21/12/2011
21/12/2011

Postives Beispiel für qualitätvolles Bauen und Sanieren in der Oststeiermark: Orangerie Pöllau bei Hartberg (Revitalisierung durch Gerd Leinich), ausgezeichnet mit der Geramb Rose 2006. Foto: Andreas Scheucher

Die beiden Architekten Peter Pretterhofer (li) und Reinhard Schafler (beide baustelle land) gaben eine Einführung zum Thema des Seminars. Foto: baustelle land

Das zahlreiche Publikum rekrutierte sich vor allem aus Vertretern der angesprochenen Gemeinden. Foto: baustelle land

Ein tiefgreifender Umdenkprozess zum Thema „Bauen“ hat in den ländlichen Regionen der Steiermark vor einiger Zeit begonnen, wie der bereits 2005 initiierte Gestaltungsbeirat der südsteirischen Weinregion zeigt. Als Vorbild dienten damals Gemeinden in Vorarlberg, die diesen Weg seit Jahrzehnten mit äußerst positiven Auswirkungen beschritten hatten. Dem erfolgreichen Modell wollen zwei oststeirische Regionen als ebenfalls landschaftlich und touristisch sensible Zonen folgen. Im November bildete die Impulsveranstaltung „Bauen im Kulmland und Pöllauer Tal“ der Initiative „baustelle land“ und der "Energiekultur Kulmland" in Kooperation mit der Landesbaudirektion Steiermark den Auftakt zu einem Dialog zur wirksamen Umsetzung von Leitbildern im ländlichen Bauen.

Das harmonische Zusammenwirken von Gebäuden und Landschaft sowie die Erhaltung dörflicher Strukturen bilden die zentralen Ziele einer zeitgemäßen Baukultur. Die beiden Architekten DI Reinhard Schafler und DI Peter Pretterhofer von „baustelle land“ luden zu einem offenen Seminar zu dieser brennenden Materie in den Kultursaal von Hirnsdorf mit dem Anliegen, bei der Thematik „Bauen auf dem Land“ neue, die Baukultur betreffende Qualitätsfilter zu etablieren und den Prozess zu einer breiten Bewusstseinsbildung anzustoßen. Das rege Interesse an dieser Thematik bewiesen die rund 60 TeilnehmerInnen, viele von ihnen Vertreter von den Gemeinden aus der Region. Schon in der Einleitung hielt Landesbaudirektor DI Andreas Tropper fest, dass es sich bei Architektur auf dem Land „nicht um Geschmacksfragen, sondern um eine breite Querschnittsmaterie“ handelt, für die in den „Baupolitischen Leitsätzen des Landes Steiermark“ grundlegende Empfehlungen niedergelegt worden seien. Dazu zählen die Fragen: Wie lässt sich Tradition ins Heute transformieren? Welche Baustoffe sollten verwenden werden? Wie baut man nachhaltig und energetisch sinnvoll?

Schafler und Pretterhofer betonten als Movens ihrer Initiative die enge Zusammengehörigkeit von Baukultur und Energiekultur: „Baukultur versteht sich als Überbegriff für den Umgang mit Energie und Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen. Als Leitbild dient ein Szenario klimatauglicher Raumplanung, denn die fortschreitende Zersiedelung ist eines der größten Probleme.“ Weiters beschäftigen sie sich mit dem Umgang mit dörflichen Strukturen und mit der Landschaft sowie der Baukultur im engeren Sinn, in Form der Gestaltung und Funktion eines Gebäudes in seiner Umgebung.
Große Verantwortung kommt in dieser Frage in ihrer Vorbildfunktion den Gemeinden zu, nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden Fusionspläne zu Kleinregionen, die vielerorts zumindest als lose Zusammenschlüsse zu Tourismusgebieten im Pöllauer Tal bzw. Kulm- und Almenland schon Gestalt angenommen haben. Einen ersten Schwerpunkt bildete die von „baustelle land“ durchgeführte Baukultur-Recherche im Kulmland und Pöllauer Tal zu den Fragen „Weiterbauen und Sanieren, Ortsverdichtung, Gewerbe, Landschaft und Raumplanung.“ Beispiele gelungener Umgestaltung von alten Bauernhöfen wurden ebenso gezeigt wie abschreckende Beispiele misslungener Sanierungen oder wenig einfühlsame Neubauten, die in die Landschaft geklotzt wurden. Die Verbindung von Altem und Neuem liegt vor allem in der behutsamen Proportionierung sowie der Berücksichtigung des Ortscharakters betont Schafler.

Von ihren Erfahrungen mit den Fachbeiräten für Baukultur in der Südsteiermark, die in dieser Region seit mehreren Jahren in einigen Gemeinden installiert sind, berichteten Bgm. Karl Wratschko, DI Christian Hofmann (BBL Leibnitz) und die Architektin DI Alexandra Stingl. Der Gamlitzer Bürgermeister Wratschko äußerte sich sehr zufrieden über die Unterstützung durch den Fachbeirat „Südsteirisches Weinland“: „Nicht nur die großen und öffentlichen Bauten unterliegen seiner Beurteilung, sondern auch Zubauten und Wirtschaftsgebäude. Ein wichtiger Punkt sind außerdem Haussanierungen, deren Zahl jene der Wohnhaus-Neubauten schon deutlich übertrifft.“ Hier könnten viele Sünden der Vergangenheit wieder behoben oder zumindest abgemildert werden. Stingl beschrieb den mehrstufigen Beratungsprozess für die Bauwerber, der auf eine möglichst genaue Einhaltung der Vorgaben abzielt.
Bgm. Johann Schirnhofer (Pöllau), Hofrat DI Karl Amtmann (BBL Hartberg) und DI Heidinger (Projektbegleiter) schilderten im Anschluss daran den nicht immer konfliktfreien Prozess zum in Ausarbeitung befindlichen Leitbild für Baukultur im Pöllauer Tal. Wichtig ist es für Amtmann, dass der Bürger eine Vereinfachung der Verfahren erfährt und zugleich die Planungsqualität gehoben wird. Sinnvoller sei eine intensive Beratung statt des Pochens auf gesetzliche Auflagen - besser positiv einwirken als verbieten.

Anschließend folgte mit den Referenten auf dem Podium eine Diskussion, in der kritische Punkte noch einmal aufgegriffen wurden. Tropper appellierte, Bewusstsein und Sensibilität der Bevölkerung zu wecken statt „Schutzgesetze“ zu vollziehen, aber auch dafür brauche es „niedergeschriebene Richtlinien“. Den Abschluss bildete die Präsentation einer kurzen filmischen Dokumentation der Exkursion des südsteirischen Fachbeirats zu den vorarlbergischen Modellgemeinden.

Verfasser/in:
Josef Schiffer, Bericht
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