10/02/2006

Über den Dächern von Graz

Betrifft:Dachausbau am Grazer Freiheitsplatz

10/02/2006

Architekt Klaus Kada.

Der Grazer Architekt Klaus Kada plante im Auftrag von Reinhard Hohenberg, Eigentümer der WEGRAZ, am Freiheitsplatz 1-2 in Graz einen Dachausbau für Wohn- und Geschäftszwecke, bei dem er unter Bedachtnahme auf die denkmalgeschützte Grazer Dachlandschaft sensible Eingriffe vorsieht. Das Projekt wurde vom Denkmalamt 2004 und von der ASVK (Altstadtsachverständigenkomission) im Februar 2005 positiv bewertet. Im Jänner 2006 sprach sich jedoch Stadtrat Werner Miedl aufgrund eines Gutachtens, per Weisung an die ihm unterstellte Baubehörde, gegen den beantragten Dachausbau am Freiheitsplatz aus.

Lesen Sie nachfolgend einen Auszug aus dem Gespräch, das GAT in diesem Zusammenhang mit Architekt Klaus Kada geführt hat:

Über den Dächern von Graz

„Da redet einer von Dachziegeln und Form, und meint, das sei Stadtplanung. Da lügt einer und meint, er kritisiere. Da will einer verzögern und meint, er schütze die Altstadt“, dixit Klaus Kada zur Ablehnung seines Dachausbauentwurfs auf dem Freiheitsplatz. Mit „er“ meint er den Gutachter, aber auch den Politiker, und sowieso ist die Affäre ein Déjà Vu, er hat dasselbe Theater schon mit seinem Dachausbau in der Ära Edegger am Glacis mitgemacht. Sieben Jahre hat das damals gedauert. Dabei ist er „der Letzte, der in der Stadt irgendetwas aufführen möchte. Ich bin nicht gegen die Altstadt! Meine Sparkasse in Bad Radkersburg hat man sogar unter Denkmalschutz gestellt!“. Er richte sich nach dem Denkmalschutz und nach den Prioritäten, die er als wichtig erachte und die ihn interessieren, denn das sei sowieso die zentrale Aufgabe jedes Architekten: das Erbe zu achten und das Neue nicht aus den Augen zu verlieren.

Damit rührt er an einen wunden Punkt, denn „neu“ hört man hier in Graz generell nicht gern. Es, das Neue, muss sich nämlich so lange schämen, bis es sich zu einer Dachgaube zusammengenudelt hat. Dann stülpt es sich aus dem Dachlandschaftserbe hervor, en masse. Warzen nennt sie Kada, sie stören ihn. Der Begriff Dachlandschaft impliziere eine Fläche und nicht eine Warzenschweinshaut. Sein Dach durchlöchert nichts, er hat sich was anderes überlegt, etwas Elegantes, das im Kontext des Hauses und des Platzes steht, er hat seine 30 Jahre Erfahrung hineingearbeitet in dieses Projekt. Monatelang im Büro darüber diskutiert, „und da sitzen auch keine Deppen“, mit Denkmalschützern geredet, was geht und was nicht. Und sinniert, dass ja die Altstadt sowieso schon so verkrüppelt sei, die Herrengasse im Erdgeschoß eine reine Katastrophe. Das komme dabei heraus, wenn nur Wirtschaftsinteressen eine Stadt prägen. Oder die Thalia – ein politorganisiertes Ergebnis. Graz sei ein Potemkinsches Dorf, das jetzt außen auch noch kaputt gehe.

In Wahrheit, glaubt der Architekt, steht Hilflosigkeit dahinter. Die ewig Bewahrenden sind hilflos gegenüber der Moderne. „Sie machen die ausgestreckte Hand immer mehr zu, bis nur mehr die Faust bleibt. Wenn die ASVK, das Denkmalamt und die Baukommission ein Projekt positiv beurteilen, darf dann der Politiker mit dem Daumen nach unten zeigen? Indem er sich auf ein Gutachten beruft, das hinten und vorn nicht stimmt? Wie weit werden sie gehen? Bis der Kastner & Öhler auch noch auszieht?“

Auch wenn man seine Architektur nicht versteht, könnte man zumindest mit ihm reden, meint er. Er beeinsprucht beispielsweise, dass ein Gutachter ein Geschmacksgutachten erstellen darf, dass die gestalterischen Vorschläge überflüssig sind, weil das ohnehin schon die ASVK und der Denkmalschutz behandelt haben, dass der „raumplanerisch resultierende Rahmen“, auf den sich der Stadtplaner beruft, nirgends oder mit ungeeigneten Mitteln definiert ist, dass verfälschende Fotomontagen verwendet wurden – und dass vor allem das Aufklappen des Daches auf der Hofseite zwecks Unterbringung des Glasspitzes aus Belichtungsgründen keine Aufstockung ist, weil es sich nur um einen Ausbau eines bestehenden Daches handelt und nirgends ein Geschoß dazu kommt.

Letztendlich ist es eine politische Entscheidung; wie viel Gewicht hat das Weltkulturerbe, wie weit soll ein Schutz gehen, wie viel ist man bereit aufzugeben, wie viel gewinnt man, wenn man mehr Neues zulässt? Und wenn die positiven Gutachten der ASVK und des Denkmalamts nichts gelten, ist das dann nicht eine Diskreditierung dieser Instanzen, die ja von der Stadt eingesetzt werden, viel Geld kosten und von der Stadt bezahlt werden?

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