, Geschäfts- und Büronutzung in Murnähe zwischen Körösistraße und Murkai über einem vom linken oberen Mühlgang mittig durchflossenen Grundstück zu planen. Dieser Mühlgang war als projektbestimmend und teilte den Bauplatz in drei Teile. Einen an der Straße im Osten, einen zweiten im Westen am Schwimmschulkai, der für Spaziergänger und Radfahrer am Murufer offen ist. Hier liegt die in das Gebäude integrierte, halbgeschoßig abgesenkte, über eine Brücke erreichbare Garage. Der dritte, kleinere Teil überbrückt den Mühlgang punktuell. Die in das Gebäude integrierte, halbgeschoßig abgesenkte Garage im Westen war über eine kleine Brücke erreichbar. Die Anordnung am Mühlgang und seine Überbrückung ist ein bestimmendes Element des Entwurfes von C1.
   Zur Zeit von Planung und Bau von C1, 1972-1975, existierte der von C1 überbrückte Mühlgang als offenes Gerinne im öffentlichen Gut und durchfloss bis über den Bauplatz hinaus bis südlich der Keplerbrücke weite Strecken mit großzügigen Grünflächen und Sportanlagen. Benachbart im Norden lagen die Militärschwimmschule, ein von Murwasser gespeistes Freibad, die GAK-Tennisplätze und die Spielstätte des Nationalligaklubs (Abb.1). Unweit des steil abfallenden, bewaldeten Schloßbergs und der Innenstadt ist die Lage günstig für gehobenes Wohnen und Büroflächen.
   Die Nutzung erfolgt in Zonen. An der Straße liegen Geschäfts- und Büronutzung übereinander im Erdgeschoß bzw. 1. Obergeschoß, im 4. Obergeschoß Maisonetten. Ausgehend vom Eingangsniveau an der Straße, sind in der mittigen Überbauungszone übereinander ein Habitat-Bereich (Möbel, Ausstellung, Verkauf), eine Cafeteria und ein Mehrzwecksaal mit Galerie in unterschiedlichen Geschoßhöhen ausgewiesen (Abb. 2)
   Am Schwimmschulkai liegen Wohnungen von über die ganze Länge mit geschoßweise rückspringenden Terrassen (Abb. 3), die von Anfang an begrünt sind (Abb. 4); die erste halbgeschoßig über dem Grünraum am Schwimmschulkai und von dort uneinsehbar (Abb. 4).
   Diese Wohnungen sind in ihrer Konzeption bemerkenswert und unterscheiden sich fundamental von heute im (geförderten) Wohnbau üblichen. Eugen Gross meinte in einem Gespräch mit mir Folgendes. “Es geht um Reduktion statt Fülle. Das Notwendige an Struktur. Um Raum, von dem nichts weggenommen oder hinzugefügt werden kann, ohne ihn zu beeinträchtigen: Sparsamkeit der Mittel. So wenig wie möglich festlegen, um so viel wie möglich zu entfalten.“(2) Der Gedanke dieses Satzes liegt auch dem Wohnbau am Murkai zugrunde. Wohnungen sind in Zonen aufgeteilt. Beginnend im Osten folgen einer internen Umweltzone eine Service-, Verteiler-, Wohnzone und externe Umweltzone. Sie enthalten die Wohnungserschließung, bei Maisonetten diese und darüber eine Loggia oder Veranda. Küche; Bad, WC und Abstellraum, Eingang und Flur für die interne Zugänglichkeit der Bereiche, sowohl die Service- als auch die Wohnzone, die Terrassen bedient. Wie machte die Werkgruppe das? Alle dieser Zonen existieren in einem stützenfreien Raum zwischen Stahlbetonscheiben und 10 m Deckenspannweite. Die Wohnzone bietet die Möglichkeit, im Raster von 62,5 cm raumbildende Mobilwände aufzustellen. In 0-Stellung ist er ohne solche Wände (Abb. 5).
   Daraus ergeben sich Wohnungen ganz unterschiedlicher Größe und Raumaufteilung, darunter Maisonetten. Im Straßentrakt haben Kleinwohnungen von 56,6 m2 Wohnfläche (WF) und 12,0 m2 Loggia mit 1 bis 3 Raumeinheiten in der Wohnzone (Abb.6), Maisonetten haben 115,40 m2 Wohnfläche und 36,10 m2 Loggia und 1 bis 4 Raumeinheiten im dritten und vierten Obergeschoß. Terrassenwohnungen haben 121,70 m2 (126,60) m2 Wohnfläche und 21,3 m2 Terrassen mit 1 bis 5 Raumeinheiten in der Wohnzone (Abb.6). Von den angebotenen Varianten machten Eigentümer nach eigenen Vorstellungen Gebrauch. So wurde eine Terrassenwohnung nach Fertigstellung beispielsweise in drei Kleinwohnungen für Familienmitglieder aufgeteilt. Dies ist im Nutzungsplan für das C1 Wohn- und Geschäftshaus Graz, Körösistraße, dargestellt (Abb.7).

FAZIT
Das Haus Cortolezis C1 des Auftraggebers Dr. Cortolezis sen. und der Werkgruppe Graz als planende und ausführende Architekten ist ein gelungenes Bauwerk.

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(1)  Anlass für diesen Artikel war ein Hinweis auf die Überbauung des linken oberen Mühlgangs durch das Haus Cortolezis C1 der Werkgruppe Graz und das bald nach dessen Fertigstellung erfolgte Zuschütten des Mühlgangs. Ich hatte eine Artikelserie kritischer Auseinandersetzung mit Architektur und Bauen unter dem Titel gelungen / nicht gelungen erwogen, wofür mir dieses Projekt als erster Beitrag geeignet erschien. Die wichtigsten Hinweise erfolgten von Eugen Gross in einem Gespräch vom 15.01.2020. Er stellte mir Pläne und Fotos zur Verfügung, die ich dann für die Publikation digital bearbeitete. Er verwies mich auch an den Architekten Hubert Rieß für Angaben zum Zuschütten des Mühlgangs. (siehe Kolumne gelungen | nicht gelungen 2)
(2)  Im Gespräch mit Eugen Gross, Interview des Autors mit Eugen Gross, GAT, So. 15/12/2013, Teil 2 (siehe Artikelempfehlung unten)

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