13/05/2020

MINUS – Bauen im Freiland
und Landschaftsschutzgebiet

am Beispiel Grabenstraße 90c, Graz-Geidorf, Areal der ehemaligen Bürgermeistervilla und jetziger Firmensitz von Fa. Northland

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Ein Lokalaugenschein von Elisabeth Kabelis-Lechner, der mehrere Fragen aufwirft.

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13/05/2020

Ausgebaute ehemalige Bürgermeistervilla als Firmensitz, dahinter die neue Wohnanlage mit üppigem Parkplatzangebot

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

vor dem Umbau: die ehemalige Bürgermeistervilla mit Schwimmbad

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Zufahrt zur Wohnanlage mit Parkplatz – früher waren hier Schwimmbad, Tischtennisplatz und Bäume

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Zufahrt und Wohnanlage, Ansicht Nordost ...

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

... Wohnungserschließung über sogenanntes Atrium ...

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

... Der Charme des Atriums... Am Ende der Zufahrt lag das Ferstlhaus

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Das Ferstlhaus vor dem Abbruch

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Die Wohnanlage, Gartenseite

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Luftbild 2020, Screenshot: E. Kabelis-Lechner, s. Link > google.at

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Luftbild 2005 mit Bürgermeistervilla und Ferstlhaus. Screenshot: E. Kabelis-Lechner

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Flächenwidmungsplan 4.0. Screenshot: E. Kabelis-Lechner

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Der Anstoß für dieses MINUS sind der GAT-Beitrag von Jördis Tornquist zur Verbauung am Rosenhain im Landschaftsschutzgebiet und Peter Laukhardts Sorgen über das Schicksal des historischen Winzerhauses in der Grabenstraße (Das Areal, welches sich im Freiland und Landschaftsschutzgebiet befindet, wurde erst kürzlich von der WEGRAZ gekauft).

Im Jahre 2007 verkaufte die GBG (Gebäude- und Baumanagement Graz GmbH) der Firma Northland das Grundstück Grabenstraße 90c. Das Grundstück ist beinahe 13.000 m2 groß, liegt im Freiland und im Landschaftsschutzgebiet LS 30. Im bestehenden Gebäude, (1852 als Villa erbaut, 1942 zur Bürgermeistervilla und 1963 zur Kindervilla umgebaut), war bis 2007 eine städtische Jugendbetreuungseinrichtung untergebracht. Die Heimnutzung war die gültige Nutzungswidmung im Freiland. Zur Villa gehörte ein gleichzeitig errichtetes Nebengebäude, das Ferstlhaus.

Northland wollte dort sein Headquarter errichten. In der Gemeinderatssitzung vom April 2007 sollte die Entwurfsauflage der 12. Änderung des Flächenwidmungsplans 3.0 mit insgesamt 15 Änderungen zur öffentlichen Auflage beschlossen werden. Die Änderung Nr. 14 betraf die Grabenstraße 90c-Northland. Das Wortprotokoll dazu findet sich im Internet. Gr. Candussi (Grüne) wollte für eine Zustimmung seiner Partei zu dieser Änderung noch mehr Details über das Ausmaß der Bebauung (Trainingshalle) betreffend Sondernutzung Sport ausverhandelt wissen. Der zuständige Planungsstadtrat Rüsch beruhigte, dass die Bürgermeistervilla wegen Denkmalschutz nicht verändert werden könne und der beabsichtigte Ausbau des zweiten Gebäudes (Nebengebäude) sich auf den ausgewiesenen Flächenbedarf (550 m2 BGF) beschränke. Das Grundstück sei eben nicht als Bauland sondern als Freiland – Sondernutzung Sport ausgewiesen. Baumaßnahmen müssen genau diesem Zweck entsprechen, es könne nichts anderes gebaut werden, und das sei sichergestellt. Daher brauche es keine weiteren Zusagen. Es werden hier einem erfolgreichen Grazer Unternehmen Möglichkeiten gegeben, seine Repräsentationsräume zu gestalten.

Die Auflage des Änderungsentwurfes wurde einstimmig angenommen.

Während der Auflage gab es seitens der Fachabteilung 13B dazu Einwendungen: "Aufgrund der Lage und Flächengröße könnten negative Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild im Grüngürtel entstehen. Eine Spezifizierung der Sportnutzung sei vorzunehmen. Eine Beschränkung der Bruttogeschoßfläche sei rechtlich nicht möglich."

Die Antwort der Stadt Graz auf diese Einwendung lautete:

"Die Rücksichtnahme auf das Landschaftsbild war dem Gemeinderat bei der Beschlussfassung über den Entwurf zum Änderungspunkt 14 (Northland) ein wesentliches Anliegen. Als Voraussetzung für die endgültige Beschlussfassung wurde vom Gemeinderat daher die Vorlage eines entsprechenden Projektes verlangt, welches geeignet ist, die Einfügung in den Landschaftsraum nachzuweisen." Dieses wurde im Juni 2007 von Northland vorgelegt und vom Stadtplanungsamt geprüft. Die Beschränkung der Bruttogeschoßfläche auf 550 m2 sei vom Gesetz zwar nicht vorgesehen aber die einzige Möglichkeit, die Baumasse auf ein gebietsverträgliches Maß einzuschränken. Northland hätte dies akzeptiert.

Eine weitere Einwendung dazu kam von der FA 17B – Amtssachverständigendienst. "Zum Änderungspunkt 14 – Northland Grabenstraße wird eingewendet, dass das Planungsgebiet in einer sehr sensiblen Grünraumlage im Nahbereich zur historisch bedeutenden Bauten (Grabenvilla, Klosteranlage) liegt und bei unsensibler Planung eine große Gefahr für das Straßen- Ort- und Landschaftsbild besteht."

