20/11/2012

Martin Grabner zur Ausstellung Urlaub nach dem Fall im HDA - Haus der Architektur Graz – zu sehen bis 07.12.2012

20/11/2012

Das 70er-Jahre-Resort Haludovo in Malinska auf der Insel KRK in seinen besten Jahren. Architekt Boris Magaš. 1971 - 72

©: ccn-images Zagreb

Das Hotel Pelegrin in Kupari (Nähe Dubrovnik) ist heute eine der meist besuchten Ruinen der kroatischen Küste.

©: Wolfgang Thaler

Heute ist das Haludovo eine pittoreske Ruine

©: Daniele Ansidei

Das Hotel Croatia (Quelle: Arhitektura Nr. 196-199, 1986, Zeitschriften aus der Forschungsbibliothek der Architekturfakultät der Universität Zagreb)

Kurator Michael Zinganel (rechts) und Architekt Zoran Balog bei der Diskusssion zur Ausstellung am 14. November 2012 im HDA Graz

©: HDA – Haus der Architektur

Architekt Boris Podrecca bei der Diskusssion zur Ausstellung am 14. November 2012 im HDA Graz

©: HDA – Haus der Architektur

Kroatien, Sonne, Meer. Für viel gehört das zum fixen Repertoire der Urlaubserinnerungen und -sehnsüchte. Nicht selten, wenn auch nicht immer bewusst, spielt die Architektur – genauer die Tourismusarchitektur an der kroatischen Küste – in den individuellen Erinnerungen eine wesentliche Rolle. So auch bei Michael Zinganel, der als Kind jedes Jahr mit seiner Großmutter im ehemaligen Jugoslawien auf Urlaub war. Sie wohnten zwar nie in einem der sogenannten „besseren“ Hotels, die eine mondäne Atmosphäre versprühten, aber zumindest auf ein Eis gingen sie jedes Mal in eines dieser großen Hotels, die so zu „eigenartigen Sehnsuchtsorten“ wurden.
Heute sind sie es für den Architekturtheoretiker und Künstler noch immer oder schon wieder. Im Rahmen eines, am Institut für Gebäudelehre der TU Graz entstandenen Forschungsprojekts beschäftigt er sich mit diesen sozialistischen, explizit modernen Ferienanlagen Kroatiens und den baulichen und ökonomischen Transformationen, denen sie seit den 1960er und 70er Jahren unterworfen waren. Die komprimierten Ergebnisse sind derzeit im Haus der Architektur Graz in einer Ausstellung zu sehen, die sich gut in das derzeit erwachende Interesse an der Architektur dieser Zeit einreiht, wie vergangene und aktuelle Ausstellungen in Ljubljana und Wien sowie mehrere Publikationen bezeugen. Im Rahmen eines Diskussions- und Vortragsabends im HDA thematisierte Zinganel mit Boris Podrecca und Zoran Balog, die beide in mehreren Projekten mit Hotelanlagen der sozialistischen Moderne konfrontiert waren, die Potenziale und Herausforderungen im Umgang mit diesem baulichen Erbe.

