30/06/2004
30/06/2004

Der etwas provokante Titel einer Einladung der TU Studenten lautete: Heidi in Graz - ist Schweizer Architektur 1000 Franken wert?
Mit den Schweizer Professoren an der TU sollte über sie (als Architekten?), ihre Lehre in Graz und ihren Architekturzugang diskutiert werden. Konträre Positionen waren gewollt und so lud man nicht nur einen Grazer Architekten dazu ein, sondern fragte auch: Ist die „Grazer Schule“ (schon) ein Mythos? Und: Wurde sie von den Schweizer Positionen abgelöst?

Das gab Zündstoff!
Die Schweizer, gefragt nach der „Grazer Schule“, konnten keine erkennen und einer von ihnen berichtete von Recherche vor Ort Anfang der 90er Jahre, wo er hierorts nichts als Architekten vorfand, die „Lifestyle-Architektur“ (O-Ton) produzierten.

Das saß!
Die Polarisierung war perfekt. Von nun an wurde auf der einen Seite postuliert, das Gebot der Stunde für Architekten sei doch, sich als Autor zurückzunehmen und als Dienstleister aufzutreten, der Räume schafft, die „den Menschen zu Freiheit verhelfen“. Die künftige Rolle des Architekten läge weder in der Produktion von Kunst, nicht einmal von Einzigartigkeit, sondern in der gekonnten Erfüllung von Bauherrenwünschen (O-Ton eines Assistenten) und der Anlage von guten Grundrissen, etwa im Wohnbau.

Da wurde es heiß!
Die andere Seite, vertreten durch den Grazer Architekten, konterte polemisch. Grundrisse gut zu lösen sei doch wohl eine Grundvoraussetzung für den Architekten, das Handwerkliche, das man voraussetzen dürfe. Architektur sei das noch lange nicht. Architektur sei Poesie - Überraschung, Erstaunen, Unvorhergesehenes, Vielfalt, auch Einmaliges.

Da war der Karren endgültig festgefahren!
Es gab kein Zurück und kein Zueinander. Schade, denn vieles, was da in die Diskussion ein- und hingeworfen wurde, hätte Ausgangspunkt einer sachlichen Diskussion sein können.

Auch die Frage, wie man sich als Schweizer erklären könne, dass die derzeit berühmtesten Schweizer Architekten, Herzog&deMeuron - Vorreiter für jene strenge und kühle Architektur und puritanische Reduktion, die zur sogenannten Schweizer Kiste führte – in ihrer aktuellen Ausstellung im Schaulager Basel ein Spiel an wogenden Formen zeigen, die „alle Festlegungen unterlaufen, idealerweise komplexe Assoziationen auslösen und nicht eindeutig lesbar sind.“ (Jacques Herzog)

Vielleicht, weil in einer „Zeit ohne Tradition, ohne verbindliche Regeln und ohne ideologischen Mahnfinger eine Leerstelle entstanden ist“ (J.H.) die dem Architekten neue, eigene Strategien und Konzepte abverlangt.
Herzog behauptet, dass Schönheit schließlich das sei, was uns alle am meisten bewegt und er meint damit nicht Geglättetes und Harmonisches, sondern eher das Schöne, das uns verführt und verwirrt. Deshalb soll Architektur Freude und Überraschung sein und die Wahrnehmung stimulieren.
Mit dieser Position sind Herzog&deMeuron schon fast Grazer. Schweizer seien DIE sowieso nicht, behauptete der eine Schweizer in der Diskussion - der, dessen Recherche ergab.... (Lifestyle der Grazer Nicht-Schule, Sie erinnern sich?)
Die besprochene Diskussion "Nachsitzen" der TU Zeichensaalstudenten fand am Mittwoch, den 23.6. im überdeckten Innenhof der TU Graz statt. GAT kündete sie an.

Das erwähnte Gespräch mit Jacques Herzog erschien im Feuilleton der "Die Zeit" Nr.21 am 13.Mai 2004 .

Verfasser/in:
Karin Tschavgova
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