23/04/2020

Gemeindehochbau in der Steiermark

Öffentliche Mittel an Qualitätskriterien knüpfen!

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23/04/2020

Kleine Zeitung, Bericht

©: Petra Kickenweitz

In der Steiermark gibt es schlechte Nachrichten aus den Gemeinden:

Alle geplanten und in Planung befindlichen Projekte sowie noch nicht begonnene Bauprojekte des kommunalen Hochbaus werden ab sofort auf Eis gelegt. So lauten aktuelle Meldungen in den Tageszeitungen und anderen Medienkanälen (vgl. u.a. Kleine Zeitung: Gemeinden legen ihre Bauprojekte auf Eis, Seite 24-25 vom 19.04.2020) .

Also schlechte Nachrichten für Baukultur und Architektur?

Dazu eine kurze Analyse der „Vor-Corona-Zeit“, um zu wissen, was einigen von uns entgeht: Vielleicht hilft diese Betrachtung, die Karten für eine qualitative Entwicklung sowohl in baukultureller wie auch in „vergabekultureller“ Hinsicht neu zu mischen.

Es geht nicht darum, die guten alten Zeiten zu beschwören, aber die Steiermark driftet bei Wettbewerb und Vergabe schon seit längerem ganz weit Richtung Süden (was wir immer als „hinter dem Balkan“ bezeichnet hatten) und entfernt sich von dem baukulturellen Standard von West-Österreich fast schon in Lichtgeschwindigkeit.

„Ich kenn‘ jemanden, ich muss Lobbying für mich betreiben, wast eh, alles andere ist zu kompliziert....“ das müssen die Fakten für erfolgreiches Vorankommen als Architekt sein – anders ist der kurze Auszug an Projektbeschreibungen in Folge aus den Pressemeldungen der Gemeinden und Gemeindezeitungen nicht zu lesen. Wie sonst wird man zu den sogenannten „Scheinwettbewerben“ oder Direktvergaben eingeladen?

Vielleicht muss man noch ein paar Jahre zurückgehen, um zu verstehen: In der Wirtschaftskrise 2008-09 wurde mit der (als kurzfristig angekündigten) Anhebung der Grenze für eine Direktvergabe im Bundesvergabegesetz (BvergG) der Versuch gestartet, das Stottern des Wirtschaftsmotors abzuwenden. So wurde mit der laufenden Verlängerung dieser Maßnahme, obwohl der eigentliche Anlass dafür schon lange nicht mehr gegeben war, das „Kind mit dem Bade“ ausgeschüttet.

2015 wurde durch die Gemeindestrukturreform, der Reformpartnerschaft zwischen Rot und Schwarz, die Gemeinden neu zusammengewürfelt. Nach dem so langen Investitionsstillstand aufgrund der Wirtschaftskrise 2008-09 lag es damit auf der Hand, dass man mit dieser Umstrukturierung auch einen wesentlichen Investitionsschub und somit in die Arbeitsplatzsicherung im ländlichen Raum investieren wird und die bereits historisch bedingte Vergabekultur fortschreibt.

Baukultur als Überbegriff und Instrument, um Handlungsszenarien wie Landraub, Verlust von Kulturlandschaft und auch Verlust von einem Qualitätsanspruch in der Architektur verhindern zu können, von oberster Stelle der Republik forciert und auf Landesebene mit Grundsatzbeschlüssen bejaht, ist zumindest im östlichen Teil Österreichs mittlerweile ein vielbenutztes, aber nicht vollzogenes Fremdwort.

Der Architekturwettbewerb wäre nach wie vor das einzige garantierte Instrument, um all die im Baukulturreport angesprochen Problemlagen zu thematisieren und letztendlich transparent einer entsprechenden qualitativen Lösung zuzuführen. Qualitativ nicht nur in Hinblick auf die entstehende Objektarchitektur, sondern auch, weil der Aufgabenstellung für einen Architekturwettbewerb eine profunde Projektentwicklung vorangehen muss, die zudem, sofern sie nicht an allen vorbeigeschleust (geschummelt) wird, einer Gemeinde die Möglichkeit gibt, unter Einbindung der BürgerInnen finanzielle Mittel, die der Öffentlichkeit gehören, transparent und sinnvoll einzusetzen.