Alles begann mit Tito und seiner (an potenzielle Gäste aus dem Westen gerichteten) Einladung „Come and see the truth“. Der Erfolg lässt sich an einer 15 Meter langen Timeline ablesen, die die Nächtigungszahlen Kroatiens seit 1955 zeigt und, ergänzt um bedeutende Bauten und wichtige politische Ereignisse, die Ausstellung chronologisch strukturiert. Bis 1988 stiegen die Nächtigungen kontinuierlich an, stürzten mit Kriegsbeginn 1991 ab und haben sich, mit einem Rückschlag durch die Wirtschaftskrise, bis heute wieder in etwa auf Vorkriegsniveau hochgearbeitet.
Am meisten gebaut wurde zu Beginn der Boomjahre des Jugoslawien-Tourismus zwischen 1965 und 1975, in denen sich der von Tito eingeleitete „Dritte Weg“ in großmaßstäblichen Ferienanlagen entlang der Adriaküste konkretisierte. Es entstanden Hotels, sozialistisch in kollektivem Eigentum und Selbstverwaltung durch die Mitarbeiter organisiert, deren Architektur aber an westlichen Vorbildern der modernen Architektur orientiert war. Auch um dringend benötigte Devisen ins Land zu holen, wurde ganz unideologisch westliche Kultur in Form von beispielsweise Kasinos und bekannten Marken übernommen, ein Hotel ging sogar eine (nicht lange erfolgreiche) Kooperation mit dem Penthouse Magazin ein. Moderne Architektur, maßgeschneidertes Interieur und zeitgenössische Kunst (einige Hotels hatten eigene Kuratoren für ihre beachtlichen Sammlungen) wurden als Gesamtkunstwerk verstanden, in dem sich das sozialistische Jugoslawien als mondäne und weltoffene moderne Gesellschaft präsentierte. Die Hotels waren als Orte dieser Inszenierung Schauplatz von Politik und Gesellschaft. Das sozialistische Gesellschaftsmodell äußerte sich lediglich in den anfangs auffällig kleinen Zimmern, da große Zimmer als unsozialistisch galten. So findet man 4-Sterne-Plus Hotels mit Zimmern in Jugendherbergen-Größe. Bei Umbauten und der Anpassung an heutige Ansprüche ist diese, in Stahlbeton festgeschriebene Haltung oft eine Herausforderung, wie Zoran Balog aus Erfahrung berichtete.

Bemerkenswert ist der hohe Stellenwert, der der Raumplanung beigemessen wurde: Von 1966 bis 1972 wurde von internationalen Architektenteams ein ganzheitlicher Plan für die kroatische Küste erstellt. Der im Zeichen der Utopien dieser Zeit stehende, sehr fortschrittliche Plan ist ein Hauptgrund dafür, dass die Adriaküste bis heute sensibel verbaut und der Zugang zum Meer noch immer frei möglich ist. Qualitäten wie die räumliche und visuelle Beziehung zum Meer, etwa den Umgang mit Materialen oder dem Horizont, den Boris Podrecca besonders hervorhob, zu erhalten und herauszuarbeiten ist ein wesentliches Kriterium bei Um- oder auch Neubauten in diesem Umfeld. Gute Architektur zu schützen und Investoren für die, von vielen verkannten architektonischen Qualitäten der Hotels zu sensibilisieren, ist eine weitere Aufgabe. Als Beispiel nannte Balog hierfür das, sich seit 1973 auf einem Felsen hoch über dem Meer festkrallende Hotel Croatia südlich von Dubrovnik. Wahrscheinlich das beste Hotel in Kroatien, das aber (für einige unpraktischer Weise) von einem serbischen Architekten gebaut wurde. Heute ist der kroatische Tourismus, der Wachstumsmotor und Hoffnungsträger der Wirtschaft ist, in der Hand von drei großen Playern. Einer davon kommt aus Österreich, genauso wie viel Kapital, allen voran von einer inzwischen – nicht zuletzt als Folge ihrer „freihändigen“ Kreditvergabe in Kroatien – notverstaatlichten südösterreichischen Bank. Privatisierung auf Jugoslawisch bedeutete übrigens zunächst eine Zwangsverstaatlichung, um den Betrieb aus dem kollektiven Eigentum der Mitarbeiter herauszukaufen. Nach Krieg und Wirtschaftskrise wartet nun mit dem EU-Beitritt die nächste Herausforderung auf den, von komplizierten Besitzverhältnissen und fehlender Rechtssicherheit gekennzeichneten kroatischen Tourismus.

Aus architektonischer Sicht ist es Kroatien hoch anzurechnen, dass es im Gegensatz zu den anderen postjugoslawischen Staaten an der Moderne festhält und damit das Weiterbestehen einer Moderne, wie wir sie in Österreich nie hatten, ermöglicht. In Form melancholischer Ruinen, bescheidener Renovierungen oder völlig neuartiger Überbauungen finden wir dort eine vom Verschwinden bedrohte Architektur unserer Kindheit, die wir beginnen, sei es aus persönlicher Sehnsucht oder aufgrund der zeitlichen Distanz (für zumindest einige Bauten gerade noch rechtzeitig) wieder neu schätzen zu lernen .

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