19/06/2017

MINUS – Platz der Begegnung
Ein städtischer Platz, der kulturelle Vielfalt verspricht, jedoch nicht angenommen wird

In der Kommentar-Reihe
PLUS / MINUS werden kurz und bündig positive wie negative Gestaltungen und Details aufgezeigt, die das Auge erfreuen oder beleidigen.

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19/06/2017
©: Susanne Nahold
©: Susanne Nahold

Städtische Plätze gehören zu Graz so wie das Kernöl zur Steiermark. Sie machen unsere Stadt lebenswerter und ermöglichen Begegnungsflächen für Menschen aus allen Vierteln. Leider funktionieren nicht alle Plätze in Graz wie zum Beispiel der Platz der Begegnung, welcher sich zwischen der NMS St. Andrä und dem Bad zur Sonne befindet.
2011 wurde der Platz bereits umgestaltet. Damals wurde das Projekt von Lili Rabitsch, die Lehrerin an der NMS St.Andrä ist, ins Leben gerufen. Der Appell an die Stadt war deutlich: Man wünscht sich einen bunten Platz für Menschen, besonders für die Kinder, und nicht für Autos. Auszug aus der Annenpost vom Februar 2014, geschrieben von Jessica Braunegger:
"Die Umgestaltung startete im Juni 2011. Dabei bemalten die SchülerInnen die insgesamt 34 Betonpoller mit den Nationalflaggen ihrer Herkunftsländer. Die Flaggen sollten die kulturelle Vielfalt der NMS St. Andrä und des Bezirks Gries widerspiegeln. Der Graffittikünstler Neo besprühte das Generatorhaus in der Platzmitte mit kunterbunten Figuren und Steckdosen und brachte deutlich mehr Farbe ins Spiel. Anstelle der Parkplätze traten nun Bäume und Sitzmöglichkeiten, die Passanten und Anrainer zum Verweilen einladen sollen."

Doch wie sieht es heute aus? Der Platz ist tatsächlich bunter geworden, allerdings findet man dort keinen verweilenden Menschen. Die Verkehrssituation scheint bizarr: Direkt vor dem Schuleingang fahren noch immer die Autos aus dem angrenzenden Privatparkplatz vorbei. Auf dem gesamten Platz findet man, auch zwischen den Sitzgelegenheiten, abgestellte Räder. Der Platz wirkt insgesamt trostlos und verloren. Der Gedanke, diesen Platz als Aushängeschild der kulturellen Vielfalt zu ernennen, ist vielversprechend. Allerdings scheitert die Idee an der Umsetzung. Ein bisschen Farbe alleine hilft bei dieser urbanen Herausforderung nicht. Doch wieso funktioniert dieser Platz nicht? Als Stadtbesucher nehmen wir Plätze als selbstverständlich wahr. Jedoch verbirgt sich hinter jedem Platz eine Struktur. Wir brauchen diese, denn ohne sie wissen wir nicht, welche Zonen es gibt und ob wir diese nutzen können. Hier fehlt die Struktur vollends, der Besucher weiß nicht, ob er sich auf einem Parkplatz oder einem Radabstellplatz befindet.
Jeder funktionierende Platz schafft qualitativen Lebensraum für Menschen. Man muss sich dabei immer die Frage stellen: "Würde ich hier meine Zeit verbringen wollen? Würde ich mich hier mit einem guten Buch hinsetzen und nebenbei dem städtischen Treiben lauschen?" Leider kann ich diese Fragen beim Platz der Begegnung nur mit einem deutlichen Nein beantworten.

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