19/11/2013

Privatissimum vom Grilj
Jeden 3. Dienstag im Monat

Zur Person:
Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

19/11/2013

Mathias Grilj

©: Mathias Grilj

Von Terror und ... und von meiner Zerknirschung

"Eines Tages wird der Mensch
den Lärm ebenso unerbittlich
bekämpfen müssen wie die
Cholera und die Pest."
Robert Koch

Nun verhängt mir das Straßenamt eine Ordnungsstrafe von 100 Euro. Weil ich in einer nächtlichen Mail Ausdrücke getippt habe, die nicht höflich sind. Ich habe die Intelligenz von Beamten bezweifelt und ihnen jeden Wert bestritten. Wörtlich: "Beamtendepp". Wörtlich: "Nichtsnutz".

Wie es dazu kam: Seit Jahren leide ich unter dem Lärm der Blindenampel unter meinem Fenster. Sie ist gut gemeint, aber falsch verwirklicht. Komme ein blinder Mensch des Weges, drücke er einen Knopf, dann ginge ein höllisches Maschinengewehrgeknatter los, und er quere wie von Engeln geleitet die Gasse. So war es gemeint. Nur ist sie nicht als Blindenampel gekennzeichnet. Somit drückt jeder, im Glauben, er beeinflusse Rot-Grün. Er irrt - und er drückt. Ratatata. In meinem Arbeitszimmer liegt akustisch Syrien. Einmal habe ich einen Beamten am Telefon gebeten, diese Ampeln doch zu kennzeichnen, damit nicht jeder Passant drückt. Er hat mich ausgelacht: "Hahaha! Optische Kennzeichnung für Blinde!"

Nun hat der Magistrat neue Ampeln installiert. Die sind mit leuchtenden Girlanden versehen. Damit Blinde einen hübschen Anblick haben? Der Terror bleibt. In meiner zermürbten Verzweiflung wende ich mich also an den Lärmschutzbeauftragten - das war im Mai, in jener schaurigen Hitzeperiode, als auch das Ohropax in meinen Gehörgängen Entzündungen hervorrief. Ich schilderte auch ihm die Lage und kam danach zur Überlegung: "Aha, der Lärmschutzbeauftragte heißt so, weil er den Lärm schutzt!" Vom Straßenamt kam ein Wischi-Waschi-Wisch.

In Wien gibt es Blindenampeln, die als solche gekennzeichnet sind. Warum nicht in Graz? Graz ist anders? Welche Firma wurde mit dem Blindengirlandenampelauftrag bedacht? Und warum?

In der Nacht auf den 18. Mai, - ich war kaputt, zermürbt, verzweifelt, seit Tagen zum Wegschmeißen - zischte ich ein paar Bierflaschen aus in der Hoffnung, endlich doch noch Schlaf zu finden. Kein Blinder weit und breit auf der Gasse, aber trotzdem Ratatata. Dann: Quod scribsi, scribsi. Am Morgen des 18. Mai tippte ich um 6.54 Uhr dem Beamten zerknirscht eine Bitte um Entschuldigung - wegen meiner beleidigenden Ausdrücke. Aber die wurde, wie ich im November erfahre, nicht angenommen. Ich hätte das Ansehen des Amtes geschädigt - obschon ich das mit "Beamtendepp und Nichtsnutz" bis heute nicht öffentlich gemacht und keinem erzählt habe. Ich hätte das "Klima des Verfahrens" vergiftet. Es gab kein Verfahren, es gab nur mein flehentliches Bitten, das man offenbar auslacht.

Inzwischen habe ich gelesen, im Amt von Frau Vizebürgermeisterin Schröck könne man nicht arbeiten, weil unter ihrem Fenster ständig Haydn gespielt wird. Mit Haydn will man bekanntlich die Sandler vom Hauptplatz vertreiben, und für Frau Schröck ist Haydn eine Zumutung. Ach, tauschen wir doch die Plätze!

Conclusio I: Ich bin ein Depp. In jener schaurigen Nacht habe ich mir eine Blöße gegeben. Nun werden die "Beamtendeppen und Nichtsnutze" auf meiner hier spaßig zitierten Terminologie herumreiten und von der Sache - dem unnötigen Lärmterror - ablenken können.
Conclusio II: Man macht den Leuten das Leben zur Hölle, treibt sie in Schlaflosigkeit und quält sie mit gesundheitlichen Folgen. Und sobald sie sich wehren - manchmal mit überzogener Terminologie - knüppelt man sie mit Geldstrafen nieder. An den Zuständen ändert sich nichts.

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