08/06/2017

Die ZV Steiermark startete am 17.05.2017 im Forum Stadtpark Graz ihre Diskussionsreihe Ansprechen mit dem Thema öffentlicher Raum.

Die Reihe wird Themen aus Raumplanung, Städtebau, Wohnbau, Architekturpolitik etc. diskutieren.

Ansprechen 01 mit

  • Bernhard Inninger, Stadtplanungsamt Graz
  • Thomas Fischer, Straßenamt Graz
  • Anke Strittmatter, Architektin
  • Robert Kutscha, Koala Landschaftsplanung
  • Michael Wrentschur, Interact

Moderation: Martin Brischnik, ZV Steiermark

Nächster Termin
Ansprechen 02 zu
gefördertem Wohnbau
21.06.2017

08/06/2017

Martin Brischnik, Begrüßung Franziska Hederer, Forum Stadtpark, Thomas Fischer, Michael Wrentschur

©: Iulius Popa

Martin Brischnik, Robert Kutscha, Thomas Fischer, Michael Wrentschur

©: Iulius Popa

Anke Strittmatter, Bernhard Inninger, Martin Brischnik, Robert Kutscha

©: Iulius Popa

Plätze, Wege, Grünflächen – sie alle sind öffentlicher Raum und unterscheiden sich doch in vielen Aspekten. Was charakterisiert diese Orte wirklich? Was macht sie zu einem Raum? Sind sie real öffentlich verfügbare Räume?
Über Jahrzehnte ist das Bewusstsein für den öffentlichen Raum als Bestandteil unseres urbanen Zusammenlebens gewachsen – so weit dass seine Existenz fast schon selbstverständlich scheint. Doch die steten und oftmals unbewussten Einschränkungen in seinem Charakter und seiner Qualität als real gelebter Raum der Inklusion, zeigen den Bedarf einer verstärkten Auseinandersetzung mit ihm. Die ZV Steiermark nahm dies als Anlass, die neue Diskussionsreihe Ansprechen mit diesem Thema zu starten.

Worüber an diesem Abend gesprochen werden sollte, zeigte Martin Brischnik mit seiner Zusammenfassung der Entwicklung des öffentlichen Raums in Graz. Seine Komplexität wurde durch die nachhfolgenden unterschiedlichen Definitionen der DiskussionsteilnemerInnen aus Stadt, Kunst, Bildung und Planung (s. Infobox) noch verstärkt. Doch auch wenn es verschiedenes Begriffsverständnis gab, so lag die jeweilige Sicht zur Situation des öffentlichen Raums in Graz sehr nahe an der Wahrnehmung der anderen GesprächspartnerInnen. Dadurch ergab sich eine konstruktive Diskussionsbasis und kommunikative Stimmung, die zweifelnde und kritische Stimmen zuließ.
So verwunderte die Offenheit, mit der der einheitliche Konsens in der Forderung nach einer Reduzierung der Auflagen für den öffentlichen Raum formuliert wurde, fast nicht mehr. Dieses Anliegen brachte auch ein generelles Problem unserer Gesellschaft zutage: denn die Auflagenflut – so Thomas Fischer – sei Folge eines Verlusts an Eigenverantwortung. Vorherrschend sehe sich die Stadt leider vermehrt mit Schuldfragen bei Rechtsstreitigkeiten konfrontiert, die wiederum Forderungen nach mehr Regulierung mit sich brächten. Diese würden sich dann leider direkt als eine Art Korsett auf Nutzung und Leben im öffentlichen Raum auswirken.
Das führte zum derzeit aktuellen Thema: Veranstaltungen im öffentlichen Raum und ihr kommerzieller oder non-profit Charakter – wie die Diskussion um den Flohmarkt Annenstraße. Anke Strittmatter nutzte in dem Zusammenhang die Möglichkeit einer direkten Frage an die Planer der Stadt: Gäbe es je nach wirtschaftlicher Bedeutung des Antragsstellers Unterschiede bei der Zusage? Denn es sei bemerkenswert, wie die Zahl der Veranstaltungen mit kommerzieller Nutzung in diesem eigentlich nicht restriktiven Raum in Graz steige. Ein Verneinen der Vertreter der Stadt kam vehement, doch sei ihnen wie vorher erläutert die Auflagenflut für solcherlei Ansuchen und damit unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten bewusst; hier müsse etwas geschehen. Doch Bernhard Inninger betonte, dass bei jeglichen Aktionen im öffentlichen Raum, es eine Regelung geben müsse: die der Begrenzung der Veranstaltungsanzahl. Denn beim derzeitigen Trend würde Graz sonst zur „Spaßstadt“ degradiert. Anke Strittmatter bestätigte, dass es leider eine europaweite Entwicklung sei. Ein Paradigmenwechsel sei wichtig, so kamen beide überein.
Interessant hierzu war der Einwand von Michael Wrentschnur, dass es eigentlich bei der Diskussion nicht allein um kommerzielle oder nicht kommerzielle Nutzung im öffentlichen Raum gehen dürfe. Vielmehr müsse auf eine hier bestehende soziale Ungerechtigkeit hingewiesen werden. Denn was er aus seinen Kunstprojekten im urbanen Umfeld gelernt habe, sei sehr wohl eine Zugangskontrolle zu diesem vordergründig „gerechten“ Raum. Die Barriere sei nicht physisch sondern sozial im Umgang erlebbar. So würden gewisse Gruppen normalerweise einen öffentlichen Raum außerhalb ihres Viertels nie betreten. Die „Kunst des Sitzenbleibens“ einiger Gruppen habe ihn zu Kunstprojekten angeregt.

