10/08/2003
10/08/2003

Visionen für eine Kulturhauptstadt
Eine Gruppe um Margarethe Makovec entwickelte Leitlinien für Graz ab 2004

Graz - Helmut Strobl, ehemaliger Kulturstadtrat von Graz (VP) und Vater der Kulturhauptstadt, vertritt weiterhin die Auffassung, dass der beste Kulturpolitiker jener sei, der sich selbst überflüssig mache. Denn von einer Einmischung in künstlerische Inhalte hält Strobl nichts: Aufgabe sei es, für eine optimale Infrastruktur und Dotierung zu sorgen.

Dank Graz 2003 konnten so ziemlich alle infrastrukturellen Wünsche erfüllt werden: Man errichtete nicht nur ein Kunsthaus (Eröffnung am 27. September), sondern realisierte auch ein Literaturhaus, die Helmut-List-Halle, ein Kindermuseum, eine Stadthalle und ein Popkulturzentrum.

Zudem wurden im Rahmen von Graz 2003 Projekte wie das österliche Festival Psalm umgesetzt, die ob des Erfolges wert scheinen, weitergeführt zu werden. Und die Kulturhauptstadtmacher betonen zudem immer wieder die Notwendigkeit, die Marke "Kulturstadt", die mit einem erheblichen Werbeaufwand etabliert wurde, zu pflegen: Graz müsse weiterhin erstklassige Inhalte bieten, um als Tourismusdestination interessant zu bleiben. Eberhard Schrempf, Vizeintendant von Graz 2003, nennt "aus dem Bauch" eine Summe von fünf Millionen Euro jährlich extra, mit der sich dieses Ziel - von wem auch immer - umsetzen ließe.

Die Stadt dürfte zu einer Investition in dieser Größenordnung aber nicht in der Lage sein: Im Vorjahr wurden rund 8,3 Millionen Euro für Kultur (ohne die Vereinigten Bühnen) ausgegeben. Eine ähnliche Summe ist aufgrund einer einstweiligen Bindung von 15 Prozent durch den Finanzstadtrat auch für heuer zu erwarten (der Budgetansatz liegt wie 2002 bei 9,49 Millionen).

Um zumindest eine moderate Steigerung erkämpfen zu können, plant Christian Buchmann, der neue Kulturstadtrat (VP), künftig Schwerpunkte als Folgewirkung von Graz 2003 zu setzen, die mit zwei Millionen Euro dotiert sein sollen. Die erhofften zusätzlichen Mittel werden aber nur einen Teil ausmachen: Den Rest will Buchmann durch Umschichtungen im eigenen Budget zusammenkratzen. Und zwar nach Evaluierung der Förderverträge, die Ende dieses Jahres auslaufen. Zudem werden Veranstaltungen als "Schwerpunkt" geführt (und aus dem Zwei-Millionen-Topf finanziert), auch wenn sie nicht für ihn konzipiert wurden, aber in das Schwerpunktprogramm passen.

In Graz mehren sich bereits Bedenken. Denn ein verordnetes Spartenthema bewirke, dass Veranstalter Projekte nur deshalb entwickeln, um Fördergeld zu erhalten. Und diese seien dann oft mittelmäßig. Kritisiert wird auch die Ankündigung des Stadtrats, die Literatur zum Schwerpunkt 2004 zu machen. Buchmann machte nun einen Rückzieher: Er sei für alle Vorschläge offen - und lädt die Kulturszene ein, sich bei der Erarbeitung eines Kulturentwicklungskonzeptes für die nächsten fünf Jahre einzubringen.

Laut Margarethe Makovec, der Leiterin des Kunstvereins rotor, hätte die Diskussion um die Zukunft der Kulturhauptstadt aber längst geführt werden müssen. Zusammen mit anderen "Kulturverantwortlichen" - Volker Sernetz, Chef des Popkulturvereins Vipers, Helmut Köpping, künstlerischer Leiter des Theaters im Bahnhof, Martin Krammer, Vorsitzender der steirischen Architektenvereinigung, und Harald Saiko, Präsident des Hauses der Architektur - arbeitete sie bereits ungefragt und aus Sorge "Leitlinien für den Kulturstandort Graz" aus.

Diese "cultural pressure group" plädiert zwar ebenfalls für eine Schwerpunktsetzung - aber auf einen zeitgenössischen Kulturbegriff, der mit Graz assoziiert wird (steirischer herbst, Forum Stadtpark), und ohne Sparteneingrenzung, um Vernetzung und Zusammenarbeit zu ermöglichen. Anders als Buchmann, dem die "Stärkung der heimischen Szene" wichtig ist, fordert die Gruppe eine Ausgewogenheit von lokaler Kontinuität und Internationalität: Ihrer Meinung nach sollte sich Graz noch stärker als Zentrum Südosteuropas positionieren. Die Diskussion ist eröffnet.

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