Der Architekturwettbewerb ist ein wesentliches Instrument zur Sicherung qualitätvoller Baukultur. Dass diese Tatsache mehr und mehr aus dem Bewusstsein von Bauherren, auch den öffentlichen, verschwindet, lässt sich recht einfach anhand statistischer Zahlen belegen. Das Wettbewerbsportal der Bundeskammer der ArchitektInnen und IngenieurkonsulentInnen www.architekturwettbewerbe.at registriert und dokumentiert kontinuierlich seit 2007 sämtliche an sie herangetragenen Verfahren von öffentlichen sowie privaten Bauherren.

Von durchschnittlich 34 offenen oder geladenen Verfahren im Ober- oder Unterschwellenbereich im Jahr 2007 sank die Zahl bis zum Jahr 2011 auf 20 und im Jahr darauf auf 17 Verfahren. Im letzten Jahr wurden nur mehr 12 geladene und kein einziges offenes Verfahren dokumentiert. Weder die Bundes Immobilien Gesellschaft (BIG) noch die Abteilung 16 (Stabsstelle Landeshochbau) des Landes Steiermark – in die im Vorjahr die Landesimmobiliengesellschaft (LIG) eingegliedert wurde – lobte 2013 einen Architekturwettbewerb aus.
Auffallend ist, dass in den letzten Jahren – vor allem bei größeren technischen Sanierungsvorhaben der öffentlichen Hand – Bauaufgaben auf mehrere Jahre gestreckt, in Einzelleistungen zerstückelt und sogar mehrere ArchitektInnen für ein Projekt beauftragt wurden, um es unter dem Schwellenwert zu halten und damit als Direktauftrag vergeben zu können. Beliebt ist auch die Durchführung von Verhandlungsverfahren lt. Bundesvergabegesetz (BVergG). Das erlaubt ein Ausselektieren der TeilnehmerInnen im Vorfeld und der Kontakt der Kommission zum Bieter ist zulässig. Die Anonymität muss nur unter den Bietern gewahrt werden. So geschehen u.a. bei der 2012 von der BIG ausgelobten Funktionssanierung des BG/BRG Lichtenfelsgasse Graz (5,8 Mio. Euro Baukosten). Bei diesem Verfahren im Oberschwellenbereich konnte man sich in der ersten Stufe mit Referenzprojekten bewerben und in der zweiten Stufe mussten die TeilnehmerInnen ihre Entwürfe vor einer Kommission, bestehend aus Vertretern der BIG, des Landeschulrates und des Ministeriums, präsentieren. ArchitektInnen als FachexpertInnen oder Mitglieder der Altstadtsachverständigenkommission Graz waren nicht in der Kommission vorgesehen. Das Verfahren wurde nicht in Kooperation mit der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark und Kärnten abgestimmt.

Diese Vorgehensweisen stehen natürlich alle im rechtlich korrekten Einklang mit dem  Bundesvergabegesetz. Hier zeigen sich auch dessen Schwachstellen: Das BVergG erlaubt einen großen Spielraum bei der Gestaltung von Verfahren. Die Anwendung der unterschiedlichen Verfahren ist zwar klar definiert, allerdings mit Ausnahme des Wettbewerbs. Dieser wird im § 26 lediglich in seinen Grundzügen, nämlich als Ideen- und Realisierungswettbewerb, normiert und dessen Durchführung als offener, nicht offener oder geladener Wettbewerb definiert. Angaben über Bauvorhaben, Bedingungen bzw. Schwellenwerte zu einem Wettbewerbsverfahren führen fehlen gänzlich. Daher wurde vonseiten der Architektenkammer bei technischen Sanierungsvorhaben das Verhandlungsverfahren auch deshalb toleriert, weil der baukünstlerische Anteil im Vergleich zur gesamten Bauleistung ein relativ geringer ist und zudem bis dato davon ausgegangen wurde, dass alle Projekte der BIG dem BIG Architekturbeirat (BAB) vorgelegt werden müssen und dieser die Vergabeart freigibt.

