06/09/2017

PLUS / MINUS – Tore in die Stadt

MINUS: Das Tor zum Griesplatz
Albert-Schweitzer-Gasse 49, 8020 Graz

In der Kommentar-Reihe PLUS / MINUS werden kurz und bündig positive wie negative Gestaltungen und Details aufgezeigt, die das Auge erfreuen oder beleidigen.

Sollten Sie, werte Leserin und werter Leser, auch bemerkenswerte Entdeckungen im öffentlichen Raum machen, so laden wir Sie ein, diese abzulichten und im jpg-Format mit einem kurzen Text und Ihrem Namen per eMail an redaktion@gat.st zu senden. GAT wählt die interessantesten Beiträge aus und veröffentlicht sie prompt.

06/09/2017

Annnäherung zum Griesplatz vom Süden über die Karlauerstraße

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Das Projekt 'Tor zum Griesplatz' (links) und der 'Rankenhof' (rechts)

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Das Projekt 'Tor zum Griesplatz'

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Blick von der Karlauerstraße in die Albert-Schweizer-Gasse

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Karlauerstraße, grüner Vorplatz Polizeiinspektion

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Baustelle Stadlgasse / Rankengasse, Blick nach Westen zum 'Tor zum Griesplatz'

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Griesplatz, Blick Richtung Süden: sichtbare Überschreitung der üblichen Gebäudehöhen

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Griesplatz, Blick Richtung Süden

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

MINUS: Das Tor zum Griesplatz

Dass Tore im Fußball immer eine Rolle spielen werden, ist irgendwie klar, aber dass sie im 21. Jahrhundert Stadttore in der Architektur bei den Architekten und Immobilienentwicklern so en vogue sind, erstaunt schon einigermaßen. Idyllen bzw. Paradiese suggerierende blumige Projektbezeichnungen sind ja schon lange Teil des Verkaufsmarketings. Man erinnere sich an Wohnidylle, Wohnparadies, Paradies im Grünen, Grüne Oase, Oasis und so weiter. Wohnanlagen als Oase zu bezeichnen ist schon seltsam, bedeutet es doch, dass um das beworbene Objekt Wüste liegt – also der Rest von Graz wäre demnach Wüste.
Seit zwei, drei Jahren taucht in Graz nun der Begriff Stadttor in der Immobilienvermarktung auf. So wird das Brauhausquartier in Puntigam als Tor zur Stadt vermarktet, das Projekt beim Stadion Liebenau als Ost. - Wohnen am Stadttor bereits im Wettbewerb als Citygate ausgelobt, und auch das Großprojekt am ehemaligen Areal Euroshopping am Grillweg soll laut Stadtbaudirektion Graz ein neues Stadttor werden.
Nun stellt sich schon die Frage, wozu all diese Tore, wir leben ja nicht mehr im Mittelalter?
Definition Stadttor laut Wikipedia: "Ein Stadttor war bis zur frühen Neuzeit der meist besonders verstärkte Durchlass durch die Ringmauer einer Stadt. Türme und Tore dienten neben der Stadtmauer dazu, den Stadtkern gegenüber Feinden zu schützen. Im 19. Jahrhundert wurden repräsentative Stadttore ohne militärische Funktion errichtet, die jedoch beispielsweise zur Zollerhebung oder zur Kontrolle der Nachtruhe – sogenannte 'Torsperre' ('kurz vor Toresschluss') – dienten. Diese waren oft in klassischer und repräsentativer Bauweise gestaltet. Diese Torsperre wurde Ende des 19. Jahrhunderts in den einzelnen Städten sukzessive aufgehoben."
Aber nun zum Tor zum Griesplatz: Am Werbeplakat am Bauzaun steht: "Das Tor zum Griesplatz. Modern-zentral-markant." Die Homepage des Maklers verrät weiter: "...Mit seiner markanten Fassade und der prägnanten Situierung des Gebäudes – man fährt vom Karlauergürtel kommend bei der Einfahrt zum Griesplatz quasi direkt auf das Gebäude zu – ist eine ausreichende Werbewirksamkeit und gute Frequentierung sowie gute Erreichbarkeit des Gebäudes gegeben. ... Stylisches Büro im Zentrum und exklusiver Miettraum".
Auch noch so viel Eigenwerbung schafft es nicht, das Gebäude schön zu reden. Hier wurde der Maßstab total gesprengt und das wohl mit Zustimmung der Stadtplanung und auch des Gestaltungsbeirats; denn das Gebäude hat 4000 m2 Nutzfläche. Irgendwie scheint es, als ob ein „Dichtemonster“ sich um das Eckgrundstück herumbiegen würde ohne auf die Umgebung, wie das denkmalgeschützte Albert-Schweitzer-Krankenhaus, das Polizeigebäude mit seinem gestalteten, urbanen Vorbereich oder die Verbauung am Griesplatz Bezug zu nehmen.
Vorher befanden sich auf diesem Eckgrundstück ein altes Vorstadthaus und der Lagerplatz einer Baufirma, das Haus runtergekommen, der Lagerplatz ein Schandfleck, aber das Grundstück hatte hohes Potenzial. Dieses wurde jetzt vernichtet, dafür Höchstdichten konsumiert und das Grundstück zu 100% versiegelt.
Kein Versuch, die westliche Baumallee vom Griesplatz weiterzuführen, kein Versuch öffentlichen Raum am markanten Eck zu schaffen, kein Versuch zum Flanieren einzuladen und breite Gehsteige zu schaffen. Nur maximale Baumasse, irgendwie „markant und prägnant“ im Sinne des Bauherren.
Die Metapher eines Tores zum Griesplatz wird im negativen Sinne in vollem Umfang Realität werden, wenn der erst begonnene, gegenüber liegende „Rankenhof“ mit einer Dichte von 2,57 fertiggestellt sein wird. Beide Gebäude werden sich mit ihren Architekturkanten so verschneiden, dass die bisher vorhandene Sichtachse zum Griesplatz und weiter zum Schöckl von Süden kommend nicht mehr existent sein wird. Das scheint den Werbetextern vom Rankenhof aber noch nicht bekannt zu sein, immerhin versprechen sie: „Wenn aus Wohnen Wohlfühlen wird“ bzw. „Wir erschaffen urbane Lebensräume“.

