29/08/2014

Zum Nachlesen und Nachhören: Der Beitrag von Julia Macher wurde am 26.07.2014 im Deutschlandradio Kultur veröffentlicht.

Guerilla-Initiativen: Basisdemokratische Stadtentwicklung als Therapie für das krisengebeutelte Spanien. Auf Brachen und stillgelegten Baustellen nehmen Architektur-Aktivisten die Zügel in die Hand.

29/08/2014

Basisdemokratische Stadtentwicklung als Therapie für das krisengebeutelte Spanien. Auf Brachen und stillgelegten Baustellen nehmen Architektur-Aktivisten die Zügel in die Hand

©: picture alliance / dpa

In Spanien hat die Lust am Wandel die Architekturszene gepackt, vielleicht kein Zufall, schließlich haben Immobilienspekulanten das Land in die Krise gebracht. Nun entscheiden Guerilla-Architekten und Nachbarn gemeinsam, was um sie herum entsteht.

Ein altes Fabrikgelände in Barcelona. Von manchen Hallen bröckelt der Putz, die Fensterhöhlen sind leer. Vor dem zentralen Gebäude aber rankt Grün. Biblioteca Popular Josep Pons steht in gebogenen Eisenlettern an der Wand. Schilder weisen den Weg zu Probenräumen, einer Kletterhalle und zu einer Bar. Im Gemüsegarten harken zwei Jugendliche Unkraut.
Vor drei Jahren haben Anwohner das leerstehende Areal besetzt. Die Krise hatte die hochfliegenden Pläne eines Privatinvestors gestoppt. Gemeinsam mit der Architekturkooperative LaCol wird das 14 Hektar große Gelände von Can Batlló seitdem Stück für Stück in ein Kultur- und Sozialzentrum verwandelt.
"Für Can Batlló war die Krise ein großer Glücksfall, sonst wäre hier eine Vision von Stadt realisiert worden, die wir ganz schrecklich finden: mit überdimensionierten Verwaltungsgebäuden und Luxusappartments. Das riesige Areal sollte komplett zugebaut werden: Viel zu schnell! Stattdessen arbeiten wir jetzt peu à peu, die Anwohner entwerfen und bauen mit, so dass der Wandel besser zu verkraften ist."
Sagt Architekt Carles Baiges: Basisdemokratische Stadtentwicklung als Therapie für das krisengebeutelte Spanien, konzipiert nicht für die Ewigkeit, sondern entworfen für den unmittelbaren Bedarf. Denn an dem hat Spaniens Wirtschaft und Politik vorbeigeplant. Kollektive temporäre Architektur ist das Schlagwort im Jahr sieben nach dem Immobiliencrash.
Während das etablierte Baugewerbe in lichtdurchfluteten Büros vergeblich auf Aufträge wartet, schlägt sich eine junge Generation von Guerilla-Architekten auf Nachbarschaftsversammlungen und in besetzten Häusern die Nächte um die Ohren.

In Madrid entwickelt Todo por la praxis Module, mit denen sich leerstehende Tragwerke im Nu zu Veranstaltungszentren umfunktionieren lassen. In Sevilla verwandeln Architektur-Aktivisten stillgelegte Baustellen in Abenteuerspielplätze, auf Barcelonas Brachen wachsen Tomaten und Skater rollen durch umgebaute Fabrikanlagen. Bei der Planung sind alle gleichberechtigt, Entscheidungen werden im Konsens getroffen, kein Projekt ist endgültig abgeschlossen. In Can Batlló hat man sogar für die Gestaltung einer einzigen Bibliothekswand eine Sonderversammlung einberufen....

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