01/07/2010
01/07/2010

Nationalratsabgeordneter Werner Kogler / Die Grünen und Landtagsabgeordnete Claudia Klimt-Weithaler / KPÖ.

Anlässlich der steirischen Landtagswahl im Herbst findet am 13. Juli, um 17 Uhr, im Haus der Architektur eine Podiumsdiskussion mit den SpitzenkandidatInnen der wahlwerbenden Parteien zum Thema Architekturpolitik und Baukultur statt.
Auf GAT werden im Vorfeld die Antworten der einzelnen KandidatInnen auf drei themenspezifische Fragen veröffentlicht.
Den Beginn machen Nationalratsabgeordneter Werner Kogler / Die Grünen und Landtagsabgeordnete Claudia Klimt-Weithaler / KPÖ. Beide stellen die soziale und ökologische Verantwortung, die mit dem Bauen einhergeht, in den Vordergrund und sprechen sich gegen weitere Zersiedelung aus.

Welchen persönlichen Zugang oder Bezug haben Sie zum Themenkreis Baukultur und Architektur?

Nationalratsabgeordneter Werner Kogler, Die Grünen (WK):
Ich bewundere schon seit Jahren zum Beispiel die Holzarchitektur in Vorarlberg, aber auch die Verbindung von Alt und Neu im Grazer Zentrum – besonders spannend finde ich sozial interessante Bau- und Wohnprojekte, Energieeffizienz und Innovationen in dem Bereich.

Landtagsabgeordnete Claudia Klimt-Weithaler, KPÖ (CKW): Abgesehen von der Tatsache, dass ich als Abgeordnete beruflich immer wieder damit beschäftigt bin, war ich persönlich bis dato zweimal in Umbauarbeiten miteinbezogen. Einmal beim Umbau der Kinderkrippe Modellino, deren Geschäftsführerin ich bis vor kurzem war, und ein zweites Mal beim Umbau des Hauses, in dem ich mit meinen beiden Töchtern lebe. Ich interessiere mich für eine soziale und ökologische Bauweise. Von der Architektur des Guggenheimmuseums in Bilbao bin ich schwer beeindruckt.

Welche Schwerpunkte aus den baupolitischen Leitsätzen des Landes Steiermark sind für Sie besonders wichtig und wo sehen Sie Möglichkeiten im Rahmen der politischen Arbeit, diese konkret zu unterstützen bzw. einer rechtlichen Verbindlichkeit zuzuführen?

WK: Die baupolitischen Leitsätze des Landes Steiermark sind in sich stimmig und gut geeignet, den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Nur – die Leitsätze spielen in der politischen Realität der beiden Regierungsparteien keine Rolle. 2009 wurden die Leitsätze präsentiert, 2010 wurden sie allesamt im von SPÖ und ÖVP beschlossenen neuen Raumordnungsgesetz über Bord geworfen. In den Verhandlungen nominierten SPÖ und ÖVP nur Bürgermeister aus ländlichen Regionen mit einem gemeinsamen Ziel vor Augen: Dem Bevölkerungsschwund am Land mit einer weiteren Zersiedelung entgegenzutreten. Und das entgegen dem Rat aller ExpertInnen, denn Zersiedelung und Billigbaugründe stoppen den EinwohnerInnenschwund bekanntermaßen nicht. Das Ergebnis ist die höchst problematische und neu geschaffene Auffüllung im Freiland. Damit wird Freiland im großen Stil zu Bauland. Das hat negative Auswirkungen sowohl für urbane Räume, als auch für das Landschaftsbild bäuerlich geprägter Baukulturen, die mit Einfamilien- und Ferienwohnhäusern nun komplett verfremdet werden können. Und Zersiedelung hat bekanntermaßen hohe Folgekosten. In Graz wird der Grüngürtel bedroht bzw. wird die Grünraumsicherung vor Probleme gestellt, und es entstehen zusätzliche PendlerInnenströme mit hohen Folgekosten für die Verkehrsinfrastruktur im Ballungsraum. Zusätzlich steigt der CO2-Ausstoß weiter an. Übrigens: SPÖ und ÖVP nominierten keine einzige Person in die Verhandlungen, die Interessen der urbanen Räume erkennen oder vertreten konnten. Das Weltbild des um EinwohnerInnen kämpfenden SP-VP-Landbürgermeisters war leider der einzige baupolitische Leitsatz.
Ein verantwortungsvoller Ressourceneinsatz ist eine globale Notwendigkeit. Baukultur, Raumordnung und das daraus resultierenden Mobilitätsverhalten sind ausschlaggebend für wirksamen Klimaschutz. Rechtliche Verbindlichkeit zu schaffen, wäre kein Problem: Mit einem modernen Klimaschutz- und Ökostromgesetz auf Bundesebene und einer zeitgemäßen Raumordnungs- und Baugesetzgebebung auf Landesebene. Es scheitert am Wollen und am Rückgrat der Landesregierung. Die Regierungspolitik hat sich in einem erschreckenden Ausmaß de-urbanisiert. Es wäre wichtig und höchst an der Zeit, den provinziellen Interessen von Ortskaisern entgegenzutreten. Die höchst vernünftigen baupolitischen Leitsätze müssen ein verbindliches Regelwerk werden.

