14/11/2022

Ein Kunstprojekt von Angelika Thon unter dem Titel „betonix“ für interessierte und betroffene Personen im Raum Gleisdorf zu den Themen Bodenversiegelung, Leerstand und Rückbau. Seit 2021 werden Erden gesammelt, versiegelte Böden und leerstehende Gebäude dokumentiert sowie Fotoportraits erstellt. „betonix I“ fand vom 30.6. bis 9.7.2022 im RHIZOM, Graz statt, „betonix II“ war vom 1. bis 15.10.2022 im Stadtpark in Gleisdorf zu sehen. Das Projekt wird fortlaufend realisiert in Kooperation mit: Bürgerinitiative wake up, Gleisdorf; Verein LAMES & Sonnenpark, NÖ; Lichtblicke – Neuigkeiten für Unverzagte; Kulturpakt Gleisdorf; Stadtgemeinde Gleisdorf/Kultur & Marketing, Mag. Eva Lassnig; FairWandelFest, Gleisdorf; Ökologische Tischlerei Puhr, Gleisdorf; Jugendforum Plan|G_ urban gardening Projekt Gleisdorf

14/11/2022

Ein Kunstprojekt von Angelika Thon zu den Themen Bodenversiegelung, Leerstand und Rückbau für interessierte und betroffene Personen im Raum Gleisdorf, seit 2021

©: Bettina Landl

„Gesammelte Erden" u.a.: Josefa-Posch-Straße 1 (Baubeginn Sept. 2021), Gleisdorfer Bundesstraße (Baubeginn Okt. 2021), Stefansplatz (Baubeginn März 2022)

©: Bettina Landl

Installation mit „gesammelten Erden" in Graz, RHIZOM, betonix I, 30.6.-9.7.2022 u. in Gleisdorf, Stadtpark, betonix II, 1.-15.10.2022

©: Bettina Landl

Fotodokumentation aller versiegelten Böden und leerstehenden Gebäuden in unmittelbarer Nähe u. Fotoausstellung Portraits „Die Erde halten"

©: Bettina Landl

Leerstände u.a.: Bahnhofstraße 12, Grazerstraße 5, 7 u. 40, Ludwig Binderstraße 35 u. 42

©: Bettina Landl

„betonix" in Kooperation mit: Bürgerinitiative wake up, Gleisdorf; Verein LAMES & Sonnenpark, NÖ; Lichtblicke – Neuigkeiten für Unverzagte; Kulturpakt Gleisdorf; Stadtgemeinde Gleisdorf/Kultur & Marketing, Mag. Eva Lassnig; FairWandelFest, Gleisdorf; Ökologische Tischlerei Puhr, Gleisdorf; Jugendforum Plan|G_ urban gardening Projekt Gleisdorf

©: Bettina Landl

Bodenversiegelung in der Steiermark täglich: 1 m2 / Sekunde. Die Stadtparkwiese in Gleisdorf wäre in 2 Stunden dauerhaft versiegelt.

©: Bettina Landl

„Die Erde halten" Portraits von u.a.: Andrea, Angelika, an.thon, Christine, Erika, Eva, Ewald, Florian, Gabi, Helfried, Liesi, Lois, Margit

©: Bettina Landl

Die vom Architekturzentrum Wien kuratierte Ausstellung „Boden für Alle“, die seit Mai 2021 mit zwei mobilen Varianten durch ganz Österreich tourt und bis zum 15. Oktober im Wellenbad in Gleisdorf zu sehen war, macht deutlich, dass Bodenpolitik mit uns allen zu tun hat. Mittlerweile wissen wir, dass der Boden unser kostbarstes Gut ist, die Oberfläche der Erde endlich ist und ein sorgloser oder rein kapitalgetriebener Umgang mit dieser Ressource in den vergangenen Jahrzehnten Gestalt und Funktion unserer Städte und Dörfer verändert hat. Wir haben auch verstanden, dass die fortschreitende Versiegelung von Boden zur Klimakrise beiträgt, während Spekulation und Hortung von Grundstücken das Wohnen verteuern, den öffentlichen Raum bedrohen und eine vernünftige Verkehrspolitik erschweren. Zum einen sind Politik und Verwaltung dringend zum Handeln aufgerufen, um einen Ausgleich zwischen Individualinteressen und Gemeinwohl zu erreichen, zum anderen sind wir es, die einen umwelt- und ressourcenschonenden Umgang mit unserer Erde im Alltag praktizieren müssen. Das umzusetzen, ist die Herausforderung. Ausstellungen wie diese und Initiativen wie „betonix“ von Angelika Thon bieten Orientierung und Alternativen.

