18/06/2013
18/06/2013

1. Preis beim offenen, zweistufigen Realisierungswettbewerb "Bundesschulgebäude Bildungsquartier Wien 22., Seestadt Aspern"; Modellbild

Architektur: fasch&fuchs.architekten©: fasch&fuchs.architekten

1. Preis beim offenen, zweistufigen Realisierungswettbewerb "Bundesschulgebäude Bildungsquartier Wien 22., Seestadt Aspern"; Modellbild

©: fasch&fuchs.architekten

Mit ihrer erstplatzierten Einreichung zum Wettbewerb für das Bildungsquartier Aspern beweisen fasch&fuchs nicht zum ersten Mal, dass sie zu den Vordenkern neuer Wege im Schulbau zählen.

„Es ist ein Jammer. Nicht ein Bau, wo neues versucht wird. Die hervorstechendsten Unterschiede sind die Dachformen. Flach für Modern, Steil für Heimattreu, Flach geneigt für gesinnungslos. Aber sonst lauter Gangschulen. Die Baukörper die gleichen trostlosen Kästen wie seit hundert Jahren. Nur die Fassaden „zeitgemäß“. (1)
Hierzulande sollte dieses Resümee von Hans Alt zur „Unkultur im Schulbau“ grosso modo und recht lange Zeit gültig bleiben. Selbst heute noch kann man von Architekten Klagen darüber hören, wie unflexibel sowohl die Ausschreibungen für Schulbauten als auch manche Lehrer bzw. Jurymitglieder auf die Erfordernisse einer neuen Pädagogik reagieren würden. Im Gegensatz zu Großbritannien oder Skandinavien war in Österreich der Schulbau viel zu lange durch Ausschreibungsprogramme geprägt, die sich in architektonischer oder pädagogischer Hinsicht nur zaghaft neuen Lösungsansätzen gegenüber öffneten.

„Die Räume beginnen sich zu ändern, die Ausbildung der Lehrer hinkt neuen pädagogischen Konzepten aber hinterher“, kommentiert Hemma Fasch den Stand der Dinge und verweist gleichzeitig auf die bisher vom Büro fasch&fuchs umgesetzten Bildungsbauten. Bei der Sonderschule in Schwechat hat das Büro beispielsweise zusammenfließen lassen, was zu Alts Zeiten noch separiert und als solches nur ein architektonisches Ärgernis sein konnte. Die Vorgabe bestand darin, den körperlich oder geistig eingeschränkten Schülern ein Maximum an freien Bewegungsräumen anzubieten und das Ergebnis zeigt nicht bloß eine gelungene Verschränkung von Innen- und Außenraum, sondern auch im Inneren eine maximale Integration der einzelnen Raumabschnitte: „Offenheit statt Ausgrenzung, Bewegungsfreiheit statt Einschränkung“, urteilte Gabriele Kaiser. (2) Nicht nur symbolisch dafür steht der abgesenkte Turnsaal im Zentrum der kompakten Anlage: als „belebte Mitte“ oder „Herzstück des Gebäudes“, das nur durch Glas, Sprossenwände und ein Ballnetz von den ihn umgebenden Zonen abgetrennt ist und sich zum nördlich anschließenden Außenraum öffnen lässt.

Die Idee dazu stammt von Josef Lackner, dem Lehrer von Hemma Faschs Kompagnon Jakob Fuchs, und findet sich auch in anderen fasch&fuchs-Schulbauten umgesetzt. Wie in der Tourismusschule Bad Hofgastein, einem Anbau an ein Bestandsgebäude, der in seinen Richtungswechseln und Neigungen – wie etwa auch die Grazer Auster – ein weiteres Charakteristikum der Architektur von fasch&fuchs verdeutlicht. Heiliger als das orthogonale Raster ist ihnen ein möglichst gut belichtetes, weit anmutendes Raumkontinuum. 

Beim Wettbewerb für ein Bundesschulgebäude mit einer 28-klassigen AHS und einer 13-klassigen Berufsbildenden Schule im Bildungsquartier der Seestadt Aspern haben fasch&fuchs zuletzt gezeigt, wie kompakt sich ihre Leitideen umsetzen lassen.

