21/03/2018

Was vom Kino übrig blieb

Die von Norbert Pfaffenbilcher und Sandro Droschl 

kuratierte Ausstellung – eine Kooperation mit der Diagonale & dem Öster- reichischen Filmmuseum – läuft noch bis 22. April 2018 im Künstlerhaus. Halle für Kunst & Medien, Burgring 2, 8010 Graz.

geöffnet
Die – So: 11:00–18:00
Do: 11:00–20:00

beteiligte KünstlerInnen
John Baldessari, Erica Baum, Joseph Beuys, Jörg Buttgereit, Anne Collier, Siegfried A. Fruhauf, Karl Holmqvist, Ryusuke Ito, Björn Kämmerer, Johann Lurf, Bernd Oppl, Katrin PlavÊak, Eric Rondepierre, Constanze Ruhm, Hans Scheugl, Viktoria Schmid, Michaela Schwentner, Haim Steinbach, John Stezaker, Mika Taanila, Antoinette Zwirchmayr

21/03/2018

Was vom Kino übrig blieb. Ausstellungsansicht mit Papier- & Objektarchivalien-Tischen; an der Wand: die Jacke von Kurt Kren (1970)

©: Markus Krottendorfer

Papierarchivalien, Österreichisches Filmmuseum, Wien

©: Markus Krottendorfer

Detail Papierarchivalien

©: Markus Krottendorfer

Detail Papierarchivalien

©: Markus Krottendorfer

Objektarchivalien, Österreichisches Filmmuseum, Wien

©: Markus Krottendorfer

Objektarchivalien, Österreichisches Filmmuseum, Wien

©: Markus Krottendorfer

Filmzeitschriften aus den 1960er Jahren

©: Markus Krottendorfer

Haim Steinbach, Untitled (7 bocci balls, Hulk) (2012)
Foto: Markus Krottendorfer

©: Markus Krottendorfer

John Stezaker, Shadow XXVII , 2013. Fotocollage, 21,8x28,3cm, Courtesy Sammlumg Stolitzka, Graz

Regie: Max Linder, unidentifizierter Titel, 1913, Frankreich, Pathé Frères, Courtesy Schlemmer-Filmkadersammlung, Courtesy Österreichisches Filmmuseum (Wien)

Die genre- und generationenübergreifende Ausstellung stellt historischen und aktuellen künstlerischen Positionen ausgewählte filmhistorische Exponate gegenüber, um der Wirkmacht und dem Nachhall des Kinos auf die Kunst und dem „kulturellen Gedächtnis“ nachzugehen. Die enorme gesellschaftspolitische Relevanz, die das Leitmedium „Film“ des 20. Jahrhundert innehatte, gehört unzweifelhaft der Vergangenheit an. Das Kino ist heute nur noch ein popkulturelles Unterhaltungsangebot unter vielen, ein Durchlauferhitzer in einer Kette synchronisierter Marktsegmente.

Die Themenschau bildet hybride Passionen und individuelle Obsessionen rund um den Kosmos Kino ab. Was vom Kino übrig blieb wird von der Kunst aufgelesen, diversen Transformationsprozessen unterzogen und erfährt dadurch auch eine kritische Ehrung. Die Ausstellung versammelt eine Auswahl an filmspezifischen Kunstwerken und Artefakten, welche die Welt des Kinos – abseits von Filmen – hinterlassen hat. Von Interesse für diese thematische Ausstellung sind vor allem der Objekt- und der Fetisch-Charakter dieser Artefakte wie deren spezifische Materialität.