Nun ging die BIG als größte Immobilieneigentümerin Österreichs und vorrangiger Dienstleister für die Republik Österreich allerdings einen Schritt weiter und veröffentlichte am 6. Dezember 2013, mit Abgabe der Teilnehmeranträge bis 10. Jänner 2014, die Auslobung für den Neubau von Internat und Turnsaal der Bundeslehr- und Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein in Irdning als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich lt. BVergG. Die zweite Stufe des Zuschlagverfahrens sieht eine kommissionelle Sitzung mit Verhandlung Mitte Mai 2014 vor. Ob es dabei, wie beim Verfahren BG/BRG Lichtenfelsgasse, zu einer Präsentation der Projekte vor der Kommission kommen wird oder mit welchen Personen die Kommission besetzt wird, geht aus dem Auslobungstext genauso wenig hervor wie die Höhe der Aufwandsentschädigung.

Da es sich bei diesem Bauvorhaben um einen Neubau handelt und „es sehr bedenklich erscheint, dass Bauvorhaben, die einen derart großen baukünstlerischen Anteil aufweisen, mittels eines Verhandlungsverfahrens abgewickelt werden, ohne auf Qualitätskriterien im Sinne der Baukultur einzugehen“,  rät die ZiviltechnikerInnenkammer für Steiermark und Kärnten dringend von der Teilnahme am Verfahren ab. Des Weiteren wurde seitens der Ausloberin „keine Kooperation mit der Kammer angestrebt, sodass diese Bedenken nicht beseitigt werden konnten“.

Das Projekt Neubau Raumberg mit 7,9 Mio. Euro Baukosten wurde ebenso wie die Sanierung des BG/BRG Lichtenfelsgasse nicht dem BIG Architekturbeirat vorgelegt, wie Architekt Klaus Kada, derzeitig noch amtierender Vorsitzender des Beratungsgremiums, bestätigte. „Die BAB-Tätigkeiten werden zunehmend reduziert, im letzten Jahr fanden lediglich vier bis fünf Sitzungen statt und es werden nur mehr von der BIG vorab ausgewählte Projekte behandelt.“ Der BIG Architekturbeirat ist lt. Auskunft der BIG Pressestelle ein reines Beratungsgremium. Daher bestimmt die BIG selbst, welche Projekte dem Architekturbeirat vorgelegt werden. Es gibt laut BIG keinen definierten Kriterienkatalog. Dimension und Komplexität eines Bauprojektes sind dabei wohl aber Richtgrößen. Damit wird die Arbeit des Beirats im Hinblick auf die Sicherung der Bauqualität und Baukultur zunehmend obsolet. Dabei liegt gerade in der Auslobung und Durchführung von Wettbewerbsverfahren eine der wichtigsten Grundkompetenzen der BIG und seines Architekturbeirats. Im Falle des Projekts Raumberg konnte oder wollte die BIG ihre Experten- und Beratungsfunktion nicht hinlänglich ausüben.

Warum das Projekt Raumberg nicht dem Beirat vorgelegt wurde, könnte daran liegen, dass es sich dabei um ein sogenanntes Drittgeschäft der BIG handelt. Sie ist nämlich nicht Eigentümer der Immobilie in Raumberg, sondern lediglich Ausloberin des Verfahrens. Auftraggeberin ist die Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW). Die Entscheidungen oder Vorgaben, wie Projekte in den Ländern abzuwickeln sind, kommen grundsätzlich aus Wien – im aktuellen Fall wohl sogar direkt aus dem Ministerium. Eine Stellungnahme des zuständigen Ministeriums steht derzeit noch aus.
Wie könnte das laufende Verfahren in letzter Minute gestoppt und eine Neuausschreibung erzwungen werden? Eine Möglichkeit wäre, dass sich kein Architekt am Verhandlungsverfahren beteiligt bzw. sich dafür bewirbt. Diese Solidarität in der Berufsgruppe der ArchitektInnen ist unter den derzeitigen marktwirtschaftlichen Bedingungen allerdings kaum zu erwarten.