Interessanterweise wurden weder von der Fachabteilung 13C- Naturschutz noch vom Bezirksnaturschutzbeauftragten Einwendungen erhoben!

Nach dem Aus- und Umbau des großen Bestandsgebäudes 2008 errichtete eine mit Northland verschränkte Firma 2012 einen Neubau mit 15 Mietwohnungen und einer zweiten Erschließungsstraße. Im Internet finden sich Vermietungsanzeigen der Firma S.A. Immobilien aus dem Jahre 2012. Als Ansprechperson fungierte eine Geschäftsführerin von Northland. Das alte Nebengebäude, das laut GR-Sitzung April 2007 für eine Sportnutzung ausgebaut werden hätte sollen, wurde eliminiert.

Wie konnte dieser Neubau mit Wohnnutzung im Freiland mit Sondernutzung Sport gebaut werden, wenn Planungsreferent Rüsch 2017 versicherte, Bauvorhaben müssen genau dem Zweck 'Freiland, Sondernutzung Sport' entsprechen? Auch die auf 550 m2 BGF beschränkte Baumasse wurde um Vieles überschritten.

Wie konnte der Naturschutzbeauftrage dazu eine positive Stellungnahme abgeben? Oder hat der Baumaßnahme mehr öffentliches Interesse gegolten als der Bewahrung von Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen? Zu diesen Abänderungen gegenüber dem ursprünglichen Bauvorhaben für eine Trainingshalle findet sich nichts im Netz.

In einer von der WKO 2013 herausgegebenen Broschüre ist zu lesen: „Erst unlängst verlagerte Northland sein Headquarter in die alte Bürgermeistervilla in der Grabenstraße und errichtete dort auf 10.000 Quadratmetern einen Themenpark. Wir zeigen unseren Kunden oft die schöne Umgebung der Steiermark und verbinden so Freizeit mit Geschäftlichem, der neue Sitz passt nun perfekt zum Image von Northland“.

Wo ist dieser Themenpark hingekommen, gab es ihn überhaupt jemals? 2012 waren die Neubau-Wohnungen schon fertiggestellt.

Im aktuellen FLÄWI 4.0 ist für diese Grundstück noch immer die Sondernutzung 'Sport' ausgewiesen.
Auf der Homepage von Firma Northland liest man unter unsere Philosophie: „Wertschätzung und Sorgfalt im Umgang mit der Natur und unseren Mitmenschen sind uns wichtig“. Diese Haltung scheint für die Baumaßnahmen am Areal des neuen Firmensitzes in der Grabenstraß 90c sichtlich keine Rolle gespielt zu haben.

Laukhardt

auf Antworten werden wir vergeblich warten. Nicht einmal auf aktuellstes Klarstellungsbegehren von Bürgern ist ausreichend Aufklärung zu ergattern. Ich darf erinnern: Österreich ist der letzte westliche Staat, der noch an der Amtsverschwiegenheit von weiland Graf Metternich eisern festhält - und das sogar als Punkt in der Verfassung. Natürlich gibt es eine Auskunftspflicht von Ämtern und Behörden, aber die gilt dann nicht, wenn …. erraten: wenn es die Amtsverschwiegenheit nicht zulässt. Bitte, nicht lachen, es ist bitterer Ernst.
Zum Ort des Geschehens eine Ergänzung aus der Sicht des Stadthistorikers: der kleine Hügel, auf dem die Bürgermeistervilla steht, war mit ziemlicher Sicherheit der Standort der kleinen Burg der Ritter vom Graben. Das vor etlichen Jahren abgerissene alte Gebäude an der Straße war die zugehörige Schmiede, und an der Ecke Grabenstraße - Hochsteingasse stand der Meierhof der Burg, aus dem sich später das Schloss Grabenhofen entwickelte (Grabenstraße 86). Wenn hier bald auch die Spitzhacke Platz für die Wirtschaftskammer machen wird, könnte man ja vielleicht noch Reste bergen. Zu blöd, jetzt ist mir das herausgerutscht! Man wird vermutlich rechtzeitig dafür sorgen, dass nichts, aber auch gar nichts zu finden sein wird; das würde ja alles unnötig aufhalten.

Mi. 13/05/2020 7:27 Permalink
Gut-beob-achter

Wie qualifiziert man sich als Gutachter/Gutachterin für die angeblich ehrenamtlich tätige Altstadtkommission? Die Frage stellt sich mir nach diesem Fehlurteil, wenn man offensichtlich nicht einmal erkennen kann, was die Qualitäten des Geidorfviertels und seiner Blockbebauungen mit den großen Höfen ausmacht. Wird als nächstes die Verbauung des Freibades drankommen, gutgeheißen unter dem Motto der von unserer Politik und Stadtplanung anscheinend undifferenziert ausgerufenen notwendigen "Verdichtung" der Stadt? Kann mir das bitte jemand erklären.

So. 10/01/2021 5:23 Permalink
Claudia Beiser

Zu allem was so stillschweigend übergangen wurde, passt auch die Tatsache, dass die Bürgermeistervilla bis 1938 Armin Spitz, dem Schuhhändler aus der Herrengasse gehörte, arisiert wurde und damals so ins öffentliche Eigentum der Stadt Graz rutschte...

Do. 31/12/2020 4:10 Permalink
Claudia Beiser

Antwort auf von Claudia Beiser

Nach sorgfältiger Recherche muss ich korrigieren, die durch die Stadt der Volkserhebung arisierte Villa von Armin Spitz ist in der Lenaugasse 6.

Mo. 04/01/2021 11:19 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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