18/12/2018

Betreff
Neubau des Management Centers Innsbruck (MCI)

Wolfgang Andexlinger, Stadtplaner von Innsbruck, wendet sich im Sinne einer baukulturell qualitätsvollen Lösung in seinem Brief gegen die geplante Neuausschreibung des MCI als Generalübernehmerwettbewerb.

"Denn Baukultur ist ein Kulturgut, das nicht ausgehöhlt werden darf."

Der originale Brief ist downzuloaden

18/12/2018

Sehr geehrte Architekturinteressierte!

Als Stadtplaner der Stadt Innsbruck möchte ich zu den aktuellen Entwicklungen zum MCI (Management Centers Innsbruck, Anm.) öffentlich meine Position darlegen.

Das im Wettbewerbsverfahren von einer hochkarätig besetzten internationalen Jury mit VertreterInnen von Land Tirol und der Stadt Innsbruck einstimmig gekürte Projekt von Loudon, Habeler & Kirchweger Architekten wird seitens des Landes Tirol mittlerweile als nicht finanzierbares Projekt angesehen und die Umsetzung wurde daher gestoppt.

Die Stadtplanung hat in intensiven Gesprächen die Qualitäten und Potentiale des Siegerprojektes in geführte Diskussionen eingebracht, um damit Argumente für ein weiteres Festhalten des Landes Tirol an dem Entwurf und dessen Weiterentwicklung zu liefern. Eine Vertiefung und Umsetzung des Projekts wird dennoch nicht weiterverfolgt. Innsbruck verliert mit dieser Entscheidung ein qualitätsvolles und herausragendes Wettbewerbssiegerprojekt.

Diese Entscheidung des Landes Tirol ist prinzipiell zu respektieren. Gleichzeitig wird damit aber auch das Vertrauen in die herausragende Architekturwettbewerbskultur stark geschwächt. Denn es wird argumentiert, dass das gewählte Verfahren – ein offenes Architekturwettbewerbsverfahren – hauptverantwortlich für das Scheitern des Projektes sei. Dieser Meinung möchte ich entgegenhalten, dass nicht der ausgelobte Wettbewerb ursächlich dafür Verantwortung trägt, dass höhere Kosten zu erwarten wären, als die ursprünglichen Schätzungen vorsahen. Zu gering angesetzte Umrechnungsfaktoren zwischen Brutto- und Nettoflächen, eine zum damaligen Zeitpunkt nicht erwartbare boomende Baukonjunktur und fehlende Indexanpassungen sind unter anderem Faktoren, die zu einer Kostensteigerung führten und hier genannt gehören. Außerdem hätten meiner Ansicht nach Potentiale zur Weiterentwicklung des Siegerprojektes bestanden, die eine Reduktion der Kosten nach sich gezogen hätten. Diese wurden aber nicht weiterverfolgt und vertiefend geprüft.

Mittlerweile haben sich neben der Frage der Kosten aber auch wesentliche Grundparameter des Projekts geändert, sodass eine Neuausschreibung der Bauaufgabe in Vorbereitung ist. Aufgabe der Stadtplanung ist es nun erneut, die für die Stadt Innsbruck zentralen Anliegen in das neue Verfahren einzubringen und wesentliche städtebauliche wie architektonische Qualitäten einzufordern.

Innsbruck gilt national und international als angesehene und qualitätsorientierte Stadt der Architektur, und das zu Recht! Die Innsbrucker Architekturwettbewerbsgeschichte ist eine Erfolgsgeschichte, die einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Stadt Innsbruck heute so ist, wie sie ist, nämlich eine Stadt mit höchster Lebensqualität und wirtschaftlichem Erfolg. Qualitätvolle Architektur und Städtebau, damit Baukultur, tragen dazu einen wesentlichen Beitrag bei.

Die nunmehrigen Überlegungen des Landes Tirol, die Neuausschreibung des MCI als Generalübernehmerverfahren auszuloben, sehe ich gerade aus Sicht der unbedingt erforderlichen Qualitätsansprüche aber als sehr kritisch an. Es kann zwar Gründe geben, dass ein Generalübernehmerverfahren ein geeignetes Verfahren für eine Projektrealisierung ist. Dies ist dann der Fall, wenn der finanzielle Rahmen das einzige wirkliche wichtige Kriterium ist, das es einzuhalten gilt. Im Zusammenhang mit dem MCI kann aber dieses Argument nicht als alleiniges gelten! Denn in diesem Fall geht es um die Findung eines qualitätvollen öffentlichen Bauwerks, das in zentraler und historisch bedeutsamer Lage inmitten der Stadt eine exponierte und raumprägende Position einnehmen wird und einen weiteren Baustein des hochwertigen Bildungs- und Kulturquartiers darstellen soll. Es geht also um weit mehr, als nur um finanzielle Fragen.

Mit der vom Land Tirol angedachten Wahl eines Generalübernehmerverfahrens besteht die Gefahr, dass für Innsbruck gültige Qualitätsstandards sowohl bei der Projektfindung, als auch in der Phase der Projektrealisierung ausgehöhlt werden. Denn auf Grund der Gebäudegröße ist anzunehmen, dass nur eine geringe Zahl an Beiträgen eingereicht wird, da nur wenige Unternehmen ein solches Projekt als Generalübernehmer umsetzen können. Mit der Ausschreibung des MCI als Generalübernehmerwettbewerb beraubt sich das Land Tirol selbst und in weiterer Folge auch die Stadt Innsbruck um die Möglichkeit eine größere Anzahl an Wettbewerbsbeiträgen vorgelegt zu bekommen und diese vergleichend diskutieren zu können.

Zusätzlich kritisch zu sehen ist, dass ein Generalübernehmer durch die verpflichtende Abgabe einer Kostengarantie bereits bei Abgabe des Wettbewerbs einen viel größeren Prozentanteil an Gewinn- bzw. Risikospanne einplanen muss, als es bei einem normalen Verfahren mit Preisbildung auf Basis eines durchgeplanten Projektes der Fall ist. Denn bei einem normalen Projektverfahren werden erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn geklärt ist, wie das Gebäude tatsächlich gebaut wird, der beste Bieter für eine Leistung gesucht und in weiterer Folge beauftragt. Bei der Anwendung eines Generalübernehmerverfahrens ist aber zu erwarten, dass die Qualitätsansprüche bereits von Projektbeginn an auf einem geringen Niveau festgesetzt und in weiterer Folge auch umgesetzt werden. Daher ist zu befürchten, dass für städtebauliche und architektonische Qualitätsansprüche nur bedingt Raum vorhanden bleibt, was der seit vielen Jahren verfolgten Strategie der Innsbrucker Stadtplanung widerspricht.

In diesem Sinn ist die geplante Neuausschreibung des MCI als Generalübernehmerwettbewerb äußerst kritisch zu hinterfragen, denn Baukultur ist ein Kulturgut, das nicht ausgehöhlt werden darf.

Wolfgang Andexlinger
Stadtplaner von Innsbruck
12.12.2018

Ein Zitat aus der im Jänner 2018 verabschiedeten Erklärung von Davos – "Eine hohe Baukultur für Europa der europäischen KulturministerInnen besagt, dass „Baukultur als öffentliches Gut in gemeinsamer Verantwortung von Regierungen, Organisationen und des Privatsektors steht und dass das Bewusstsein für die damit verbundenen kulturellen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und technischen Belange dringend gesteigert werden muss.“

Aus: Eine hohe Baukultur für Europa. Erklärung von Davos 2018. Kulturministerkonferenz 20.-22. Januar 2018, Davos, Schweiz

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