06/12/2016

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

06/12/2016
©: Karin Tschavgova

Das Inselleben

Vito Acconci habe sich, so hörte man 2003, vehement dafür ausgesprochen, die Murinsel, die er als Eyecatcher für die Kulturhauptstadt Graz ersonnen und der Stadt verkauft hatte, als Kunstwerk frei von Funktionen zu belassen. Nichts anderes sollte sie sein als ein Ort, den man – spazierend von einem Ufer zum anderen – entdeckt und an dem man sich niederlassen kann, um im geschäftigen Treiben der Stadt innezuhalten. 
Das war natürlich gar nicht möglich, hatte man doch 4,5 Millionen Euro (andere Quellen sprechen von 5,75 Mio.) aus dem Kulturstadtbudget in die Insel investiert. Mit Nachhaltigkeit, dem alles schlagenden Argument neben der Schaffung von Arbeitsplätzen, konnte man beim besten Willen nicht argumentieren, wurde die Dauer der wasserrechtlichen Nutzungsbewilligung, die dem Bund obliegt, doch zuerst auf zehn Jahre beschränkt. Nutzen musste her, doch was heißt einer? Ein Café wurde eingerichtet, im amphitheatralisch angelegten Außenbereich sollte Theater und Musik gespielt werden und Kindern wurde ein Kletterparcours versprochen. Bis dieser mit etlichen Auflagen und großem Aufwand zwischen die Rampe und den geschlossenen Teil der Muschel gezwängt werden konnte, vergingen Jahre. Derweil machte man temporär die Insel zu einem eigenen Staat, mit Pass zu betreten, und suchte nach attraktiven Angeboten, denn als Ort der Performance erwies sich die Insel als ungeeignet. Sie hat weder eine Hinterbühne noch Garderoben und Stauräume und für vieles war das Rauschen des Wassers störend laut. 

Gefühlte 90 Prozent der Inselbesucher sind Gäste, die sich das Erlebnis, einmal über die Insel zu spazieren, nicht entgehen lassen wollen. Ein Inselzweck also: das Fotomotiv. Selbst Touristen scheinen jedoch schnell zu erkennen, was Stadtbewohner sowieso wissen: dass es im historischen Ambiente des Stadtzentrums stimmigere Plätze gibt, die zu Ruhepause und Kaffee einladen. Orte mit Leben, an denen das Treiben der Stadt in der ersten Reihe fußfrei beobachtet werden kann. Kein Wunder, dass sich die bisherigen Pächter des Cafés, und das waren nicht wenige in den 13 Jahren seines Bestehens, über kurz oder lang wieder abgewandt haben vom Inseldasein.
Das wird sich kaum ändern, auch nicht nach der derzeitigen Generalsanierung, die drei Monate in Anspruch nehmen wird. Über eine Million Euro hat der Grazer Gemeinderat dafür beschlossen und das, obwohl der „2003-Nachlassverwalter“ noch Anfang dieses Jahres anlässlich eines Wasserrohrbruchs mit akutem Reparaturbedarf nicht wusste, ob zusätzliche Sanierung nötig sein wird.
Nun also ein neuerlicher Anlauf, um die Insel attraktiver, sprich: kommerziell verwertbar zu machen. Eine Bühne für Veranstaltungen wird im Café installiert. Außen, von der Hälfte des Amphitheaters aus, wird man künftig mit Kopfhörer „Silent Cinema“ sehen können (In Konkurrenz zum Lesliehof, der mit dem Filmprogramm das Joanneumsviertel aus dem sommerlichen Dornröschenschlaf holen sollte?) Ein Designshop wird eingerichtet, ein neuer Showroom als Leistungsschau steirischer Kreativer soll kommen und eine Infozone mit Monitoren wird den freien Zugang zum Café verstellen. Natürlich nur, wenn künftig Trauben von interessierten Touristen gerade dort erfahren wollen, was sie anschauen können, wenn sie nach maximal fünf Minuten Aufenthalt die Insel wieder verlassen werden.
Wer denkt sich so etwas aus, frage ich mich? Wer sind die Leute, die sowenig Gespür für das Machbare und Erfolgreiche haben, dass sie von neuem auf eine derartige Überfrachtung von Nutzungen für die Insel setzen? Ein Gutteil der Million für einen wahrscheinlichen Neustart ins Leere – verrückt in meinen Augen. Hätte man sich nicht nach 13 Jahren Erfahrung dreinfügen können in die offensichtlich nicht gelingende Eventisierung der Insel und Acconcis Wunsch nach einem ganz und gar nutz- und konsumlosen Ort des Innehaltens inmitten der Stadt nachkommen? Wer weiß, vielleicht gäbe es dann Leben auf der Insel.

Fritz Schöffauer

Liebe Karin,
du schreibst mir hier sozusagen aus der Seele und natürlich auch aus dem Kopf. Das einzige, was diese Insel braucht ist nichts. Wenn sie jemals Leben gebiert, dann nur durch ein Nichts. Was Acconci zur "Funktion" dieses Objekts gesagt hat, ist endlich zuzulassen. Wenn er auch damals, wie er die Insel konzipierte, nicht wusste, wie klein dieses Flüsschchen ist und ihm nicht klar war, wie sehr das Gewässer gefüllt sein wird, so ist doch zu beachten, dass jede Funktion noch mehr zur Überfüllung beiträgt.
Möge die Stadt und mögen ihre Verantwortlichen diesen Platz doch endlich in Ruhe lassen und ihm die Chance für sich selbst geben. Es muss nicht alles mit Sinn hinterlegt werden, vor allem nicht, wenn dieser Sinn einzig auf dünnen, untauglichen Zahlenbeinen steht und so jeden UnSinns beraubt wird.
Mit herzlichen Grüßen,
Fritz Schöffauer

Di. 06/12/2016 11:07 Permalink
feyferlik

da hat doch der damialge finanzverantwortliche von 2003, herr gaulhofer, bei einer veranstaltung von der insel für einen raum von 200 personen gesprochen, also so eine art veranstaltugnsaal oder konferenzraum etc. wahrscheinlich hat er diesen blödsinn auch wiktlich geglaubt. da mit schrempf und co ja immer noch die selben am wirken sind wird sich ja auch im denken nichts ändern. gat hatte damals, also 2003, seine going online party auf der insel gefeiert. mit dem efolg am nächsten tag mit einer anzeigedrohung der 2003 company konfrontiert zu sein. grund: misbräuchliche verwendung der insel, keine anmeldung eines events ...

Mi. 04/01/2017 8:02 Permalink
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