19/01/2005
19/01/2005

Fährt man an einem sonnigen Wintertag übers schneefreie Land – konkret wie ich etwa an einem Tag in die Obersteiermark bis Oberzeiring, dann in die Oststeiermark über Passail nach Weiz bis nach Feldbach und zurück nach Graz – dann zeigt sich das Land, zeigen sich Landschaft und Siedlungsräume ganz und gar ungeschönt.
Kein Grün besänftigt den Blick, kein Flirren der Sommerhitze dämpft ihn, das Sonnenlicht zeichnet scharfe Konturen und legt dir alles auf den Präsentierteller.
Rund um Bauernhöfe wirkt es unaufgeräumt – klar, kein Baum und Busch verdeckt schrottreifes Gerät oder mit Plastikplanen zugedeckte Futtermittel. Ortsverschönernde Bodendeckerrabatte, kahle Blumenbeete, Betonpflanztröge, Blumenkisten, jedes holzgeschnitzte Hinweisschild, der frostsicher verpackte Ortsbrunnen und sogar die neuen, sparsam möblierten Dorfplätze sind mit einer Staubschicht bedeckt und wirken schmutzig.
Das Land zeigt sich im Großen und Ganzen erbarmungslos zersiedelt. Auch dort, wo sich mehrere Einfamilienhäuser zu einer Gruppe formieren, stehen sie wie zufällig nebeneinander. Siedlungscharakter entsteht nicht, auch wenn das Fertighaus X von Hanlo in zehnfacher Ausführung zu sehen ist. Jedes bleibt für sich und grenzt sich ab, dreht sich weg vom Nachbarn und behauptet keck mit Vollton(farbe) Individualität. Was die anderen - die „seriösen“ ziegelmassiv Gebauten - mit jedem Erker, jedem Türmchen und jeder als Handwerkskunst verkauften Massenware sichtlich souverän übertreffen.
Dabei ist alles sooo bemüht! Die Häuselbauer stecken Geld, Zeit und Power in den Traum vom Haus, die Hausfrauen ihre ganze Liebe in die Blumenbeete und ihre Freizeit in gehäkelte Spitzenvorhänge, die Tischler ihre gute Qualitätsarbeit in flächen- und wanddeckende Wohnraumverbauungen, die Ofensetzer ihre ganze künstlerische Begabung in gekurfte, gerundete Monstergebilde.
Was soll man da noch sagen?
Darf man da überhaupt laut bemerken, dass das Meiste, was im erbarmungslos hellen und kalten Winterlicht in der Landschaft herumsteht, diese trotz allen Bemühens bzw. mit allem Bemühen verschandelt?

Verfasser/in:
Karin Tschavgova
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