07/02/2017

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

07/02/2017
©: Karin Tschavgova

Bagger als Insignien der Macht

Ein trüber, regnerischer Tag 1 nach der Grazer Gemeinderatswahl: am Murufer beim Standort des künftigen Kraftwerks fahren die Bagger auf. Naiv, wer glaubt, dass der Beginn der Baumschlägerungen nur zufällig mit der für Bürgermeister Nagl günstig verlaufenen Wahl zusammenfällt. Zeitpunkt und Inszenierung scheinen wohlüberlegt.
8000 Stadtbäume – die vierfache Menge der Großbäume im Grazer Stadtpark – ab dem ersten Tag nach der siegreichen Wahl umzuschneiden, ist eine eindeutige Geste der Macht, auch wenn nun der Errichter, die Energie Steiermark, die Drecksarbeit macht.
Als deutliches Zeichen ist sie gleich an mehrere Adressaten gerichtet.
„Seht her, was von eurer Forderung nach einer Volksbefragung zu halten ist! Nichts, niente, sagen euch die Wähler des Bürgermeisters, und deren Zahl ist doch gestiegen. Was wollt ihr noch? Ist das nicht Basisdemokratie?“
An potenzielle Partner für eine künftige Koalition gerichtet, schafft der Bürgermeister mit dem Beginn der Schlägerung vollendete Tatsachen, auch wenn die 80 Millionen für den zusätzlichen Bau des Sammelkanals noch nicht genehmigt sind.
„Seht her, an einer Zustimmung für das Murkraftwerk und an einem Ja zum Stadtbudget 2017 kommt ihr nicht vorbei, wollt ihr mein Partner in der Stadtregierung sein.“
Die Geste der Macht ist unmissverständlich und schließt eine Zusammenarbeit mit den Grünen so gut wie aus, wenn sie weiterhin zu ihrer Ablehnung stehen – ebenso die mit Elke Kahr und den Kommunisten als zweitstärkste Kraft, die Nagl schon vor der Wahl wissen ließ, dass sie für ihn als Partner nicht in Frage kommen. 
Was oder wer übrigbleibt, lässt sich leicht ausrechnen. Ein Arbeitsübereinkommen mit der massiv geschwächten SPÖ allein reicht nicht aus, gemeinsam mit den Neos ergäbe sich eine hauchdünne und damit sehr fragile Mehrheit. Naheliegend ist die FPÖ als Partner, war die doch schon vorher für das Kraftwerk und für das (abgelehnte) Budget mit dem Extraposten Sammelkanal.
Demokratie funktioniert über Mehrheiten - also sich beruhigen und zurückkehren zum gewohnten Alltag?
Leider nein, denn das Demokratie-Instrument der Volksbefragung wurde verweigert (was der Bürgermeister nun als eine solche aus dem Hut gezaubert hat, war eine Umfrage der Partei).
Leider nein, denn die Bäume am Murufer werden umgeschlagen sein, auch wenn sich das Blatt noch wenden sollte.
Leider nein, denn Graz wird sich als Stadt verändern, wenn der künftige Bürgermeister Nagl der FPÖ weitreichende Zugeständnisse machen muss, um sein Programm durchzubringen und seine Macht zu erhalten.
Kann von dem vor der Wahl propagierten Miteinander, auf den Plakaten streichelweich beteuert, dann noch viel übrig bleiben? Wird das Bekenntnis zu einer offenen, bunten Stadt der Menschenrechte dann weiterhin verteidigt werden? Graz würde nach rechts rücken und das, obwohl die Grazer Wähler und Wählerinnen mit ihrer Stimmabgabe deutlich ausgedrückt haben, dass sie dem bundesweiten Trend nicht folgen wollen (die FPÖ hat kaum dazu gewonnen). Ob das all jene rund 43 Prozent der Grazer bedacht haben, die diesmal nicht zur Wahl gegangen sind?

feyferlik

ja herr bürgermeister, was dürfen wir von dem stehsatz nach der wahl "ich werde mit dem vertrauensvorschuss verantwortlich umgehen" nun halten. mit der angst vor dem blauen gespenst kurz vor der wahl noch einmal hausieren gegangen um dann genau dieses gespenst ans tageslicht zu holen. sie waren noch nie ein verlässlicher koalitionspartner und noch nie ein verlässlicher bürgermeister mit handschlagqualität. eine eindeutige mehrheit würde das zwar etwas differenzierter sehen, aber das interessiert sie nicht.

Di. 07/02/2017 11:53 Permalink

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