04/08/2015

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

04/08/2015
©: Karin Tschavgova

Unterlassene Hilfeleistung?

Dieses Gezettere um Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen in den Bundesländern – es ist zum Haare Raufen. Dieses Gezerre, ein tägliches Hin- und Herschieben von Kompetenz und Verantwortung zwischen Bund, Ländern und den Gemeinden um die notwendige, rasche Schaffung von einer Unterkunft für die im Freien lebenden Flüchtlinge in Traiskirchen – 2000 waren’s noch am letzten Freitag – ist zum Aus-der-Haut-fahren. Warum können nicht landauf, landab Schulen und Internate geöffnet werden, um in den nächsten fünf Wochen die ärgste Not zu lindern? Warum können wir in Graz seit 45 Jahren im Sommer für mindestens sechs Wochen den Teilnehmern von AIMS (American Institute of Musical Studies)-Sommerkursen Studentenheime zur Verfügung stellen, aber solche nicht für Flüchtlinge öffnen?

Die Unterbringung in Schulen, Internaten und Heimen setzte natürlich mündige Bürgermeister voraus, die nicht ausschließlich ihren Wählern in der Gemeinde das Wort sprechen, wenn sie vollmundig in der ZiB 2 vermelden können, dass sie „selbstverständlich keine Flüchtlinge in unserer Gemeinde wollen“. Selbstverständlich ist für mich nur die Mischung aus Traurigkeit und Wut, die mich überkommt, wenn ich hören muss, dass man so etwas mit dem Brustton der Überzeugung unwidersprochen sagen kann. Wohin haben wir uns als Gesellschaft hin entwickelt, wenn Kleinbürgers Meinung, dass er nicht in seinem Garten sitzen wolle mit dem Anblick von Flüchtlingen am Nachbargrund (O-Ton) längst salonfähig geworden ist?

Doch halt, neben den hoheitlichen Pflichten und Aufgaben, Flüchtlingen menschenwürdige Bedingungen zum Aufenthalt in sicherer Umgebung zu schaffen, gibt es auch noch uns mündige Bürger, die wir doch sonst bei jeder Gelegenheit, wo uns Mitsprache und Selbstbestimmungsrecht in Abrede gestellt werden, lauthals protestieren. Wo ist unser Protest, wenn es die Bundesregierung wochenlang nicht schafft, in Traiskirchen Zelte aufstellen zu lassen, damit die Menschen, die von dort gar nicht mehr weg dürfen, nicht auf der Wiese schlafen müssen? Wo ist unsere Zivilcourage, die uns leiten sollte, vor die Tore des Erstaufnahmezentrums zu fahren und Zelte und Kleidung abzugeben? Wo unser Interesse am Thema, wenn wir nicht einmal nachforschen, ob das Schubhaftzentrum Vordernberg zur Zeit als Aufnahmestation verwendet wird oder immer noch nicht mehr als drei Bewohner beherbergt? Wo ist unser Mitgefühl, wenn wir unsere Ferienwohnungen und Sommerhäuser lieber leer stehen lassen als uns den (bürokratischen) Aufwand anzutun, sie als vorübergehende Bleibe anzubieten? Und woran, liebe Karin Tschavgova, lässt sich deine Empathie für diese Hilfe Bedürfenden messen, wenn du tagelang überlegst, ob es der Hausetage in deinem Elternhaus, die du zur Miete zu vergeben hast, zum Nachteil gereicht, wenn du sie eine zeitlang an jene vergibst, die so dringend ein Dach über dem Kopf brauchen wie keiner der anderen Interessenten? Ob du dir das antun sollst? Ob du die Zeit dafür hast und die Energie? Tja, wo sind wir gelandet in dieser Zeit, in der wir uns zwar das Privileg eines guten und bequemen Lebens geschaffen haben, aber kaum mehr die Zeit finden, um inne zu halten und ernsthaft darüber nachzudenken, ob wir von dem uns zugefallenen Glück der Geburt am richtigen Ort zur guten Zeit nicht etwas abgeben müssten an die, die diese Gunst nicht hatten?

k_domig

erachtens muesste das erstaufnahmezentrum ein 'durchlaufposten' sein und niemals so viele dort wartende 'horten'. dazu gehört aber auch, dass man das angebot an möglichen quartieren genau gekannt weden muesste um das ausmass des noch erforderlichen wohnraums zu eruieren, ob privat oder öffentlich - da scheint es massiv zu happern, vorallem an der zusammenarbeit, weil scheinbar politisch nicht loesbar.
im zusammenhang mit wohnen fallen mir vorallem baugesetzte d.h. richtlinien ein die die immobilie ueberhaupt für menschen wohnbar machen (menschengerecht) und im zusammenhang mit dem grossen ansturm flexible, schnell zu errichtende modelle,ob neu gebaut oder schon vorhandenes um zu nutzen...
schulen, kasernen etc...dazu herzunehmen sind nur kurzfristige loesungen... die menschen kommen aus gegenden, wo sicher nicht in absehbarer zeit frieden herrscht; davon auszugehen, dass in einem oder zwei jahren aller wieder zurueck gehen ist eine utopie und verschleiert die realität.
am billigsten kommt es, sich damit abzufinden und die integration schnellst moeglich zu gewährleisten; sobald diese arbeiten, bezahlen sie die hilfe zurueck indem sie, wie jeder andere steuern bezahlen, beleben die demographische kurve europas, was wiederum den pensionen zugute kommt... tun wir das alles nicht, haben wir in absehbarer zeit ein paar obdachlose mehr...

Di. 04/08/2015 12:13 Permalink
Fabian Wallmüller

Hier ein paar Links, die ich auf die Schnelle gefunden habe:
Private Unterstützung für Asylwerber in Österreich:
http://derstandard.at/2000019930293/Private-Unterstuetzung-fuer-Asylwer…
Chieming in Bayern nimmt Flüchtlinge auf:
http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-in-chieming-das-anti-fre...
Interessant an der Geschichte aus Chrieming ist aus meiner Sicht folgendes:
1. Bayern hat eine Verordnung in Kraft gesetzt, Flüchtlinge gleichmäßig auf Städte und Gemeinden in ganz Bayern aufzuteilen
2. Diese Verordnung wird auf Gemeindeebene umgesetzt
3. Ein Bürgermeister - siehe Beipiel Chieming - versucht, das Thema Migration positiv zu besetzten - und reißt die Stimmung bei der Bürgerversammlung herum
4. Bei der Bürgerversammlung polemisiert niemand - alle überlegen pragmatisch, wie man helfen kann.

Do. 06/08/2015 9:27 Permalink
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