21/09/2012

Die Ausstellung (NO) STANDING ANYTIME ist bis zum 23. September 2012 am Lazarettgürtel 60 (gegenüber Citypark) in Graz zu sehen; jeweils Dienstag bis Sonntag, 13.00 – 20.00 Uhr.

21/09/2012

zweintopf „2406079: Road to Nowhere“, 2012.

©: zweintopf

Michael Michailov „Park + Repose“, 2012.

©: Michael Michailov

Ovidiu Anton „Tabouret Cabanon / Absperrbretter Straßenbaustellen Graz“, 2012.

©: Anton Ovidiu

Catrin Bolt „Mit lieben Grüßen P&R“, 2012.

©: Catrin Bolt

Martin Grabner „Von Orten und Nicht-Orten“, 2012.

©: Martin Grabner

Sujet zur Ausstellung

©: Wenzel Mraček

In der Ausstellung (NO) STANDING ANYTIME zeigten die Künstler zweintopf und Kollegen (leider nur) bis 23. September, wie sie auf städtische (Im-)Mobilität reagieren.

Seit September 2010 ist auf der Homepage der Stadt Graz zu lesen, dass die Park & Ride-Anlage Fölling im Bezirk Mariatrost eröffnet wurde. Das „originelle Bauwerk“, heißt es hier, „entstammt der Planung des Architekturbüros ATP und ging bei einem Wettbewerb als Sieger hervor“. Zur Verfügung stehen 200 Stellplätze, die neu eingerichtete GVB-Buslinie 211 führt von dort ins Zentrum von Graz und man erhofft sich eine rege Nutzung der Anlage.

Die zwei Jahre später angestellte Beobachtung des Grazer Künstlerduos zweintopf – Eva Pichler und Gerhard Pichler – klingt, hier kurz gefasst, vergleichsweise ernüchternd: Ein Bus fährt quer durch die Stadt zu einem schönen, neuen Parkhaus mit 200 Stellplätzen. Darüber hinaus gibt es keinen nennenswerten öffentlichen Anschluss; der Bus fährt an die zwanzig Mal pro Tag. „Meist fährt er menschenleer.“ Die eigene Erfahrung zeigt, dass der Bus so gut wie leer fährt, weil das Parkhaus kaum genutzt wird.

Die Versuche, in Graz den Individualverkehr per Auto zu reduzieren, mittels Park & Ride-Einrichtungen Pendler zum Umstieg in öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen und alle damit verbundenen Umstände wollten zweintopf ursprünglich in einem Projekt namens PARK & PRIDE unter Beteiligung weiterer eingeladener Künstlerinnen und Künstler beleuchten. Eben diese weiteren Umstände, dass etwa ein Großteil der städtischen Flächen dem fließenden, aber deutlich vor allem dem stehenden Individualverkehr (Autoabstellflächen) gewidmet ist, führten schließlich in ein modifiziertes Konzept unter dem Titel (NO) STANDING ANYTIME.

„Was also bedeutet Mobilität für den öffentlichen Raum, wo gibt es Reibungsflächen mit anderen Nutzungen, wo Brachen und Problemzonen?“ fragten sich zweintopf und luden weitere 13 KünstlerInnen ein, sich mit Fragen wie dieser auseinanderzusetzen. Über mehrere Monate und mit meist unangemeldeten Interventionen in mehr oder weniger öffentlichen Verkehrsbereichen – Parkhäuser, Parkplätze, Fußgängerzonen, Straßenbaustellen – griffen die KünstlerInnen also ein, um, wie Eva Pichler im Katalog Adorno zitiert, Momente der „Irrationalität im Vernunftprinzip“ zu schaffen. Angesichts der Hintergründe etlicher künstlerischer Arbeiten zeigt sich jedenfalls, dass eine Zuordnung von Vernunft und Irrationalität durchaus wechselweise erfolgen kann, denkt man etwa an die Effektivität des Parkhauses Fölling.

Was also an besagten Orten sozusagen heimlich vorgenommen wurde, wird jetzt in einer dokumentarischen Ausstellung präsentiert und nachvollziehbar gemacht. Dem Thema adäquat ist auch der Ausstellungsraum in einer ehemaligen Autowerkstatt am Lazarettgürtel 60.
Gegenüber dem PKW-Verkehr bringt Marlene Hausegger die Alternative Fahrrad ins Spiel: An die Wand eines Parkhauses hat sie kleine, kaum sichtbare Fahrradreflektoren in Form eines Blitzes geklebt. Dieser Blitz wird für einen Augenblick sichtbar, wenn das Scheinwerferlicht eines vorüber fahrenden Autos darauf fällt.
Michael Heindls „The Same Old Story“ ist eine als Video aufgezeichnete Aktion, die – gleichwohl irritierend und witzig – hart an Besitzstörungen kratzt. Vor einigen Jahren hatte er sein Auto in Ungarn auf einem Parkplatz abgestellt. Als er zurückkam fand er die Türen unversperrt und sein Autoradio lief auf voller Lautstärke. Obwohl augenscheinlich nichts entwendet worden war, blieb ihm das unangenehme Gefühl, jemand habe sich in seiner Abwesenheit an seinem Eigentum zu schaffen gemacht. Es folgte die Erkenntnis, dass Heindl sein Auto als eine Art bewegliche Wohnung und den Innen- als Privatraum begreift. Ein Anruf bei der Polizei war damals, in dieser Situation, auch keine Hilfe. Diesen Anruf bei einem ungarischen Polizeirevier wiederholte Heindl für seine Aktion und zeichnete das Gespräch mit einem ratlosen Polizisten auf. Das Tondokument auf mehrere CDs gebrannt und in Begleitung eines filmenden Kollegen, machte sich Heindl nun im Grazer Stadtraum daran, unversperrte Autos zu suchen. Einige fand er tatsächlich, legte die CD in den Player ein, drehte die Lautstärke auf und machte sich von dannen.
An Michel Foucaults Heterotopien erinnert Catrin Bolts dagegen subtiler Eingriff – einmal mehr in Parkgaragen, Orten, an denen man eigentlich nur versucht, sein Auto für einige Zeit los zu werden, um sie daraufhin schnell zu verlassen. Neben Kassenautomaten befestigte Bolt Postkartenhalter, darin Ansichtskarten unter dem Titel „Mit lieben Grüßen P&R“. Die Fotos aber zeigen nur andere, nicht weniger unangenehm wirkende Parkgaragen wie die, in der man sich gerade befindet.
zweintopf selbst affigierten eine Art Tromp-l’œil (Augentäuschung) an einer Parkhauswand. In perspektivisch exakter Verlängerung der Bodenmarkierungen führte scheinbar eine „Road to Nowhere“. Und noch mehr Schwindel bewirken dürfte die Videoinstallation „Merry go Round“. Auf einem sich drehenden Monitor sind etliche Autos in der Kurve einer Parkhausrampe zu sehen. Die angeschlossenen Kopfhörer zwingen den Rezpienten, die Drehung des Monitors mit zu machen. – Ein Ringelspiel eben, dass man in diesem Zusammenhang auch Kreisverkehr nennen darf.

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