Anonymous

Ja die Gehsteige sind in Graz oft zu schmal weil die Straßen noch aus der Zeit rückständiger dörfischer Strukturen stammen, nur die während der Gründerzeit neu entstandenen urbanen Strassen haben durchwegs fussgängerfreundliche Dimensionen.
Das man sich hierbei nicht traut dem Individualverkehr Platz wegzunehmen ist realitätsfern, die E-mobilität wird die Lärm/Abgasproblematik in den Städten lösen aber die Staus werden immer länger werden wenn man nicht gegensteuert..
Der Artikel ist leider wie immer voll der üblichen anti Dichte Polemik obwohl Städte ja durch ihre Dichte zu Städten werden und das zersiedelte Graz hier im Gegensatz zu Wien oder Linz enormen Nachverdichtungsbedarf aufweist.
Graz leidet verkehrsmässig unter den Autoverkehr verursachenden niedrigen Dichten in den Aussenbezirken und besonders im Speckgürtel die zu einer autozentrierten Lebensweise animieren, dies sollte man kritisieren und nicht Projekte mit umweltfreundlich hohen Bebauungsdichten.
.

Fr. 29/09/2017 3:17 Permalink
Elisabeth Lechner

Antwort auf von Anonymous

sehr geehrte/r Herr/Frau Anonymus.
Erklären Sie mir bitte, was an diesem Projekt mit Bebauungsdichte von 2,5 umweltfreundlich ist? Möglicherweise hat sich mir diees Umweltfreundlichkeit noch nicht erschlossen.
Weiters würde mich interessieren, was in diesem Beitrag die übliche Anti-Dichtepolemik ist.? Im Beitrag geht es nicht um Dichtekritik, wenn Sie ihn genau lesen.

So. 01/10/2017 6:02 Permalink
Anonymous

Antwort auf von Elisabeth Lechner

Liebe Frau Lechner!
Ich entschuldige mich mal im voraus hier anonym zu posten/antworten!
Wie das Thema Murkraftwerk verursacht auch das Thema Neubauten/Nachverdichtung viele Emotionen und leider gibt es auch hier Fanatiker.
Umweltfreundlich: Der sparsame Umgang mit der resource Boden ist in Österreich selten wie die vielen Einfamilienhäuser/Gewerbebauten auf der grünen Wiese und die darauffolgenden Strassenausbauten bezeugen.
Hohe Dichten sind ein sparsamer Umgang mit dieser Resource und daher umweltfreundlich besonders weil dieser Neubau auf einer "brownfield site" gebaut wird.
Das Verfallen lassen des Bestandsgebäudes aus dem vermutlich 17Jh ist dagegen für mich absolut nicht in Ordnung aber das ist eine andere Geschichte...
Dichtekritik: "Dichtemonster" klingt nicht nach positiver Meinung über Dichte, ja es wird in Graz schon eindeutig sehr "investorenfreundliche" Stadtplanung betrieben was kein Wunder ist wenn man bedenkt das Graz in den 1980/90er Jahren von Investoren eher gemieden wurde und wirtschaftlich am Niedergang war weil immer mehr Firmen/Geschäfte und auch die Wohnbevölkerung aus der Stadt nach GU geflüchtet sind.
Ich bin aber schon froh über die heutige positive wirtschaftliche Entwicklung mit dem Zuwachs an Firmen/Arbeitsplätzen in Graz auch wenn sicher nicht alles 100% richtig gehandhabt wird von der Stadtplanung/Politik in Graz.

Mo. 09/10/2017 12:01 Permalink
Elisabeth Lechner

Antwort auf von Anonymous

Danke für ihre Antwort, nun ist mir völlig klar, dass Sie rein gar nichts von meinem kritischen Kommentar zum Trend, Torsituationen zu bauen, oder Projekte als Tore zu vermarkten, verstanden haben.
Auch verwenden Sie den Terminus brownfield site hier falsch. Das war keine Industriebrache, sondern ein Grundstück mit einem heruntergekommen Gebäude. Und noch ein Nebensatz zu Ihrer Nichtbeantwortung meiner Frage, warum dbei dieser Vebauung die Dichte umweltfreundlich sei: hohe Dichten sind per se nicht umweltfreundlich, schon gar nicht, wenn 100% des Grundstückes versiegelt werden. Intelligente, nachhaltige Verdichtung ist etwas komplexer und wird von mir auch nicht kritisiert.

Di. 10/10/2017 9:21 Permalink
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