10/03/2004
10/03/2004

Große Räume - Grandiose Leere

Eben aus London zurückgekehrt, möchte man seine besten Freunde bedrängen, doch noch vor dem 21. März auf eine Stippvisite dorthin zu reisen - wenigstens für einen Tag und eine Nacht (Ryanair macht es erschwinglich möglich).

Nur für ein überwältigendes, nachhaltig eindrucksvolles Erlebnis: für das "Weather Project" des in Dänemark geborenen Isländers Olafur Eliasson. Keiner versteht wie er, aus 'natürlichen' Elementen wie Erde, Wasser, Regen, Nebel oder Licht an Orten wie Galerien oder Straßenräumen ein unerwartet kraftvolles Szenarium zu schaffen, den Betrachter mitten hinein zu ziehen und anzuregen, sich die physische Welt um uns bewusst zu machen. Diesen Moment der Wahrnehmung nennt Eliasson "seeing yourself sensing".

Zu erleben ist die dramatische Installation einer aufgehenden Sonne in der mindestens 4.000 m2 (!) großen, 35 Meter hohen Turbinenhalle eines ehemaligen Kraftwerks am Themseufer, umgebaut von Herzog & de Meuron zur Eingangshalle der Tate Modern, diesem wunderbaren Ort für neue Kunst. Entkernt und mit Ausnahme einer zentralen Brücke leergelassen, riesig/huge - nichts drückt Größe lautmalerischer aus – haben die Architekten dieses Volumen meisterhaft transformiert, hat der Künstler es meisterhaft zu nützen gewusst.

So verschwenderisch mit Raum umzugehen, neuen Raum zu schaffen, ist heute fast nur mehr möglich, wenn vorhandene Bausubstanz, etwa Industrieanlagen, umgebaut werden. Die Helmut List-Halle – ein Glücksfall. Kein Bauherr einer neu zu errichtenden Konzerthalle hätte dem Architekten ein Foyer zugestanden, das 14 Meter hoch ist. Volumen kostet Geld und Energie. Baut man neu, muss Luftraum gespart werden. In einer Zeit, die ihre Werte rein utilitär ausrichtet, ist die Frage: "Was bringt’s?" immer mit dem Klingen der Münzen verbunden (deshalb werden shopping malls noch immer erstaunlich großzügig dimensioniert).

Ist Volumen-Sparen nicht fehl am Platz? Haben sich uns nicht jene öffentlichen Räume nachhaltig eingeprägt, die atmen lassen, großzügig und luftig sind? Einige der neuen Bauten, die Graz sich 2003 geleistet hat, sind, was Größe und Raumvolumen betrifft, grenzwertig. Olafur Eliasson hätte mit seiner wunderbar raumfüllenden Arbeit hier nicht landen können.

Verfasser/in:
Karin Tschavgova
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