CKW: Wir brauchen wieder mehr sozialen Wohnbau. Die Politik ist gefordert, für die Menschen erschwinglichen Wohnraum zu schaffen, anstatt WohnungseigentümerInnen mit Steuergeldern zu subventionieren.
Umweltgerechte Lösungen (Passivhäuser, thermische Sanierung etc.) halte ich für ebenso notwendig wie eine Bauweise, die ein Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Alters ermöglicht (Partizipation!). Jugendliche brauchen andere Räume als Kleinkinder.
Das Ende der Zersiedelungspolitik und den Altstadtschutz (besonders vor Spekulanten, siehe Kommodhaus) würde ich als weitere Schwerpunkte nennen.
Rechtlich hat der Landtag Steiermark bei allen genannten Punkten Kompetenzen, entweder durch das Raumordnungsgesetz oder durch die Vergabe von Förderungen.

Die nachhaltigsten Bauten sind jene, die in jeder Hinsicht qualitätvoll geplant und umgesetzt werden. Welches Bauprojekt der jüngeren Vergangenheit, das Sie näher verfolgt haben, hat sich hinsichtlich Prozessqualität und Ergebnis Ihrer Meinung nach besonders positiv auf das Land ausgewirkt?

WK: Zum Beispiel das erste gewerbliche Passivhaus aus Holz in Europa , das im steirischen Niklasdorf steht und das Logistikzentrum der Eine Welt Handel AG, des größten Importeurs von Korbwaren aus fairem Handel, beherbergt. Hier ist viel gelungen: Die Kosten für Heizung und Warmwasser fallen mit etwa 2.000.- Euro pro Jahr sensationell niedrig aus, entsprechend auch die CO2-Bilanz. Dank optimaler Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz konnte weiters ein Großteil der Warentransporte auf die Schiene verlegt werden, was zusätzlich 170.000 LKW-Kilometer pro Jahr und deren Emissionen einspart. Außerdem gibt’s innovative Lösungen – die Heizung funktioniert über ein Ab- und Zuluftsystem, das Dach aus Kautschuk ist statisch darauf ausgerichtet, eine Photovoltaikanlage zu installieren. Nicht zuletzt ist wesentlich, dass Produkte aus Entwicklungsländern zu fairen Preisen angekauft werden. 25.000 Apfel-Körbe aus Bangladesh statt Plastikkübel ausgeliefert. 80 Familien leben davon. Mensch und Umwelt stehen im Mittelpunkt. Das ist uns natürlich sehr nah.
Ebenfalls sehr interessant ist das Schiestlhaus am Hochschwab: Die diesem Projekt zugrunde liegende Idee ist der Einsatz von solaren Systemen an Standorten mit schwieriger Erreichbarkeit, hoher solarer Einstrahlung und ökologischer Sensibilität.
Ziel des Projekts ist die architektonisch zeitgemäße Interpretation des autarken Gebäudekonzepts unter Integration des energetischen Gesamtkonzepts. Dieses verknüpft energierelevante Komponenten wie Passivhausstandard, thermische und elektrische Versorgung aus erneuerbaren Energieträgern (Sonne und Wind) mit Regenwasseraufbereitung und biologischer Abwasserreinigung. Das Schiestlhaus ist ein Pilotprojekt, in dem nachhaltige, ökologische Technologie und ein intelligentes Raumkonzept unter extremen Bedingungen getestet werden. Gleichzeitig hat es Modellcharakter für die nachhaltige Sanierung wichtiger alpiner Stützpunkte, die vor mehr als hundert Jahren errichtet wurden und sanierungsbedürftig sind.
Sehr spannend wird freilich auch das neue Messequartier von Markus Pernthaler: Das wird das größte Passivhausvorhaben der Steiermark!

CKW: Die Wohnanlage am Grünanger, die nach den Plänen von Hubert Rieß gebaut wurde. Mit diesem aus sozialpolitischer und ökologischer Sicht vorbildlichen Bau wurden in Graz nach mehr als 30 Jahren wieder Sozialwohnungen durch die öffentliche Hand errichtet.

Das HDA lädt ein:

Thema Baukultur: Podiumsdiskussion mit den steirischen SpitzenkandidatInnen anlässlich der Landtagswahl 2010.

WANN: 13. Juli 2010, 17.00 Uhr
WO: HDA, Palais Thinnfeld
Mariahilferstraße 2, 8020 Graz

Mit:
Landeshauptmann Franz Voves, Klubobmann Christopher Drexler (in Vertretung für Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer), Nationalratsabgeordneter Werner Kogler, Landtagsabgeordnete Claudia Klimt-Weithaler, Nationalratsabgeordneter Gerald Grosz, Nationalratsabgeordneter Gerhard Kurzmann

Moderation:
Bernhard Steger, Sprecher der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur

arch.di viktor jung

finde ich immer wieder richtiggehend erheiternd:...vor jeder wahl werden die identischen frage-antwortspiele mit den wahlwerbenden politikern in sachen baukultur, architektur, innovation,sozialer wohnbau, etc.etc.bühnenreif gespielt!...so, als ob in zukunft die grossen innovativen "würfe" jedes mal zu erwarten wären!
..immer das gleiche ernüchternde fazit nach der wahl:...nichts neues im lande dänemark!..aber bekanntlich sind papier und leere worthülsen geduldig!!...und das nichterfüllen von vollmundigen ansagen und versprechungen bekanntlich nur beim salzamt einklagbar!
ergo:..die wortspenden diverser politiker kann man tunlichst, und das konsequent im rethorischen papierkorb entsorgen!!

Do. 01/07/2010 1:08 Permalink
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