17/04/2019

WOHNBAU.DIALOG STEIERMARK

Bericht von Gernot Reisenhofer zur Startveranstaltung Schritt für Schritt... 30 Jahre Wohnbau weiterdenken im Haus der Architektur Graz.

Die als Serie angelegte Diskussion am 10. April 2019 bezieht sich auf die Ausstellung Schritt für Schritt – Erneuerungsstrategien im Wohnbau, die fast exakt vor 30 Jahren im HDA Graz stattfand.

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17/04/2019

Diskussion Wohnbau.Dialog Steiermark, SCHRITT FÜR SCHRITT..., am 10.04.2019 im HDA Graz

©: Thomas Raggam

Rückt der Wohnbau wieder verstärkt in unser aller Interesse? Nicht nur in einem fachlichen Diskurs, sondern gerade auch in einer breiteren öffentlichen Wahrnehmung? Beobachtungen zufolge könnte man dies durchaus vermuten. Gerade letzte Woche erst wurde nach 2017 wiederum eine Transformation eines Wohngebäudes mit dem Mies van der Rohe Preis gewürdigt, bei der Lacaton & Vassal mit Frederic Drout und Christophe Hutin in altbewährter Art und Weise alten Wohnraum neue Qualitäten einhauchen. Eine vormals fast ausschließlich für Kulturbauten vorbehaltene Auszeichnung. Ebenso tauchen in regelmäßigen Abständen in unseren Lokalmedien verstärkt Themen auf, wie unlängst die Debatte zu den vielen oder eben doch nicht so vielen Kleinstwohnungen. Zudem kommen Veranstaltungen wie das vom Lebensresort Steiermark initiierte Symposium Wohnen 2049 hinzu, das vor Kurzem im Grazer Kunsthaus die Frage stellte, Wie Herr und Frau Steirer künftig wohnen werden?

Die vielschichtigen Aspekte rund um das Thema Wohnen nun auch in regelmäßigen Abständen im Haus der Architektur zur Diskussion zu bringen, dem hat sich die Initiative WOHNBAU.DIALOG STEIERMARK verschrieben. Laut eigenen Angaben versteht sich die von Andrea Jany, Bernhard Hohmann und Thomas Höflehner ins Leben gerufenen Organisation als regionale Anlaufstelle und Kommunikationsplattform, die einen dauerhaften Lern- und Kommunikationsprozess zwischen den vielfältigen Akteurinnen im Wohnbau fördern will. Ob und wie daraufhin eine nachhaltige Entwicklung des Wohnbaus gefördert werden kann, wird wohl nicht so schnell verifizierbar sein. Das Bestreben, die Thematik wieder verstärkt zu positionieren und mit regelmäßigen Veranstaltungen ein Podium zu bieten, weckte zum Auftakt bereits Interesse bei den zahlreichen Gästen.

Vergangenen Mittwoch, am 10. April 2019, trafen sich also erstmals eine Vielzahl an unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren zur Auftaktveranstaltung. Ein möglichst breit angelegtes Forum mit 14 geladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die in zwei moderierten Blöcken unter dem Motto Learning from... jeweils ihre Sicht der Dinge darlegten. Gegenwärtige Initiativen, Projekte und Themen blieben dabei bestimmend. Mit dem kurzfristigen Ausfall von Wolfdieter Dreibholz fehlte leider etwas die Möglichkeit zur Anknüpfung bzw. zum Rückbezug auf die namensgebende Veranstaltung Schritt für Schritt – Erneuerungsstrategien für den Wohnbau, die fast exakt vor 30 Jahren als eine der ersten Veranstaltungen überhaupt im Haus der Architektur abgehalten wurde.