Die angesprochenen Fragen des Abends zeigten bereits welch neuralgischer Charakter dem öffentlichen Raum inne liegt. Doch wieviel Planung verträgt solch ein Raum? Wie stehen die Planer hierzu? Ein wichtiger Einwand kam seitens eines Architekten aus dem Publikum, der die Forderung nach Gestaltung öffentlichen Raums in Wettbewerbsausschreibungen als fragwürdig erachtete. Ein Aneignen der Nutzer zulassen, ergebe hochwertigen öffentlichen Raum wie seine Erfahrung zeige. Wie sehe dies in den geplanten Stadtentwicklungsprojekten wie Reininghaus und Smart City aus? Seitens des Planers konnte Robert Kutscha dem Architekten zustimmen – ein Gleichgewicht sei sinnvoll. Er könne aber auch einen Paradigmenwechsel seitens der Stadt festmachen. Den teilweise fehlenden Innovationsgehalt der Stadt begründete Inninger mit einer meist fehlenden Bereitschaft seitens der Projekteigentümer. Aber übereinstimmend konnte festgehalten werden, dass hier Vermittlungsarbeit für das Verständnis des Mehrwerts solcher Bereitstellung notwendig sei, um langfristig zu wirken.

Ein Rat kam dieses Mal aus der Runde an die Stadt: auch den Stillen Gehör geben – eben nicht nach dem Motto: wer am lautesten schreit, bekommt was er will. Dies scheint zumindest der Fall, wenn es um die Datenerhebung im öffentlichen Raum gehe – wie dem Hauptplatz. Denn Inninger erklärte, dass die Stadt Graz gerade im Abschluss einer Novelle zur Datensicherheit, Umgang und Ausmaß der Zulassung für Datenerhebung sei, die  bald veröffentlicht werde. Dies sehe er als guten Schritt in die richtige Richtung für den öffentlichen Raum und die Rechte unserer Gesellschaft.
Nachdenklich stimmte allerdings zum Thema Kontrolle Franziska Hederers (ForumStadtpark) Hinweis: in den aktuellen Sicherheitsrichtlinien der Stadt Graz werde eine „Sicherheitsarchitektur“ gefordert. Wie passt solch ein Begriff zu den angesprochenen Bestrebungen im öffentlichen Raum? Hier sollten ArchitektInnen und BürgerInnen aufhorchen und die Stadt derartige Forderungen hinterfragen.

Ein Fazit des Abends? Vielleicht dieses: Öffentlicher Raum ist ein Zeichen des Bedürfnisses nach einem Raum für den respektvollen offenen Diskurs und gemeinsamen Lebens in einer Gesellschaft – und so facettenreich diese ist, genauso  sollte auch der für sie zur Verfügung stehende Raum sein.

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