Zur Information
Der BIG Architekturbeirat ist ein reines Beratungsgremium der BIG. Laut Auskunft der BIG Pressestelle bestimmt daher die BIG, welche Projekte dem Architekturbeirat vorgelegt werden. Es gibt dafür keinen definierten Kriterienkatalog. Der Beirat tagt laut BIG regelmäßig vier- bis fünfmal pro Jahr. Das letzte Mal am 14.11.2013 und das nächste Mal am 12.2.2014. Die Mitglieder werden durch die BIG ausgewählt und auf drei Jahre bestellt. Die derzeitigen Mitglieder sind: Klaus Kada (Vorsitzender), Bernhard Marte, Gabu Heindl, Helmut Wimmer, Elsa Prochazka und Markus Geiswinkler.
Das derzeit in Vorbereitung befindliche Projekt Sanierung AGES-Gebäude in der Beethovenstraße Graz wurde dem Beirat bis dato nicht vorgelegt. Bei diesem Gebäude tritt die im Oktober 2012 von der BIG für den An- und Verkauf von Immobilien, für die strategische Immobilienverwertung, -beratung und -entwicklung mit Bauträgergewerbe gegründete Tochtergesellschaft ARE Austrian Real Estate als Bauherr auf.

Rupert Lindner

Grundsätzliche Feststellung zur Beauftragung der Bundesimmobiliengesellschaft mit der Abwicklung dieses Bauvorhabens:
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat bei den Ressortdienststellen zwei Eigentumsverhältnisse und damit Zuständigkeitssituationen im Bereich des Hochbaues und damit der Objektbetreuung:
1. Standorte, die im Eigentum der BundesimmobilienGesmbH stehen und bei denen alle baulichen Maßnahmen über die BIG abgewickelt wurden und werden.
2. Standorte, die im Eigentum der Republik, in der Verwaltung des BMLFUW stehen (das sind alle Standorte mit einem angeschlossenen Wirtschaftsbetrieb) und bei denen alle baulichen Maßnahmen mit der BundesimmobilienGesmbH über ein Geschäftsführungsmodell mit Finanzierung abgewickelt wurden und werden (zwei Bauvorhaben waren in der Vergangenheit die Ausnahme).
Für die Standorte und Pkt. 2. wird die BundesimmobilienGesmbH wegen ihrer Fachkompetenz sowie der Tatsache, dass sie auch öffentlicher Auftraggeber ist, für die Abwicklung der baulichen Maßnahmen herangezogen.
In diesem Sinn wurde die BundesimmobilienGesmbH auch mit der Umsetzung des Bauvorhabens in Raumberg-Gumpenstein beauftragt.
Zur Wahl des Vergabeverfahrens und zur Vorgangsweise bei der Durchführung durch die BundesimmobilienGesmbH ist festzustellen:
Wahl des Vergabeverfahrens:
Die Generalplanersuche wird in Form eines offenen, EU-weiten Verhandlungsverfahrens abgewickelt und entspricht vollinhaltlich dem Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006).
Anmerkung dazu: Nach der ersten Stufe der Generalplanersuche wird von einer 5-köpfigen Jury (3 Fachplaner, 2 Sachplaner) aus der Zahl der teilnehmenden Architekten / Architekturbüros auf Grund der vorgelegten Referenzen und Arbeitsproben eine kleinere, überschaubare Anzahl Architekten für die zweite Stufe dieser Generalplanersuche ausgewählt.
Einschaltung des Beirates für Baukultur:
Der Beirat für Baukultur ist ein beratendes Gremium für die im Beirat vertretenen Dienststellen auf Bundesebene hinsichtlich der in der entsprechenden Verordnung in § 2. (1) genannten Aufgaben.
Die Entscheidung über die Einbindung des Beirates obliegt der BIG als abwickelnde Institution; darüber hinaus gibt kein gesetzliches Erfordernis, dass dieses Gremium eingebunden werden muss.
Die BundesimmobilienGesmbH zieht bei Planersuche und Projektentwicklung jedoch den BIG-Architekturbeirat als BIG-intern beratendes Gremium zu Rate.
Information und Kontakt mit der Architektenkammer:
Das Einbinden der Architektenkammer in ein Planervergabeverfahren ist gesetzlich nicht verpflichtend vorgesehen.
Anmerkung: Die BundesimmobilienGesmbH / Planen und Bauen Steiermark hat aber in der 3. KW 2014 die Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark und Kärnten / Sektion Architekten von dieser Generalplanersuche in Kenntnis gesetzt.
DI Rupert Lindner
Lebensministerium - Bundesministerium für Land-und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft - Zentralleitung, Sektion II: Nachhaltigkeit, Ländlicher Raum

