02/06/2015

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

02/06/2015
©: Karin Tschavgova

Architektenzukunft: Hilfe! Ist da jemand?

Die Wahl in der Steiermark ist geschlagen und mit ihr die beiden etablierten Parteien. Wird die Reformpartnerschaft von Rot und Schwarz fortgeführt, so wird sich ihr bisheriger Kurs kaum ändern. Was die beiden Kuschelpartner erneuern wollen, wird durchgezogen werden – auch gegen oppositionelle Kritiker und letzte zaghafte Gegenstimmen in den eigenen Reihen, – was sie ablehnen oder erst gar nicht antasten wollen zwecks Reform wird bleiben wie bisher. Raumordnung und ihre Kompetenzverteilung etwa. Jedem Dorfkaiser sein Kaiserreich!
Wird diese Wahl also irgendwelche zukunftsweisende Auswirkungen auf das steirische Baugeschehen, auf die vielzitierte Steirische Baukultur und auf die Zukunft des Berufsstands der hiesigen Architekten haben? Njet, meint die Kritikerin von Berufs wegen (nicht nur).
Entscheidungen werden längst an Tischen gefällt, an die Architekten nicht geladen werden. Wozu auch, geht es doch in erster Linie beim Bauen volkswirtschaftlich um die Ankurbelung der Bauwirtschaft und für private Investoren um Kostenminimierung zugunsten von Gewinnmaximierung. Die öffentliche Hand als Bauträger und damit (Bau-)Kulturträger für kommende Generationen – angeblich in der totalen Zwickmühle wegen leerer Kassen – wird, fürchte ich, gerade zu Grabe getragen.

Effizienz heißt das Zauberwort. Unter seinem Hut oder (Deck-)Mantel werden heute die wenigen Verfahren, zu denen Architekten geladen werden, abgewickelt. Offene Wettbewerbe ohne kaum überwindbare Zugangshürden sind mit einem Denken, das ausschließlich utilitär bestimmt ist, anscheinend nicht mehr vereinbar. Viele Projekte – Auswahl des besten nach fachlichen Kriterien = Umwegrentabilität. Nie gehört?
Sind solch kaum erfüllbaren Referenzen wie beim derzeit laufenden Verfahren für ein Campusgebäude für die Medizinische Fakultät an der Johannes Kepler Universität in Linz gefragt, so schließt dieser Unfug nicht nur alle jungen Architekturbüros aus, es verwehrt sogar vielen jener Etablierten, die mit ihrer kontinuierlichen Qualitätsarbeit bis jetzt der österreichischen Baukultur zum Höhenflug verholfen haben, die Teilnahme am Wettbewerb. TeilnehmerIn ist, wer schon 10 oder 100x das gleiche produziert hat und vermutlich Innovation dann für etwas hält, das effizienzbehindernd ist. Wirklich offene Zugänge zu Wettbewerben gibt es kaum mehr. Dann hätten wir noch die sogenannten Kooperativen Verfahren: sie sollen ja die effizienteren, also besseren Modelle der Projektentwicklung und -realisierung sein. Für wen? Ein Wettbewerb scheint nicht notwendig bei diesem Modell: Hier ein Investor, dort ein Architekt seiner oder deiner Wahl, werte Stadtplanung. Stimmt, Kooperation ist schon mit zwei Partnern möglich – durchaus auch gute, wenn die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für alle Beteiligten stimmen. Die Chance, zu planen, bekommt dabei aber nur einer (oder eine Arge von zwei Architekten wie beim Kooperativen Verfahren Eckertstraße in Graz, bei dem Stadt und Land Steiermark 3.300 Quadratmeter für die FH Joanneum mit mehr als 11 Millionen Euro mitfinanzieren) - aber das ist zu wenig, um Kreativität und Vielfalt der Architektenschaft unter Beweis stellen zu können.
Einer mittlerweile arrivierter, international tätiger und mit Preisen gewürdigter Grazer Architekt hat seinerzeit während einer „Durststrecke“ sein Büro mit Bauaufnahmen von Tankstellen über Wasser gehalten. Soll solches die allgemeine Zukunft der Architekten werden?

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