14/10/2019

Versäumnisse in der Raumordnung

Die Kammer der ZiviltechnikerInnen Steiermark und Kärnten kritisiert den Gesetzesentwurf für die steirische Raumordnung.

Die erhoffte Trendwende bleibt aus!

14/10/2019

Sujet – 'Im Fokus: RAUMPLANUNG'. Foto kopiert aus: Johannes Fiedler, 'Urbanisierung, globale', Böhlau 2004

©: Johannes Fiedler

Die Kammer der ZiviltechnikerInnen kritisiert den Entwurf des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes und fordert umfassende Änderungen, die weitere raumplanerische Fehlentwicklungen verhindern und Kostenwahrheit bei Investitionen der öffentlichen Hand ermöglichen.

Die Raumplanung spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, der Verödung von Ortskernen, der Zersiedelung der Landschaft sowie dem generell erhöhten Verbrauch von finanziellen und materiellen Ressourcen entgegenzuwirken. Der derzeitige Gesetzesentwurf des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes kann diese Aufgaben nicht erfüllen, zeigt sich Gerald Fuxjäger, Präsident der ZiviltechnikerInnenkammer, überzeugt: „Die Reparaturen, die der Entwurf des ROG vorsieht, sind sowohl aus ökologischer, als auch aus ökonomischer Sicht marginal. Sie lösen weder die Probleme, vor denen das Land und die Gemeinden stehen, noch werden sie unser aller Verantwortung gerecht, den Lebensraum für kommende Generationen zukunftsfähig zu gestalten und zu schützen.“
 Die wesentlichsten Versäumnisse und Erfordernisse im Bereich der Gesetzgebung hat die Kammer der ZiviltechnikerInnen in einer Stellungnahme an das Land zusammengefasst und erläutert. Dazu gehören u.a.:

Gerechte Verteilung von Infrastrukturkosten und Vermeidung erhöhter Folgekosten aufgrund von Zersiedelung
Entscheidungen über Flächenwidmung und Siedlungsstruktur sowie die Aufschließung neuer Grundstücke als Bauland fallen in den Aufgabenbereich der Gemeinden. In diesem Zusammenhang warnt Fuxjäger vor den hohen Folgekosten, die aufgrund peripherer Siedlungsräume und Dezentralisierung auf Bund, Land und die Gemeinden zukommen.
Neben der technischen Infrastruktur – für Straßen, Wasser, Kanal, Strom, Gas oder Fernwärme – sind auch Mobilitäts- und soziale Folgekosten z. B. für die mobile Alten- und Krankenpflege sowie Schülertransporte zu berücksichtigen. Die Finanzierung dieser Kosten erschwert häufig wichtige Investitionen in den Ortszentren, etwa für Kindergärten, Schulen, Freizeit-, Kultur-, und Sporteinrichtungen.
Auch die Regelungen, die das ROG bezüglich Neu-, Zu- und Umbauten im Freiland vorsieht, spielen dabei eine Rolle. Die Regelung, dass rechtmäßig im Freiland bestehende Wohngebäude in der Geschoßfläche quasi verdoppelt werden dürfen, soll weiter liberalisiert, und die zulässige Gebäudefläche auf bis zu 250 m2 angehoben werden. Befindet sich ein Grundstück laut Flächenwidmungsplan in einer als Auffüllungsgebiet deklarierten Fläche, so ist die Bebauung durch ein Wohnhaus prinzipiell möglich. Gemeinden können dadurch zwar mehr BürgerInnen den Traum vom Einfamilienhaus in peripheren Freilandlagen bewilligen, müssen die Folgekosten jedoch verantworten können.
Präsident Fuxjäger wünscht sich mehr Transparenz und Kostenwahrheit bei der Baulandausweisung: „Die Allgemeinheit trägt die Last für die Infrastruktur. Die Notwendigkeit der Ausgaben muss nachvollziehbar und die Kostenübernahme fair sein.“

Sicherung der Lebens- und Umweltqualitäten durch nachhaltige Raumplanung
Weiters vermisst die ZT Kammer die Verankerung zentraler Themenschwerpunkte der Raumordnung, die als Ziele in der Enquete Baukultur 2014 und den baukulturellen Leitlinien definiert wurden:
1) Ortzentren stärken,
2) öffentliche Räume unter ganzheitlicher Betrachtung des Landschafts- und Ortsbildes gestalten und
3.) Kreativität und Nachhaltigkeit in Sachen Prozessoptimierungen, Kostenwahrheit und Ressourcenschonung einfordern.
Maßnahmen, wie die Staffelung der Infrastrukturabgaben nach dem Verursacherprinzip, verstärkte Baulandmobilisierung durch Kostenbeiträge für nicht bebaute Baulandgrundstücke, aktives Leerstandsmanagement, die Stärkung der Raumordnungsbeiräte, die Erhaltung des Grünflächenanteils zur Verbesserung des Klimas im städtischen Bereich sowie die Einführung eines Versiegelungsgrades anstelle der bloßen Festlegung des Bebauungsgrades und der Bebauungsdichte, sind nur einige wirksame Instrumente, die der Raumordnung zur Verfügung stünden, sich im Gesetzesentwurf jedoch ebenso wenig wiederfinden, wie die Schaffung einer generellen, steiermarkweiten Lösung hinsichtlich der Einkaufszentren.

Praxiserprobte Vorschläge für die Gesetzgebung von ExpertInnen
Klaus Richter, Vorsitzender des Ausschusses für Raumordnung und Baukultur bedauert, nicht bereits bei der Ausarbeitung des vorliegenden Gesetzesentwurfes eingebunden worden zu sein: „Als Ziviltechniker beschäftigen wir uns intensiv mit Fragen der Raumplanung und stoßen aufgrund fehlender oder zahnloser Gesetzesbestimmungen bei unserer täglichen Arbeit immer wieder an Grenzen. Wir können aus fachlicher Sicht und unabhängig von Interessen Dritter praxisorientierte und -erprobte Vorschläge einbringen.“

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