Der gut durchdachte Ansatz, dass die jeweiligen Teilnehmer sich mit einem selbstgewählten, aus ihrer Sicht relevanten Thema positionieren und dieses ins Rampenlicht rücken, war interessant. So wurden unterschiedliche Schwerpunkte, Zugänge und Anschauungen des interdisziplinären Teilnehmerfeldes möglichst übersichtlich aufs Tableau gebracht. Der bedeutend spannendere Teil, die Diskussion über diese vielschichtigen Sichtweisen an sich, wurde durch die mitunter doch längeren Beiträge leider auf ein Mindestmaß reduziert.

Zum Inhaltlichen: Angesprochen wurde wirklich ein breites Spektrum an Themen! Darunter ökologische Maßnahmen wie auch soziale Beobachtungen. Etwa die Notwendigkeit vermehrter Sanierungen und Nachverdichtungen gegenüber den oftmals lukrativeren Neubauten auf der grünen Wiese – oder die Integration und Betrachtung von Lebenszyklen in der Nachhaltigkeitsbeurteilung. Auch Beobachtungen, die im Zusammenhang mit einer zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft zu sehen sind. Wie etwa die offenbar steigenden Konfliktpotenziale in Wohnquartieren, die sich in vermehrten Beschwerden an die Hausverwaltungen manifestieren. Da Wohnzufriedenheit im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lebenszufriedenheit zu sehen ist, wie Soziologe Rainer Rosegger unterstrich, verwies er auf die Notwendigkeit sozialer Innovationen um hier wirksam entgegen zu steuern.

Allesamt sind dies jedoch leider Punkte und Anliegen, die allzu oft mit den derzeitigen budgetären Voraussetzungen gerade im gemeinnützigen Wohnungsbau keine adäquate Umsetzung finden. Ganz abgesehen von den grundlegend eingeschränkten architektonischen und gestalterischen Möglichkeiten, die unter den aktuellen budgetären Voraussetzungen noch möglich sind. Ein fundamentaler Faktor, der von den geladenen Architekten (Martin Brischnik und Werner Nussmüller), den Vertretern der Wohnbaugruppen (ÖWG – Hans Schaffer, Wohnbaugruppe Ennstal – Wolfram Sacherer) wie auch von Michael Sebanz vom Büro des Landesrats Seitinger zur Sprache gebracht wurde. Wie es scheint, wird in diesem (alles?) entscheidenden Punkt aber auch zukünftig mit wenig Spielraum zu rechnen sein.

So bleibt vielfach nur die Möglichkeit aus dem System auszubrechen, um punktuell neue wie auch experimentellere Zugänge einzuschlagen und auszutesten. So war als weiterer auszumachender Schwerpunkt, der in unterschiedlichen Beiträgen am Podium zur Sprache kam, die Möglichkeit der Wohnraumschaffung durch Baugruppen stark präsent. Meist einhergehend oder aus einem Rückblick heraus auf die Zeiten und Bauten des immer noch prägenden Modell Steiermark. Von Seite der Fachabteilung Energie und Wohnbau des Landes Steiermark gab es von Johannes Andrieu durchaus positive Signale, solch Baugruppen nach Möglichkeiten zu unterstützen, jedoch sei der große Hype ihm zu Folge in der Steiermark noch nicht spürbar. Dass man in Gemeinschaft durchaus erfolgreich Projekte realisieren kann, zeigt die Initiative KooWo, die derzeit knapp außerhalb von Graz gemeinsam mit den Architekten Schwarz.Platzer 27 Wohneinheiten als gemeinschaftliches Wohnkonzept errichtet und im Plenum vor allem von zurückliegenden Planungs- und Diskussionsprozessen berichtete. Ab Sommer wird die Wohnanlage bezogen – vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, diese z.B. im Rahmen der Reihe Häuser schaun bzw. eines WOHNBAU.DIALOGS VOR ORT zu besichtigen um sich über Qualitäten, Möglichkeiten und Synergien dieses aktuellen Beitrags zum gemeinschaftlichen Bauen ein Bild zu machen. Dass diese Baugruppen eher Nischen besetzen ist klar, dass damit aber durchaus spannende Impulse für den gesamten Wohnungsbau geliefert werden können, wird gerade in Wien und vor allem in Zürich von Elisabeth Anderl durchaus vor Augen geführt.