Die Realität ist allerdings eine andere, wie der Blick in einige Gemeindezeitungen und Pressemeldungen der Gemeinden der letzten drei Jahre, hier beispielhaft angeführt, zeigt:

Gemeinde Seiersberg: So sieht das Neue Ortszentrum von Seiersberg aus,
Investitionssumme 2,8 Mio. €, 50% Landesbeteiligung,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Kainbach bei Graz: Der Ortskern wird völlig neu,
Investitionssumme 7 Mio. € mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Weinitzen: Gemeinde erstrahlt in neuem Glanz,
Investitionssumme 2,4 Mio. €, ob mit oder ohne finanzieller Beteiligung des Landes Steiermark ist nicht zu eruieren,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Fernitz-Mellach: Neues Amt strahlt im Zentrum,
Investitionssumme 5 Mio. €,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeindes Gratwein Strassengel: Verwaltungszentrum: All(s) unter Dach und Fach,
Investitionssumme 5 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Kalsdorf: Forum Kalsdorf ist das neue Zentrum,
Investitionssumme 7 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde St. Oswald-Plankenwarth: Neues Gemeindezentrum für St. Oswald bei Plankenwarth,
Investitionssumme 3,5 Mio. €,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Laßnitzhöhe: Ein Neues Zentrum für Laßnitzhöhe,
Investitionssumme 6 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Dobl-Zwaring: Vitales Gemeindezentrum,
Investitionssumme 8 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.
 
Gemeinde Thal: Zu und Umbau der Volksschule Thal,
Investitionssumme 9,6 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Gratkorn: Neubau der Volksschule Gratkorn,
Investitionssumme 13 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich. Stattdessen findet man eine Ankündigung für Totalübernehmerverfahren und eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Gemeinde Mariazell: Neues Schulzentrum als Herausforderung,
Investitionssumme 12 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark,
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.
Stattdessen hört man, dass eine Wohnbaugenossenschaft den Auftrag für die Umsetzung des politischen Willens erhalten hat.

Gemeinde Bruck an der Mur: Moderner Bildungscampus,
Am Grundstück eines Möbelhauses ist unter anderem ein Bildungscampus am Dach eines Lebenmitteldisconters geplant. “ Investitionssumme 20 Mio. €,(lt. BGM Koch),
eine Architekturwettbewerbsankündigung oder Entscheidung sucht man im Netz vergeblich.

Gemeinde Premstätten: Gleichenfeier beim Rathaus,
Investitionssumme 6,5 Mio. €, mit finanzieller Unterstützung des Landes Steiermark.
Große Überraschung – das Projekt wurde über einen geladenen Architekturwettbewerb entschieden. Immerhin, wenn auch die Aufgabenstellung und die Vergabehöhe einen offenen Architekturwettbewerb gerechtfertigt hätte.

Die nicht vollständige nur auszugsweise aufgelistete Aufzählung umfasst 14 Projekte, die ein Gesamtvolumen von über 100 Mio. € ausmachen. Alle Projekte sind öffentliche Aufträge oder Aufgabenstellungen, die dem öffentlichen Interesse zuzuordnen sind, wie z.B. Schulen, und die damit mit öffentlichen Fördermitteln finanziert werden. 13 von 14 Projekte wurden offensichtlich ohne anerkannte Qualitätsverfahren und ohne Kooperation mit der ZT-Kammer entschieden.

Siehe dazu: Dritter Baukulturreport 2018, Seite 217

Art. 5. Öffentliche Mittel an Qualitätskriterien knüpfen!

"Parallel zur angestrebten planungspolitischen Rahmenkompetenz des Bundes sind gezielte finanzpolitische Maßnahmen zu ergreifen, um drängenden Problemen etwa in der Siedlungs- oder Verkehrsentwicklung zeitnah und effektiv begegnen zu können. Raumwirksame Steuern, Abgaben, Transferzahlungen und Förderungen sind so umzugestalten, dass sie die bundespolitischen Baukultur-, Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele befördern. Allem voran gilt es dabei, die Zahlungen des Bundes an die Länder und Gemeinden im Rahmen des bis dato „raumblinden Finanzausgleichs“ an die Erfüllung quantifizierbarer und somit evaluierbarer Qualitätskriterien zu binden."

nachzulesen:
https://www.meinbezirk.at/steiermark
http://www.architekturwettbewerb.at/search.php?city_id=&region_id%5B%5D…

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