In Österreich gibt es 2095 Gemeinden mit durchschnittlich 3500 Einwohner*innen (Wien ausgenommen). Sie haben zahlreiche und stetig steigende Aufgaben zu bewältigen – ob Straßenerhaltung, Kindernachmittagsbetreuung oder Pflichtschulen, Rettung und Feuerwehr, Pflegeeinrichtungen bis hin zu Post, Trinkwasser oder Müllentsorgung – bei gleichzeitig stagnierenden Einnahmen und begrenzten personellen Ressourcen. Die hauptsächlichen Einnahmequellen bestehen aus gemeindeeigenen Abgaben, wie insbesondere der Kommunalsteuer oder Grundsteuer, und Mitteln aus dem Finanzausgleich, die u.a. nach einem abgestuften Bevölkerungsschlüssel aufgeteilt werden.

Der österreichische Finanzausgleich, der die Verteilung der Einnahmen aus Steuern und Abgaben auf Bund, Länder und Gemeinden regelt, ist seit jeher Zankapfel. Ein gerechter Ausgleich zwischen Umlandgemeinden, Zentren und strukturschwachen Gemeinden lässt schon lange auf sich warten. Sowohl die Kommunalsteuer als auch der Bevölkerungsschlüssel für den Finanzausgleich führen zu einem (Standort-)Wettbewerb, der sich negativ auswirkt. 

Durch Formen der interkommunalen Zusammenarbeit – siehe auch Regionalverbände – mehrerer Gemeinden lassen sich Kosten bei gleichbleibender Qualität/Quantität senken oder die Qualität/Quantität bei gleichbleibenden Kosten steigern. Auf Basis freiwilliger, privat- oder öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen werden dabei die Kommunalsteuereinnahmen auf mehrere Gemeinden aufgeteilt. (1) Die Organisationsformen können von Vereinen über Kapitalgesellschaften zu Gemeindeverbänden führen, wobei die Möglichkeit zur Bildung letzterer bereits verfassungsgesetzlich vorgesehen ist. (2) Diese dürfen aber nur genau abgeschlossene Aufgabengebiete umfassen. Auch wenn sich dieses Instrument zunehmender Beliebtheit erfreut, wird es nach wie vor eher punktuell für einzelne Projekte, wie das interkommunale Gewerbegebiet Pyhrn-Priel (OÖ), die Wirtschaftskooperation Marchfeld (NÖ) oder die Seenland Tourismus GmbH (Sbg.) eingesetzt. Ein Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit ist jedenfalls notwendig, da die längst überfällige Neuregelung des gesamten Finanzausgleichs noch auf sich warten lassen wird.

Die Gemeinden sind für die Erstellung der örtlichen Entwicklungskonzepte, der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne ausschließlich innerhalb ihrer Gemeindegrenzen zuständig. Und nachdem sie ihre Einnahmen vorwiegend aus der Kommunalsteuer und Zuwendungen aus dem Finanzausgleich beziehen, spielt die Zahl der Einwohner*innen und der ansässigen Betriebe eine große Rolle für die Gemeindekassa. Dies führt unweigerlich zu einer enormen Konkurrenz der Gemeinden um attraktive Arbeits- und Lebensräume, Einwohner*innen und Betriebsansiedelungen und steht jeder Form einer aufeinander abgestimmten Siedlungsentwicklung im größeren Maßstab entgegen.

Nachdem aber die wachsenden Herausforderungen auf örtlicher Ebene oft gar nicht mehr alleine zu meistern sind, steigt der Handlungsdruck auf überörtlicher Ebene. Kooperative Ansätze, die über die administrativ festgelegten Grenzen hinausgehen, können hier Abhilfe schaffen. Regionalverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts können eine gemeindeübergreifende Planung, Koordinierung großer Projekte und die Stärkung der Region vorantreiben. Wo mehr Raum zur Verfügung steht, kann die Gründung einer neuen Betriebsansiedlung sinnvoller geplant werden. Wo mehr Mittel zur Verfügung stehen, sind größere Projekte realisierbar. In Salzburg bestehen schon seit den 1970er-Jahren Regionalverbände auf freiwilliger Basis und seit den 1990er-Jahren ist die Regionalplanung als gemeinsame Aufgabe von Land und Regionalverbänden gesetzlich geregelt. (2) In Tirol wurden 2005 mit zwei Verordnungen der Landesregierung 37 Planungsverbände eingerichtet. Die Steiermark hat mit dem Landes- und Regionalentwicklungsgesetz 2018 eine erweiterte Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die sieben Regionen des Landes strategische Aufgaben durch die Einrichtung von Regionalverbänden übernehmen. (3)