Hier standen keinerlei Hemmnisse von Seiten der Lehrer im Weg, folgt die geplante Schule doch einem neuartigen pädagogischen Konzept, das den Unterricht in der Unterstufe im Cluster-System, in der Oberstufe aber nach amerikanischem Vorbild abwickeln will.

Während für die Unterstufe noch Stammklassenräume vorgesehen sind, diese aber in Clustern angeordnet werden sollen („je 4 Klassen werden mit einer offenen Lernzone, Garderoben und einem Sammlungsraum zu einem räumlichen Verbund zusammengefasst“) – soll der Unterricht für die Oberstufe und Berufsbildenden Schule nach dem Department- bzw. Fachgruppensystem organisiert sein: „Das bedeutet, dass die Räume den Gegenständen und den Lehrerinnen und Lehrern zugeordnet sind und den Schülerinnen und Schüler keine Stammklassen zur Verfügung stehen. Diese gehen zu den Lehrerinnen und Lehrern in den jeweiligen Unterricht. Die Schülerinnen und Schüler verfügen aber über sogenannte Homebases, die sowohl als Aufenthaltsräume als auch als Lernorte genutzt werden.“ (3)

Der Entwurf setzt diese Anforderungen in einer denkbar flexiblen Weise um, die auch auf eine optimale Durchlässigkeit zwischen innen und außen Bedacht nimmt. Sie wird nicht einfach nur durch großzügige Verglasungen insinuiert: Alle Unterrichtsräume, Lernzonen und Homebases sind zum an das Schulgelände anschließenden Hannah Arendt Park hin orientiert. Sowohl die Schüler der Unterstufe im ersten OG als auch die Oberstufe im zweiten OG haben direkten Zugang zu den ihnen jeweils vorgelagerten Freibereichen bzw. – über gestisch unmissverständliche Außentreppen – weiter zum Park. Der in das Gebäude integrierte Turnsaal auf Ebene -1 lässt sich ebenfalls zum Schulgarten bzw. einer terrassierten Arena hin öffnen. Der Oberstufe steht eine großflächige Dachterrasse samt sonnengeschützten Lerninseln und Chill-Out-Möglichkeiten zur Verfügung. Das Gebäude entwickelt sich um ein als „Schulwäldchen“ konzipiertes Atrium herum, das auch den innen liegenden Räumen beste Belichtung und „Außenraumbezüge“ gewährleistet.

Dementsprechend werden die Begrenzungen zwischen Schule und Umgebung im Freibereich als temporär interpretiert, können bei Veranstaltungen zum Park hin geöffnet werden. Auch zum Straßenraum hin ist, vor dem Hauptzugang am Maria-Trapp-Platz, ein mit Rampen, Sitzstufen und Bänken sehr einladend und kommunikationsorientierter Übergang zwischen Öffentlichkeit und Schule angedacht, der in einem übersichtlichen, durch Oberlichten freundlich gestimmten Indoor-Campus seine logische Fortsetzung findet. Überhaupt erscheint das Gebäude als terrassierte Landschaft oder Fortsetzung des Parks in Form eines bepflanzten „Bildungshügels“, wie es die Architekten in ihrem Entwurf nennen.

Auch der Standort kam der Vorstellung von Offenheit sehr entgegen, versteht sich die Seestadt Aspern, eines der größten derzeit laufenden Stadtentwicklungsprojekte, doch einer „Kultur des Aufteilens und Verbindens“ verpflichtet, was zum Beispiel auch bedeutet, dass mit den hier errichteten Gebäuden – gerade in den Sockelzonen – „die Kommunikation zwischen Innen und Außen angestoßen bzw. verstärkt werden soll“.  (4)
Mehr Anstoß und Verstärkung geht kaum!

(1) Hans Alt: Unkultur im Schulbau, in: Der Bau 19 (1964), H. 6, 314.
(2) Gabriele Kaiser: Ungezwungener Lebensraum, in: Deutsche Bauzeitung, 142 (2008), 10.

(3) Auslobungsunterlagen zum EU-weiten, offenen, zweistufigen Realisierungswettbewerb für das Bildungsquartier Wien 22, aspern, Die Seestadt Wiens, Baufeld D 18, Teilgebiet 2, 45.
(4) Ebd., 23 bzw. 32.

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