Das Schwinden der Kinokultur wird von den beteiligten KünstlerInnen vielfältig thematisiert. Unzählige Motive aus der Filmgeschichte sind längst in das kollektive Bildgedächtnis eingegangen und werden oftmals, nicht zuletzt aufgrund ihrer Allgemeinverständlichkeit von KünstlerInnen paraphrasiert, wobei sich Affirmation, Appropriation und (Repräsentations-)Kritik keineswegs ausschließen müssen. Die beteiligten FilmemacherInnen und KünstlerInnen greifen unterschiedliche, etwa medienhistorische, technische, formal-ästhetische, soziologische oder psychologische Aspekte einer globalen audiovisuellen Filmkultur auf, deren Bedeutung jedoch stetig abnimmt.
„Film“ meint hier sowohl ein elektromechanisches, optisches Verfahren, als auch eine tradierte Form audiovisueller Narration. Im Ausstellungskontext wird das Medium Film auf Weisen hinterfragt, die im Kino aufgrund des gegebenen unverrückbaren Dispositivs nicht möglich sind. Wesentlich dabei ist neben der Kontext-Verschiebung vor allem der Materialaspekt von Analog-Film, so wie auch der von Devotionalien, Merchandise-Artikeln, Relikten und Reliquien aller Art.

Der melancholische Titel der Schau ist bewusst mehrdeutig gewählt. Es handelt sich um eine Paraphrase auf den berühmten Roman- und Filmtitel Was vom Tage übrig blieb (The Remains of the Day, Kazuo Ishiguro, 1989; James Ivory, 1993) und spielt im wörtlichen Sinn interpretiert auf die „Überreste” und die „Hinterlassenschaften” von Filmproduktionen an. Der Titel könnte auch die Frage beinhalten, was heutzutage – in Zeiten von Smartphones und Web 2.0 – noch an „Kino-Kultur” lebendig ist? Zugleich kann man ihn aber auch so lesen, als wäre das Kino bereits vergangen und nur mehr Reste und Ruinen davon übrig.

In der Ausstellung zeichnet sich auch ab, dass das Verhältnis von Kino und Kunst durchaus kompliziert und nicht immer ungetrübt ist. Dies hat sowohl mit den gänzlich unterschiedlichen Produktions-, Distributions- und Präsentationsmodi zu tun, als auch mit den verschiedenen Wertschöpfungsmodellen und den jeweiligen Zielvorstellungen. Während das kommerzielle Kino lustvolle und eskapistische Unterhaltung für ein möglichst großes Publikum bietet, strebt die Bildende Kunst seit der Etablierung der Avantgarden des 20. Jahrhunderts auch öffentlichkeitswirksam pointiertere Ziele wie intellektuelle Aufklärung, formale Grenzüberschreitung und ästhetische Provokation an.

Der Fokus der umfangreichen Ausstellung liegt auf unterschiedlichen Ausprägungen der nachhaltig unter Druck geratenen Cinephilie, weshalb auch das Österreichische Filmmuseum und private Sammlungen originelle und ungewöhnliche Kollektionen zur Verfügung stellen. Die Exponate, die vom Österreichischen Filmmuseum zur Verfügung gestellt werden, wurden noch nie öffentlich gezeigt. Es wird z.B. eine imposante Sammlung von unterschiedlichen Glühlampen präsentiert, die in Filmprojektoren eingebaut waren. Weiters werden Zeugnisse privater Sammlerleidenschaft gezeigt, wie Ordner mit Zeitungsausschnitten von längst verstorbenen FilmschauspielerInnen oder Originalausgaben von historisch relevanten Filmzeitschriften aus den 1960er Jahren.
Neben den Artefakten aus der Filmgeschichte werden als historische Querverweise auch ältere Kunstwerke präsentiert, die Zeugnis davon ablegen, dass Cinephilie auch in der Kunstavantgarde weit verbreitet war. So hat etwa der deutsche Konzeptkünstler Joseph Beuys den dystopischen Spielfilm Das Schweigen (SW, 1963) von Ingmar Bergman endgültig zum Schweigen gebracht, in dem er die fünf Filmrollen galvanisierte und sie zur Skulptur umfunktionierte. Der einflussreiche amerikanische Konzeptkünstler John Baldessari hat nahezu sein gesamtes Lebenswerk darauf begründet, dass er Filmstandbilder collagierte und durchaus humorvoll weiter bearbeitete.

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