22/02/2004
22/02/2004

Hauptschule Klaus, Fraxern Arch. Dietrich / Untertrifaller

Hauptschule Klaus, Fraxern
Arch. Dietrich / Untertrifaller
W-Fassade mit wärmetechnisch optimierter durchscheinender Außenhülle aus perforiertem Kupferblech,

Detailansicht des perforierten Kupferblechs der W-Fassade

Detailaufnahme der durchscheinenden W-Fassade

Rund 270 Teilnehmer aus sechs Ländern bekamen durchwegs Interessantes von Vortragenden aus Vorarlberg, Wien, Deutschland und der Schweiz zu hören.

Eröffnet wurde das Symposium von Landesrat Rein, zuständig für Energie, Raumordnung und Tourismus, mit einem überzeugenden Plädoyer im Sinn des Tagungsthemas. Anhand einiger Beispiele konnten sich später die Teilnehmer des Symposiums von der zukunftsorientierten und hochwertigen zeitgemäßen Baukultur des Bundeslandes Vorarlberg und damit vom Erfolg eines beharrlichen politischen Willens selbst überzeugen.
Als Vertreter der Steiermark, eines Bundeslandes, in welchem während des vergangenen Jahrzehnts hauptsächlich „Stylingdiskussionen“ („experimentelle“ Architektur oder nicht usw.) von zukunftsrelevanten Themen in der Architektur ablenkten, war man einigermaßen überrascht vom Ergebnis eines kontinuierlichen Engagements - auch der zuständigen Politiker - für zukunftsorientierte Energiekonzepte in Verbindung mit hoher architektonischer Qualität bei privaten, öffentlichen und öffentlich geförderten Bauten. Trotz hohen Energiebewusstseins kann sich das Vorarlberger „Styling“ international sehen lassen, was einige große Wettbewerbe vor Augen führen, die Vorarlberger Architekten in letzter Zeit für sich entscheiden konnten (z.B. Wien: Stadthallenerweiterung, Flughafen Wien/Schwechat, Passivenergie-Wohnsiedlungen u.a.).

Eine Kurzexkursion führte alle 270 Teilnehmer im perfekt organisierten Ablauf zu drei erst kürzlich eröffneten „Passivanlagen“:
• 9 bereits bewohnte Reihenhäuser einer in Bau befindlichen größeren Holzbausiedlung, Architekt J. Kaufmann
• eine 5- geschossige Wohnhausanlage (kompakt um einen Massivbau – Kern konzipierte Sozialwohnungen in Holzbauweise mit flexiblen Grundrissgrössen und einer Energieversorgung u.a. aus Photovoltaik-Fassadenteilen (verschiebbare „Fensterläden“), Architekten H. Kaufmann/W. Wertaschnigg).
• und zum Abschluss eine großzügig und mit architektonischer Eleganz und feinen Details gestaltete Hauptschule, Architekten H. Dietrich/M. Untertrifaller.

Zur Erklärung: Passivhäuser sind Häuser, die nicht mehr als 15 KWh/m² Nutzfl./Jahr an Energiezufuhr von außen benötigen, Niedrigenergiehäuser brauchen zusätzlich 60 KWh/m² Nutzfl./Jahr. Im Vergleich: Herkömmliche Bauten weisen einen Verbrauch zwischen 90 und 150 KWh/m² Nutzfl./Jahr auf.
Erhöhte Baukosten von Passivhäusern: max. 7%, gemessen an den derzeitigen Baukosten in Vorarlberg, die jedoch über jenen der Steiermark liegen. Bei der gg. Veranstaltung wurden Niedrigenergiehäuser aufgrund ihrer dort schon allgemeinen Akzeptanz und Gebräuchlichkeit nicht mehr thematisiert. Nullenergiehäuser stellten ein Randthema dar, da sie technisch aufwändig und zur Zeit nicht von breitem Interesse sind.

Ein Hinweis, das Niedrigenergie – Bewusstsein in der Steiermark betreffend: Niedrigenergie und Passivenergie funktionieren unabhängig von Dachformen. Ausschlaggebend sind vielmehr die Baukörperstellung zur Sonne, Proportion des Baukörpers, Wärmedämmung, Situierung und Dimensionierung der Fenster und die Art der Energiezufuhr!

