18/11/2015

Vortrag von Margarita Tsomou

Griechenland: Selbstorganisation im Alltag als Widerstand gegen das Memorandum und Katalysator von Transformation.
Praktiken der Selbsthilfe etablieren neue soziale Beziehungen. Wird daraus eine neue Politik?

Termin
20.11.2015, 19:00Uhr

IG Architektur
Gumpendorfer Straße 63b
1060 Wien

18/11/2015

Syntagma-Platz im Zentrum Athens

©: Gigia, CC BY-SA 3.0
©: ÖGFA - Österreichische Gesellschaft für Architektur

Das Thema Griechenlandkrise wird in den letzten Monaten überwiegend als Verhandlungsmarathon der griechischen Regierung mit den Gläubigern diskutiert. Doch ihr Aufstieg ist nur in zweiter Linie eine Glanzleistung charismatischer Persönlichkeiten – vielmehr ist er an die seit 2010 tobenden Anti-Memorandums Bewegungen der griechischen Gesellschaft gekoppelt. Als Zäsur gelten hierbei die Platzbesetzungen der Empörten 2011, die inspiriert vom arabischen Frühling und den spanischen Indignados eine bis dahin unvorhergesehene populäre Massenbewegung mit neuartigen Charakteristika, mit Praktiken der gegenseitigen Selbstsorge, mit demokratischen Versammlungsformen und einer Sprache jenseits der linken Rhetorik, ein neues Alphabet des Politischen ins Zentrum der neoliberalen Städte brachte. Diese Praktiken und ihre Diffusion im Alltag sollen im Fokus des Vortrags stehen, da ich sie als die entscheidenden Katalysatoren für die transformatorischen Prozesse Griechenlands herausarbeite.
Die Formen gemeinschaftlicher und unentgeltlicher (Re-)Produktion aus den Platzbesetzungen sind als „Solidarische Ökonomien“ nach 2011 explodiert – als inoffizielle Praktiken der Selbsthilfe, die sich in Familien, Freundeskreisen, Nachbarschaften und lokalen Milieus als Teil der Populärkultur in den Alltag einschreiben. Sie haben das angestoßen, was der argentinische Theoretiker Raul Zibechi, im Unterschied zum Begriff der „sozialen Bewegungen“, „Gesellschaften in Bewegung“ nennt: nicht abgrenzbare Kräfte des Gemeinschaftlichen, die mit Selbstorganisation, neue soziale Beziehungen etablieren. Sie sind diejenigen, die in Zukunft das Rückgrat für eine politische Organisierung bilden werden, unabhängig von jeglicher Schuldenvereinbarung in der Arena der repräsentativen Politik. (Text: Margarita Tsomou)

Margarita Tsomou
ist Griechin und arbeitet als Autorin, Dramaturgin, Kuratorin in Berlin. Sie gibt die Zeitschrift Misst Magazine heraus;
promoviert zu der Platzbesetzung des Syntagmaplatzes 2011 in Athen.
Als letztes kuratierte sie im August 2015 die Konferenz THIS IS NOT GREECE - Erzählungen von der Krise am Kampnagel in Hamburg.

Respondenz
Elke Krasny, Kuratorin, Stadtforscherin, Professorin an der Akademie der bildenden Künste, Wien

Kuratierung und Moderation: Angelika Fitz, ÖGFA

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