MINUS – Stellungnahme der ZT-Kammer zur SCS

Ja, es ist beschämend. Der Kammer fällt seit 2016, also in vier Jahren, nicht mehr ein zum Skandal-Vorhaben „Reparatur der Shoppingcity Seiersberg“, als kundzutun, dass sie nun „höchst besorgt“ ist. Damals hatte sich die Kammer erstmals gegen den von der Landesregierung aus dem Hut gezauberten Entwurf der Reparatur/Vertuschung – also des unter den Teppich Kehrens von Unrecht durch eine nachträgliche Einzelstandort-Verordnung – ausgesprochen. Im Raumordnungsgesetz ist, wie ich in meinem Beitrag zum Thema in der Tageszeitung Die Presse 2016 geschrieben habe, eindeutig festgeschrieben, wann und unter welchen Voraussetzungen die Überschreitung der erlaubten Größe eines Einkaufszentrums durch eine solche Verordnung außer Kraft gesetzt werden kann. Wann? Naturgemäß nur vor Baubeginn in einem Genehmigungsverfahren, wenn die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs leistungsstark ist, wenn keine Überlastung der Verkehrsinfrastruktur als PKW-Zubringer gegeben ist und wenn Anrainer nicht durch Lärm- und Abgasimmissionen beeinträchtigt sind. Alles das war damals und ist auch jetzt in der SC Seiersberg nicht gegeben, genau deshalb gab es schon vor Baubeginn in einer Initiative Bürgerproteste, die nicht Gehör fanden.

Nun ist die Kammer höchst besorgt und hat, nach eigenen Worten, in einem Brief an den Raumordnungsbeirat im März 2020 gebeten (!), die notwendige Verantwortung zu übernehmen. Ja, Hallo! Fühlt sich die Kammer selbst so zahnlos, dass sie sich nicht einmal zu fordern traut, die Gesetze, in dem Fall das Raumordnungsgesetz, einzuhalten? Das sagt nämlich kein Wort über die nachträgliche Möglichkeit einer Einzelstandort-Verordnung.

Man möge sich ein Beispiel nehmen an der Aktionsgemeinschaft ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFT, die heute, am 21. April 2020, in einem fast ganzseitigen Inserat in der Kleinen Zeitung das Land Steiermark und namentlich Landeshauptmann Schützenhöfer dazu aufruft, den „steirischen, ehrlichen Weg (zu gehen): Verbindungsbauten zurückbauen“ –  in fünf eigenständige Einkaufszentren, was dezidiert ausgedrückt wird durch die Aufforderung, die Verbindungsbauten, neuerdings „Straßen öffentlichen Interesses“, abzureißen. Das ist ein Wort! Das ist eine Haltung! Dass dies von der Aktionsgemeinschaft ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFT und auch nach vier Jahren von illegalem Murks nicht von der Steirischen Kammer der ZiviltechnikerInnen kommt, in der nicht nur Raumordnungsexperten, sondern auch Bauexperten vertreten sein sollten, ist zum Fremdschämen, leider.

Ich appelliere daran, während des verordneten Rückzugs ins Private einmal ernsthaft und tiefgehend darüber nachzudenken, was eine in allen Belangen so zögerliche Haltung, eine immer ängstlich auf Kompromisse bedachte, um ja niemanden vor den Kopf zu stoßen (und seine eigene Karriere nicht zu gefährden) für einen Schaden anrichtet. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass dann eh nix passiert, wenn man solch eine Haltung zu seiner Lebens- und Arbeitsmaxime gemacht hat, um sich ja nicht zu exponieren. Der Schaden ist riesengroß und einer in Langzeit, weil die, die „das Sagen haben“ und sich über Gesetze hinwegsetzen, sich im guten Glauben wiegen können, ihre Partikular-Interessen immer durchsetzen zu können. Diese Erkenntnis stünde allen gut an, nicht nur der Kammer in diesem Fall.