07/03/2012
07/03/2012

Foto: Wenzel Mracek

Der Gedanke, dass Städte im 21. Jahrhundert nur überleben können, wenn sie smart oder cool werden und die Kreativen der Welt anziehen, besteht nun seit über fünfzehn Jahren. Der Hohepriester dieser neuen urbanen Religion heißt Richard Florida. Seine Vision wurde von der Ursprungsidee inspiriert, dass kleine amerikanische Städte europäischer und damit kulturell reichhaltiger werden müssen. Der Amerikaner hat es glatt geschafft, diesen Ansatz auch über den großen Teich nach Europa zu bringen (sic!).

Mr. Florida hat mit seinen Büchern und Beraterverträgen ein Vermögen verdient, Städte haben ein Vermögen in kreative Startlöcher investiert. Vorwiegend dabei herausgekommen sind – anstatt gewachsener, multikultureller Vielfalt und Verbesserung der finanziellen Situation der ganzen Ich-AGen, aus denen die Kreativwirtschaft größtenteils zusammengesetzt ist – Gentrifizierung und immer wieder eine ideale Immobilienentwicklung für die Oberklasse.
Kritiker werfen den Verfechtern der Idee einer kreativen Stadt vor, einen neoliberalen Standpunkt einzunehmen, Kunst und Kultur nur als Mittel zum Zweck zu sehen, um Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Armut und die Konflikte von Menschen in „unkreativen“ Berufen werden ausgeblendet, echte perspektivische Gesellschaftsziele werden nicht verfolgt.

Trotz dieser Erkenntnisse und Warnungen musste auch Graz dem Sirenengesang folgen, darf sich seit gut einem Jahr nun auch auf dem Tablett der kreativen Städte der Welt präsentieren. Doch das City of Design-Ruderboot, das so gerne eine Yacht wäre, schlingert seit Beginn dahin. Nun lässt es der aktuelle Bericht des Stadtrechnungshofes auf die nächste Sandbank laufen. Laut Prüfbericht gab es bisher weder eine klar ersichtliche strategische Ausrichtung noch eine Definition von Leistungszielen, wie der Titel „City of Design“ in eine ökonomische Erfolgsgeschichte umgesetzt werden soll. Die Form der, von der UNESCO im Zweijahresrhythmus vorgeschriebenen Evaluierung der CIS durch die Stadt Graz wurde noch nicht einmal angedacht. Weder war eine Anwesenheit von Vertretern der Stadtverwaltung bei den Meetings des City of Design-Boards unbedingt gegeben noch waren VertreterInnen der Stadt aus dem Bereich Kultur in die Arbeit des City of Design-Beirates eingebunden. Zusätzlich „besteht eine Unsicherheit hinsichtlich der Verteilung der Zuständigkeit für die finanzielle Kontrolle zwischen der fachlich zuständigen Magistratsabteilung und der Finanzdirektion“.

Nicht einmal wirklich polemisch könnte man also die Fortschritte seit Überreichen des Titels vor knapp einem Jahr so zusammenfassen: Es besteht kein Plan, niemanden interessiert es, was die CIS bisher getan hat oder gerade plant, Kontrolle braucht offensichtlich auch keiner.
Nun sind bis einschließlich 2012 aber rund 1,5 Millionen Euro in das Projekt investiert worden. Es gibt dafür einen jährlichen Designmonat – in den ohnehin schon vor der Bewerbung funktionierende Festivals wie Assembly oder Lendwirbel eingebunden wurden, mehr oder weniger zur Freude der jeweiligen Veranstalter. Es gibt eine Jakoministraße mit immer unansehnlicher werdendem Bodenbelag, in der nach wie vor kein wirklich überbordendes kreatives Leben herrscht. Es gibt einmal kurzfristig durch die Stadt marodierende Edelbuchstaben, die nun auf einen neuen Einsatz warten.

Die Reaktionen auf diese „Erfolgsgeschichte“ ließen natürlich nicht lange auf sich warten. Der Geschäftsführer Eberhard Schrempf trug wieder sein mittlerweile beinahe mantraartiges Statement vor, dass er Zeit brauche und natürlich mehr Geld für Werbemaßnahmen.

Mit einem Tag Verzögerung kam dann auch der Bürgermeister aus der Deckung. Kaum überraschend stellte er sich hinter die CIS und versprach Besserung. Man werde nun doch ziemlich rasch evaluieren und Ziele definieren. Ja, noch besser, es werde mehr Geld für Projekte und Marketing geben und – als ob die bestehenden, ungelösten Baustellen nicht reichten – sogar ein neues „Design-Center“ mit Akademie und Ausstellungsflächen werde errichtet. Unbeschadet der Frage, wie diese Vorhaben finanziert werden, das Fiasko des Landes mit dem 2-Millionen-Flop Beta Lab scheint also rasch vergessen.

„City of Design heißt, Schein und Sein nicht zu verwechseln“, lautet ein Zitat der steirischen herbst-Intendantin Kaup-Hasler, eines von vielen aus der Kreativwirtschaft gesammelten, auf der Homepage der Creative Industries Styria.

Verfasser/in:
Emil Gruber, Kommentar
weirer andreas

...anscheinend war der Verfasser noch nicht in der Jakoministraße... Es passiert nämlich exakt gegenteiliges

Di. 20/03/2012 5:59 Permalink
Ein Architekt

...Zynisch, aber einfach nur auf den Punkt gebracht. Erwähnt werden sollte auch, mit welcher Berechtigung die "City of Design"-Aufkleber auf den Geschäften prangen dürfen? Weil teilweise muss man sich fragen, wieso teils nur der gehobene Handel diese Aufkleber bekommt. Und warum? Weil bei der Ladengestaltung mehr Geld für Designmöbel ausgegeben werden konnte? Zum anderen finden sich darunter auch Shops mit Aufklebern auf Schaufenstern, die sich überhaupt schwer mit dem Begriff "Design" identifizieren lassen. Man hat das Gefühl, es wurde panisch und kurzerhand alles plötzlich zur "City of Design " erhoben... Neben der mittlerweile wirklich peinlichen Verschmutzung des "roten" Bandes im Jakominiviertel bringt "City Of Design" zumeist nur Kopfschütteln hervor. Denn fast nirgendwo wird Design als Alltagserleichterung im Öffentlichen Raum begriffen und spürbar. Da helfen auch Bierdeckel und ein paar Aufkleber nur wenig...

Mi. 07/03/2012 10:22 Permalink
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