13/08/2015

2019 wird das Bauhaus 100 Jahre alt.

2015 sucht projekt bauhaus Antworten auf die Frage

Kann Gestaltung Gesellschaft verändern?

projekt bauhaus sucht Ideen, Projekte und Arbeitsweisen, welche die Grenzen des Kulturbetriebs überschreiten und gesellschaftliche Perspektiven aufzeigen.

Eine wesentliche Intention von projekt bauhaus ist dabei, Hochschulen, die sich theoretisch sowie gestalterisch-experimentell mit Bauhausideen befassen, international zu vernetzten und ihnen Möglichkeiten des Austausches und der Interaktion zu bieten.

Verantwortliche Koordinatoren
Jesko Fezer, Nikolaus Kuhnert, Anh-Linh Ngo, Philipp Oswalt, Jan Wenzel – c/o ARCH+

Kontakt
discuss@projekt-bauhaus.de

13/08/2015

ARCH+ 'projekt bauhaus'

©: ARCH+

Im Jahr 2019 jährt sich die Gründung des Bauhauses zum hundertsten Mal. Aus diesem Anlass wurde das projekt bauhaus von einer transdisziplinären, internationalen Gruppe von Experten mit dem Ziel initiiert, in einem auf fünf Jahre angelegten Arbeitsprozess eine kritische Inventur der Bauhaus­ideen vorzunehmen und den utopischen Überschuss des Bauhauses für die Gegenwart fruchtbar zu machen.

2015: Versuch 1 – Kann Gestaltung Gesellschaft verändern?

Ausgangspunkt der ersten Versuchsanordnung ist der utopische Anspruch des Bauhauses, durch Gestaltung eine neue Gesellschaft zu erschaffen. Inwiefern hat sich dieser Anspruch eingelöst? Oder schreiben wir Gestaltern eine größere Wirksamkeit zu als dies der Fall ist? Einerseits wird dieser Anspruch heute unreflektiert für die Gestaltungsdisziplinen übernommen. Andererseits projiziert die Gesellschaft die Lösung offener Fragen, Interessenkonflikte und Widersprüche gerne auf Gestalter und Künstler als heilsbringende Experten, anstatt sich selber den Dingen zu stellen. I
st es überhaupt wünschenswert, dass Gestaltung Gesellschaft verändert?
Und trotz allem: Welche Gestaltungspraktiken gib es heute, die dieser utopischen Idee nahekommen?
Die drängenden Fragen gesellschaftlicher Transformationen – Wachstumskrisen und Schrumpfung, Klimawandel, Energiewende, Alterung, Digitalisierung u.v.m. – erfordern, über mögliche und wünschenswerte Zukünfte nachzudenken, bei aller Unkenntnis und Unsicherheit über das, was kommen wird.
Mit der Krise des utopischen Denkens im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts waren längerfristige und auch großmaßstäbliche Entwürfe vorübergehend in Verruf geraten.
Wie können wir uns heute aufs Neue und in veränderter Form vorstellen, Wandel und Zukunft zu gestalten?
Was sind gezielte, aber doch ergebnisoffene Arbeitsformen?
Welche Rolle spielt Co-Produktion?
Wie können wir die Entwicklungslogik kontinuierlicher Modernisierung gezielt beeinflussen und ihr emanzipative Ideen einschreiben?
Wie gehen wir in globalen Prozessen mit transkulturellen Fragen um?

selbstverständnis
Das historische Bauhaus hat mit seinem Gestaltungsbegriff nicht an der Gegenwart, sondern an einer ebenso absehbaren wie imaginierten Zukunft angesetzt. Es hat versucht, die Transformation von der handwerklichen zur industriellen Produktion, vom Laissez-faire-Kapitalismus zum Wohlfahrtsstaat fortschrittlich zu gestalten. Heute haben wir es mit den Spätfolgen dieser Prozesse zu tun. Es gilt, die Konsumgesellschaft durch Formen der Co-Produktion und Prosumption abzulösen, den Wandel von einer fossilen zur postfossilen Industriegesellschaft und von einer expansiven zu einer inklusiven Modernisierung zu gestalten. Die Fähigkeit des Kapitalismus, sich zu transformieren und Gegenpositionen zu absorbieren, begünstigt diese Veränderung und setzt ihr zugleich Grenzen.
In den 1920er Jahren sprach man von der Neuen Welt, dem Neuen Menschen, der Neuen Stadt, um vom Fluchtpunkt einer imaginierten Zukunft gegenwartsmächtig zu werden. Heute durchdringt die moderne Industriegesellschaft die ganze Lebenswelt. Es geht nicht mehr darum, eine neue Welt zu erfinden. Wir benötigen ein anderes Verständnis als jenes der klassischen Avantgarde von Erneuerung und dem Neuen. Deshalb ist eine grundsätzliche Kritik oder Radikalisierung der Moderne dringend geboten. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich die Perspektive einer Gestaltung als Re-Form der Gegenwart ab. 

Wir halten den Blick auf das Ganze für unverzichtbar, aber haben den positivistischen Glauben an die Möglichkeit eines umfassenden und vollständigen Verstehens der Welt, an die Einheitswissenschaft, verloren. Nicht auflösbare Widersprüche wie auch eine fundamentale Unvollständigkeit des Wissens und der Erkenntnis erfordert ein Agieren mit Unsicherheiten und Unwissen.