Regionalverbände können unterschiedliche Bereiche, wie Raum- und Siedlungsstruktur, Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung, Verkehrs- und Mobilitätsentwicklung, Energieversorgung und Freiraumentwicklung, aber auch Betriebs-, Gewerbe- und Industriegebiete, regional denken und zielgerichtet steuern. Das Funktionieren von Planungsverbänden ist aber abhängig von ihrer Größe, vom Willen bzw. vom Leidensdruck der einzelnen Gemeinden und wie immer von den verantwortlichen Personen. Zu hoffen bleibt, dass erfolgreiche Beispiele, wie der Zillertaler Planungsverband, in Österreich Schule machen. 

Wir wissen, dass Dörfer und kleinere Städte infolge gesellschaftlicher und struktureller Veränderungsprozesse mit aussterbenden Ortskernen kämpfen, dass eine veränderte Arbeitswelt, fehlende Freizeitangebote und Kinderbetreuung, die Verlagerung von Handel und Gewerbe an die Ortsgrenzen und in den Online-Bereich sowie der steigende Individualverkehr den Leerstand in und damit die Abwanderung aus den Zentren begünstigen und dass herkömmliche Planungsansätze oder punktuelle Renovierungsmaßnahmen meist nicht mehr ausreichen, um der Abwanderung und Entleerung der Zentren Einhalt zu gebieten. Es bedarf also einer bewussten Förderung und Koordinierung unterschiedlicher Maßnahmenbündel und vor allem der Einbeziehung aller Betroffenen, um eine Trendwende herbeizuführen. Bürger*innen müssen die gesetzten Maßnahmen langfristig mittragen und sich idealerweise dauerhaft mit diesen identifizieren. Nun verfügen Gemeinden aber meist über geringe finanzielle und personelle Ressourcen, um die langwierigen Prozesse der Ortskernbelebung zu starten und auch konsequent zu begleiten. Aber die Schaffung einer Anlaufstelle, welche sich um die Förderung bemüht, Ideen sammelt und die Entwicklung von Ortskernen mit entsprechendem Know-how aktiv mitgestaltet, macht sich langfristig bezahlt. Das Az W und Angelika Thon erinnern daran, dass hier der sogenannte „Kümmerer“ ins Spiel kommt, den einige Gemeinden zur Koordination und Umsetzung gezielter Maßnahmen als Schnittstelle zwischen Akteur*innen aus Wirtschaft und Tourismus, Politik, Verwaltung, den Hauseigentümer*innen und den Bewohner*innen eingesetzt haben. Er/Sie sorgt für laufende Information und Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, für klare Aufgabenverteilungen und begleitet den Veränderungsprozess aktiv und motivierend in den Ortschaften. Der „Vorfahre“ des Kümmerers ist der sogenannte „Citymanager“. Der Kümmerer bezieht allerdings neben Politik, Verwaltung und Wirtschaft auch die Bewohner*innen als Beteiligungsgruppe mit ein. Kümmerer sollten mindestens auf zehn Jahre bestellt werden, um die meist langwierigen Phasen der Ortskernentwicklung konstant zu gestalten. Gelungene Beispiele für eine erfolgreiche Arbeit von „Kümmerern“ sind bisher in Trofaiach (Stmk.), Waidhofen an der Ybbs (NÖ) oder in der Region zwischen Wildschönau und Reith (Tirol) zu finden.

(1) Siehe § 19 Finanzausgleichsgesetz 2017.

(2) Siehe Art. 116a B-VG.

(3) Siehe hierzu Regionaler Planungsverband Fremdenverkehrsraum Katschberg (1972), Regionalverband Salzburg Stadt und Umgebungsgemeinden (1974), Planungsverband Saalachtal (1977).

(4) Das Landes- und Regionalentwicklungsgesetz regelt die Zusammenarbeit von Land, Regionen und Gemeinden und soll die Basisfinanzierung von Regionsaktivitäten sicherstellen.

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