Die interessantesten Informationen allgemeiner Art kamen von Dr. H. Scheer (Mitglied des deutschen Bundestags und der parlamentarischen Versammlung des Europarats, sowie Präsident der EUROSOLAR) in Form von Zahlen und Statistiken.
Neben seiner Aussage als Jurymitglied der Gestaltungswettbewerbe für die Verwaltungsbauten im Regierungsviertel von Berlin, nämlich, dass schon damals Niedrigenergiekonzepte ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Architektenwettbewerbe - so auch beim Siegerprojekt für das Reichstagsgebäude von Sir Norman Foster - darstellten, stimmten vor allem seine Zukunftsprognosen in bezug auf die herkömmlichen Energiequellen sehr nachdenklich.
_Vorkommen von Uran, Kohle, Erdöl und Gas neigen sich dem Ende zu.
_Bei 0-Wachstum und großen Ölreserven kann die Welt noch mit 5 – 10 Versorgungsjahren rechnen.
_In 40 – 50 Jahren, bei Kohle 100 Jahren, ist jedenfalls Schluss mit nicht erneuerbarer Energie.
_ Bis dahin: Zunahme von „Energiekriegen“ (siehe Irak) und Wasserkrisen als Folge herkömmlicher Energiegewinnung. (Konzentrationskraftwerke brauchen 75% des gesamten Nutzwasserverbrauchs von Deutschland, für die Erdölförderung werden dzt. 6000 l/Kopf/Jahr an Wasser verbraucht, das danach giftig ist).
_40% des gesamten Energieverbrauchs in Mitteleuropa erfolgt in herkömmlichen Wohn- und Bürogebäuden.
_2050 wird sich der weltweite Energiebedarf gegenüber heute verdoppelt haben.
_Nicht solar Gebautes wird in 10 – 15 Jahren zur wachsenden Hypothek.
_Die Belastbarkeit der Ökosphäre ist schon jetzt überschritten. Energiegewinnung aus Ölschiefer und Methangasen der Ozeangründe bringen eine weitere Verschärfung des Ökologieproblems.
_Auch die Hoffnung auf Atomenergie hat sich zerschlagen; sie reicht nicht aus und ist zu problematisch.
_Das Potenzial von Sonnenenergie ist weitaus höher als herkömmliche Energie und 15x höher als alle möglichen Atomkraftwerke zusammen.
In der Bundesrepublik gilt seit 2004 die gesetzliche Steuerbefreiung für alle Bio-Kraftstoffe (Mitwirkung am Gesetz: Scheer). Der nächste Schritt ist, dass die Nutzung von Sonnenenergie Bestandteil der Bauordnungen werden muss.
Scheer und sein Zitat von Max Planck: „Die Alten kann man nicht belehren, man muss warten, bis sie aussterben“ nahm wohl Bezug auf jene Länder, wo Niedrigenergie und gar Passivenergie derzeit noch kein öffentliches Thema sind, weder in der Geschoßwohnbauförderung, noch in der Raumordnung bzw. Bebauungsplanung, wo sich ein solcherart zukunftsbewusstes Denken am meisten auswirken wird (Erfordernis sonniger Lagen von Baugründen, Baukörperorientierung zur Sonneneinstrahlung und technisches „know-how“ bei der Planung solcher Häuser und deren Gestaltung). Vorarlberg ist da weit voraus, im Gegensatz zur Steiermark, wo derzeit Niedrigenergie vornehmlich ein Synonym für modische Pultdächer auf EF-Häusern ist, mit denen den Gemeinden das Leben schwer gemacht wird)
Andere Vortragende setzten sich mit den architektonischen Gestaltungsmöglichkeiten, in Verbindung mit Solarenergie bzw. Erdwärme, auseinander, wobei eine Art „Glaubenskrieg“ herauszuhören war zwischen den „hardlinern“ wie Arch. Miloni (CH), der davon ausgeht, dass die Energiegewinnung auch die Architektur prägen soll (Zitat: „Weil es immer schon so war, dass Formen aus der Funktion entstanden sind“), und Arch. DI Dietrich als Erzeuger hochwertigster Architekturqualität mit nahezu „entmaterialisierten“ Detaillösungen trotz Passivenergie, der sich dieser Sichtweise nicht anschliessen konnte und mit seinen Bauten beweist, dass solches nicht unbedingt notwendig ist, wenn man´s anders auch kann (siehe neue Hauptschule in Fraxars, sie ist eine Passivschule).
Überraschend ist die Tatsache, mit welcher Intensität in der Bauforschung und anhand wie vieler bereits realisierter Demonstrationsbauten (Wohnanlagen und öffentliche Bauten in OÖ und NÖ, auch in Wien und das „Schiestlhaus“ in der Steiermark) sich das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie schon lange Zeit dem Zukunftsthema Passivenergie widmet. Die leitenden Mitarbeiter dafür hat man aus Vorarlberg geholt (Mag.Huchler und Dr.Greisberger).
Arch. Ritsch und lic.oec. Thür erläuterten ihr im Entstehen begriffenes Projekt „Schoeller-Areal“, einer Passiv - Wohnanlage (Mehrfamilienwohnhäuser in Bregenz) unter Forschungsbegleitung.
Die Ziele: freie Auswahl von Fassadenmodulen, Modulsystem für flexible Grundrisse mit Anpassungsmöglichkeiten an Familienstrukturen, Vermietbarkeit auch nach 20 Jahren, Wohndienstleistungen, „pooling“ (von techn. Ausrüstung wie Werkzeugen, Autos, PC-Anlagen, Wellness) und Gebäudemanagement betreffend Energieoptimierung, Reparaturdienste, Verwaltung, Pflege von Häusern und Aussenanlagen sowie Sicherheit der Bewohner.

Die Texte aller Vortragenden sind gesammelt im Tagungsband TRI/2004 (Tri-Veranstaltungs Ges.n.b.R., Scheffelstrasse 8, A-6900 Bregenz, T +43 (0)5574/447 29, Fax Nst.: 4, www.tri-info.com, office@tri-info.com ).

Verfasser/in:
D.I. Gerda Missoni
Landesbaudirektion Graz
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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