21/06/2016

Privatissimum vom Grilj


Jeden 3. Dienstag im Monat

Zur Person
Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

21/06/2016
©: Mathias Grilj

Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.

In deinen Küssen welche Liebe,

O welche Wonne, welcher Schmerz!
(Goethe)

Eine Beratergruppe nahm jüngst
die Grazer Bühnen unter die Lupe
und fand bei den Besuchern
drei markante Kritikpunkte:
Die Werke seien zu schwierig,
der Dresscode extrem störend
und die Karten zu teuer.
(Kleine Zeitung)

Schurken mit gutem Gewissen.
(Voltaire)

Hier ist so ein nutzloses Spielchen,
gekritzelt von einem Fossilchen.
Du hast es bald satt
und sagst glatt zu dem Blatt:
Jetzt wird es mir aber zu vielchen.
(M.G.)

Gegenden mit Pünktchen und...

Kaum kannst du in der Fremde endlich mit dem Gasherd so umgehen, dass die Drei-Minuten-Eier für das Frühstück keine harten werden, kommt schon die Heimreise. Und kaum hat man sich an die Anordnung des Bestecks in der fremde Küchenlade so gewöhnt, dass man blind das richtige herausfischen kann, dann...

Kaum hat man sich angewöhnt, mancherorts im Straßenverkehr erst rechts und dann nach links zu blicken... und kaum ist man ein bisschen street-smart und weiß, dass das Queren der Straße – in Kairo, Moskau, Sao Paulo – ein Gottesurteil bedeutet: wer überlebt, ist schuldlos wie ein Säugling – dann geht es wieder ins Gemächliche des Daheims...

Kaum werden die Strecken zwischen der Wohnung oder dem Hotel - und dem Cafe Gerbeaud (Budapest), der Trafika (Istrien) oder dem Vinarium Zweifel (Aarau in Aargau) viel kürzer als am ersten Tag, als alle Eingeborenen sagten: „Da drüben, nur ein paar Schritte...“, was sich dann dahinzog, aber kaum sind es tatsächlich nur wenige Schritte, ist der Aufenthalt auch schon... Als Frage bleibt: warum werden Entfernungen kürzer, wenn man die Gegend kennt?

Kaum sind ein paar sprachliche Souvenirs gefunden, die sich heiter anhören, die besten passieren im Verhören: Was wie „Tschernooobyl“ klang, war „Schön´ooobi“ und wünschte „Schönen Abend!“... Sie erwecken Erinnerungen an mein erstes Mal Graz. Am Hauptplatz schrie ein Ägypter „Clemens ist dumm!“. Was ist, hab ich gefragt, nur mit dem Kerl los? Ach, er hat „Kleeene Zedunnn“ gerufen und „Kleine Zeitung“ gemeint, die er verkaufen wollte...

Kaum wurde bei Liebessachen gelernt, sich im Bett zart und sachte zu rühren, der Drahtrost ist auf den vier Holzklötzen nicht festgeschraubt, weshalb die Konstruktion vor dem Höhepunkt gern kippt, und der Krach weckt dann das ganze Haus in der Rua da Madalena... und wir beide kommen aus dem Lachen nicht heraus und... Freilich lässt sich das in Lissabon Geübte später auf stabilerem Mobiliar auch schön und verschwitzt und voller Begeisterung und... aber manchmal wünschte man so eine elendige und provisorische Konstruktion wieder herbei, weil...

Kaum verknüpft der Kopf caldo nicht mehr reflexhaft mit kalt, kaum ist der Humor des Installateurs, der im Bad bei der Armatur Rot und Blau vertauscht hat, hingenommen, geht es wieder in Richtung des gewohnten (wie wir Experten sagen:) Einhebelmischers...

Kaum hast du – in der Wohnung, von Bekannten überlassen – dich darauf eingestellt, auf welche Dielenstellen man nachts nicht treten darf, damit die Schlafenden von Knarzen und Quietschen nicht erwachen und... und wo man im Finstern eine Kurve um die Zimmerpalme macht, die mit ihren tausend spitzen Speeren lauert... so beginnt sich im Voraus – „Im Vorhaus?“ -  die Sehnsucht nach Knarzen und Quietschen und Stechen zu regen, weil man sie jetzt schon vermisst...

So ungefähr geht das. Und da geht noch viel mehr. Und dann ist es schon wieder Zeit...

 

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