Mi. 22/01/2014 4:54 Permalink
DI Bernd Wiltschek

Stellungnahme der BIG: anbei darf ich Ihnen bezüglich des Vergabeverfahrens Raumberg wie folgt unsere Stellungnahme übermitteln:
Das für das gegenständliche Projekt gewählte Verfahren für die Generalplanersuche ist ein seit langem und oftmals erprobtes Verfahren. Die Grundlage für dieses Verfahren ist das Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) und die dazu ergangenen Verordnungen. Die Vergabe der Leistungen erfolgt gem. § 80 Abs 1 BVergG 2006.
In Pkt. 4. Teilnahmeberechtigung der Ausschreibungsunterlagen ist ebenso angeführt, wer an diesem Verfahren mitwirken darf.
Auszugshalber:
Teilnahmeberechtigt sind:

* Österreichische Architektlnnen, Zivilingenieurlnnen für Hochbau und ZT Gesellschaften mit aufrechter
Befugnis gemäß Ziviltechnikergesetz in der geltenden Fassung.

* Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU, des EWR oder der Schweiz, die in einem Mitgliedstaat der
 EU, des EWR oder der Schweiz niedergelassen sind und dort den Beruf eines/r freiberuflichen Architekten/
in oder eines/r freiberuflichen Ingenieurkonsulenten/in auf einem Fachgebiet, das den Fachgebieten der o.a.
 Befugnisträger gleichzuhalten ist, befugt ausüben.
Daher ist es uns nicht möglich, nachzuvollziehen, wodurch hier ein "unfaires Verfahren" begründet sein soll.
 Durch das gewählte Verfahren ist gewährleistet, dass eine bestmögliche Umsetzung, insbesondere mit Augenmerk auf architektonische Qualität, zu 100 % erfolgen kann.
LG
DI Bernd Wiltschek

Leiter Assetmanagement Schulen

Fr. 10/01/2014 4:19 Permalink
Kickenweitz

Antwort auf von DI Bernd Wiltschek

Man kann nur festhalten, dass die öffentliche Hand weiterhin nicht bereit ist, ihre politische Verantwortung wahrzunehmen.
Und das obwohl bereits in beiden Baukulturreports (2006 u. 2011, http://www.baukulturreport.at/) die Vergabekultur in Österreich massiv kritisiert wurde. Der Beirat für Baukultur hat daher 2010 als erste Empfehlung  "Mehr Baukultur durch sachgerechtere Planung und Auftragsvergabe" (http://www.bka.gv.at/site/6992/default.aspx) herausgegeben.
Im Beirat für Baukultur, der im Bundeskanzleramt angesiedelt ist und 2008 installiert wurde, sitzen zudem Vertreter der BIG und der Ministerien!
Aber Papier ist geduldig ... und wenn der Bund schon nicht seiner Vorbildrolle gerecht wird, wie soll man das dann von Landes-, Stadt- und Gemeindeebene erwarten können.

So. 12/01/2014 11:42 Permalink
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