Dass neben dieser (aktuell) einen Baugruppe und dem geförderten Wohnbau ein gewichtiger Anteil der Neubauten in der Steiermark freifinanziert errichtet wird, blieb in der aktuellen Diskussion leider ein wenig im Hintertreffen – abgesehen von den jedoch ohnehin erst unlängst im HDA breiter diskutierten Möglichkeiten des aktualisierten Grazer Modells. (siehe dazu auch den Kommentar von Sigrid Verhovsek auf GAT vom 29.2.2019)

Gerade hier wäre es durchaus wünschenswert gewesen, auch im Sinne des bewusst breitgefächerten Zugangs der Veranstaltung auch diese Position zu Wort kommen zu lassen. Neben den in der Diskussion erwähnt problematischen Zugängen im Sinne von „heute aufsperren – morgen zusperren“ findet man gerade auch hier innovative Ansätze wie gelungene Umsetzungen. Wie etwa das Büro Pentaplan mit ihrer mittlerweile schon 20-jährigen Erfahrung im Planen und Realisieren von zahlreichen prägenden wie auch preisgekrönten Projekten in Graz.

Was bleibt? Dem Wunsch in so kurzer Zeit Strategien aufzuzeigen, wie der steirische Wohnbau "aus der Ebene ausbrechen" kann, wie es Werner Nussmüller zugespitzt formulierte, war schwer zu entsprechen bzw. konnte auch nicht wirklich erwartet werden. Im Sinne eines Austausches unter den vielfältigen wie auch relevanten Akteurinnen und Akteuren; im Sinne eines miteinander Redens war dieses erste Anstoßen jedoch ein gefühlt wertvoller Beitrag. Die angeregten Diskussionen in den Pausen bzw. nach dem offiziellen Ende zeugen davon. Um jedoch nicht in einer Oberflächigkeit zu verharren und somit ein tatsächliches Weiterdenken im steirischen Wohnbau zu forcieren, darf man gespannt sein, welche nächsten Schritte mit diesem WOHNBAU.DIALOG gesetzt werden. Diese sind für November bereits in Planung – Veranstaltungsort wird wiederum das Haus der Architektur sein.

Vortragende | DiskutantInnen
Johannes Andrieu, Land Steiermark, Fachabteilung Energie und Wohnbau
Michael Sebanz, Land Steiermark, Büro Landesrat Seitinger
Wilfried Krammer, Stadt Graz, Stadtbaudirektion, Stadtentwicklung
Martin Brischnik, Architekt, Zentralvereinigung der ArchitektInnen, Steiermark   
Wolfdieter Dreibholz, Architekt, Modell Steiermark (bis zur Pause im Auditorium)
Michaela Urabl, Mitbegründerin von KooWo - Kooperatives Wohnen Volkersdorf
Werner Nussmüller, Architekt, Nussmüller Architekten
Rainer Rosegger, Soziologe, SCAN - Agentur für Markt- und Gesellschaftsanalytik
Manfred Omahna, Kulturanthropologe, Institut für Stadt- und Baugeschichte, TU Graz; KONTEXTUAL: Büro für Baukultur
Das Wohnlabor, Rebekka Hirschberg, Anna-Maria Jäger, Jomo Ruderer, Matthias Prosekar, Julia Fröhlich, Martin Röck, Mak Pavelic
Elisabeth Anderl, Architektin, ARGE W:A:B
Hans Schaffer, Prokurist ÖWG – Wohnbau
Wolfram Sacherer, Vorstandsmitglied Wohnbaugruppe Ennstal
Helmuth Kreiner, Arbeitsgruppe Nachhaltiges Bauen, TU Graz

Organisationsteam
Andrea Jany, Thomas Höflehner, Bernhard Hohmann

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