Wir interessieren uns für das Bauhaus aus der Perspektive der Gegenwart. Uns geht es nicht um die Fetischisierung und Mystifizierung eines Erbes. Wir halten wesentliche Teile der Programmatik der klassischen Moderne auch für die Gegenwart für wegweisend – sei es die Orientierung der Gestaltung am Gebrauch und an der Funktion, sei es der Glaube an die emanzipatorischen Möglichkeiten der Gestaltung, sei es, verschiedene Formen zeitgenössischen Wissens mit der Gestaltung zu verbinden und heutige Technologien zu nutzen, sei es Kritik an der Gegenwart durch Gestaltung.
Uns interessieren weniger die konkreten Produkte des Bauhauses als seine Ambitionen und Methoden. Im Sinne einer reflexiven Moderne gilt es, auch die Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte des historischen Bauhauses zu untersuchen und kritisch zu reflektieren, um auch aus den Fehlern und Sackgassen des Bauhauses lernen zu können. 

Erforderlich ist daher eine kritische Inventur.
Welche Ideen, Methoden und Konzepte des historischen Bauhauses können produktiv aufgegriffen und fortgeführt werden, welche sind zu verwerfen? Keineswegs alles, was das Bauhaus hervorgebracht hat, hat sich bewährt. Viele Widersprüche zwischen Anspruch, Praxis und Wirkung sind offenkundig geworden, und zuweilen ist die Intention selbst zu hinterfragen. Eine solche Inventur wird auch zwischen den verschiedenen Bauhäusern unterscheiden und sich mit den Differenzen zwischen diesen oft in Widerstreit und auch in Konflikten liegenden Positionen befassen müssen. 

Die Tendenz, Gestaltung als Werkzeug gesellschaftlicher Emanzipation weiterzuentwickeln und zu propagieren, muss selbst einer Kritik unterzogen werden.
Die Expansion der Gestaltung in alle Lebens- und Weltbereiche, von den Landschaften, Straßen und Städten bis hin zu den Arbeitsplätzen, der Wohnung und tiefer hinein in die Personen und ihre Beziehungen, in Nanostrukturen und Genome ist gegenwärtige Realität. Vor dem Hintergrund dieser Ästhetisierungen und Subjektivierungen von Herrschaft wäre im allgegenwärtigen Überfluss von Gestaltung möglicherweise deren Abwesenheit ein befreiendes Moment. Die Kritik von Gestaltung ist eine Voraussetzung, ihr emanzipatorisches Potenzial neu zu denken. 

Wir räumen ein, dass das historische Bauhaus nicht nur eine gesellschaftliche Idee von Gestaltung verfolgte, aber dies ist, was uns interessiert. Und wir räumen ein, dass wir keine Gewissheit haben, ob dieser Anspruch sinnvoll realisierbar und daher selber zu hinterfragen ist. Insofern bleibt es unverzichtbar, auch eine kritische Analyse der Geschichte vorzunehmen und die Wechselwirkungen zwischen Gestaltung und Gesellschaft genauer zu untersuchen.

Obwohl die Institution Bauhaus seit 80 Jahren geschlossen ist, ist für uns die Bauhausidee – die Grenzen der Disziplinen und die Fragmentierung der Moderne zu überwinden sowie mit Gestaltung Gesellschaft und Alltag zu verändern – als Anspruch unverändert relevant. 

Das Bauhaus ist heute Allgemeingut geworden und niemand kann eine Deutungshoheit hierüber für sich in Anspruch nehmen. Mit dem 100-jährigen Jubiläum wird es eine intensivierte Beschäftigung mit dem Bauhaus geben. Die Bauhausinstitutionen werden hierzu zentrale Beiträge erbringen. Ebenso werden zahlreiche Kulturinstitutionen, Hochschulen, Forscher und Gestalter aus aller Welt Projekte entwickeln und Position beziehen. Wir möchten uns in den Diskurs einbringen. Schon historisch hat das Bauhaus aus dem Widerstreit heterogener Positionen gelebt. Dies gilt heute mehr denn je: Wir wünschen uns eine lebendige, kontroverse Debatte um das Bauhaus. (Text: projekt bauhaus, s. Link rechts)


5 jahre – 5 versuche
Jedes Jahr im Januar veröffentlicht das projekt bauhaus eine neue Frage, um dann zum Jahresende die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit in einem Themenheft der Zeitschrift ARCH+ zu publizieren. Die Recherche und Debatte zum Thema werden je nach Fragestellung, Ressourcen und Kooperationen in verschiedener Form verfolgen, ob als öffentliche Diskussionen, Open Calls, Workshops, Wettbewerbe, Streitgespräche, Forschungsprojekte, Ausstellungen etc.

  • projekt bauhaus sucht Ideen, Projekte und Arbeitsweisen, welche die Grenzen des Kulturbetriebs überschreiten und gesellschaftliche Perspektiven aufzeigen.
  • projekt bauhaus sucht streitbare Positionen zu relevanten Fragen der Gegenwart.
  • projekt bauhaus bildet mit dem Fokus auf ausgewählte Fragen zur Gegenwart eine offene Plattform und ein wachsendes Netzwerk von freien Gestaltern und Forschern in Kooperation mit verschiedenen Hochschulen und Kulturinstitutionen.
  • projekt bauhaus ist keine abgegrenzte Gruppe.
  • projekt bauhaus ist für Ideen und Vorschläge jeglicher Art offen, bis hin zu assoziierten Lehr- und Ausstellungsprojekten u.v.m.
  • Eine wesentliche Intention von projekt bauhaus ist dabei, Hochschulen, die sich theoretisch sowie gestalterisch-experimentell mit Bauhausideen befassen, international zu vernetzten und ihnen Möglichkeiten des Austausches und der Interaktion zu bieten.

Co-Produktion
Einreichungen von Ideen, Texten und kommentierten Projekten zur Veröffentlichung sowie Kooperationsvorschläge, Kommentare und sonstige Debattenbeiträge richten Sie an:
coop@projekt-bauhaus.de

Für die Zukunft ist ein moderiertes Forum vorgesehen, um es jedem Interessierten zu erlauben, zur Debatte beizutragen.

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